Boris Pistorius ist 1960 geboren, also ein echter Boomer, und gedient hat er auch, er weiß also wenigstens, wie eine Kaserne und eine Armee zur Zeit des Kalten Krieges ausgesehen hat. Er macht einfach seinen Job, eine Aufgabe, an der seine Vorgängerinnen kläglich gescheitert sind.
Er ist der absolute Polit-Shooting Star und hat sich innerhalb von vier Wochen an die Spitze der beliebtesten Politiker (ja, so ein Ranking gibt es) katapultiert: der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius. Was aber ist es, das einen alten weißen Mann an die Spitze all unserer famosen und progressiven Politikernden gebracht hat? Ist er ein Mann in Frauenkleidern? Sagt er kluge Sätze? Ist er wenigstens dunkelhäutig oder hat Migrationsvordergrund?
Nein, er macht einfach seinen Job. Ruhig, unaufgeregt, aber konsequent. Kaum im Amt, hat Pistorius so sensationelle Dinge getan, wie einfach mal die funktionierenden Leopard-Panzer der Bundeswehr zu zählen. Ein derart simpler Vorgang, zu dem sich seine Vorfliegerin Christine Lambrecht in über 12 Monaten nicht durchringen konnte. Und er hat die Truppe besucht: Nicht als Vorwand für eine nice Urlaubsreise auf Steuerzahlerkosten und in Pumps, sondern um sich zu informieren und sich die Probleme der Militärs anzuhören, die nichts mit Diversität in der Truppe zu tun haben, sondern bei denen es um Waffen, Ausbildung und Munition geht. Also das, was eine Truppe wirklich braucht, wenn es um die Landesverteidigung geht. Bieder, langweilig und augenscheinlich effizient.
Boris Pistorius ist 1960 geboren, also ein echter Boomer und gedient hat er auch, er weiß also wenigstens, wie eine Kaserne und eine Armee zur Zeit des Kalten Krieges ausgesehen hat. Zumindest im Westen. Er ist tatsächlich gelernter „Kaufmann im Groß- und Einzelhandel“ und hat nach Lehre und Wehrdienst Jura an der Uni Osnabrück studiert. Er spricht Englisch, Französisch und Russisch. Für einen Ministerposten – speziell als Verteidigungsminister – ist er damit im Kabinett Scholz mit seiner Frauen-, Dummen- und Ungelerntenquote schon fast überqualifiziert. Und seine Ernennung war ja auch nicht unumstritten, weil der damit den fein austarierten Frauenproporz im Kabinett Scholz zerstört hat. Wäre ich Cem Özdemir, hätte ich jetzt Angst um meinen Job. Landwirtschaftsministerin kann jede Frau, die den Wocheneinkauf je erledigte.
Eine Gefahr für linke Apologeten
Pistorius verkörpert die „alte SPD“ besser als jede und jeder seiner un- und eingebildeten Kabinettskollegenden. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, wenngleich seine Mutter Landtagsabgeordnete der SPD war, er hat sich hochgearbeitet und weiterqualifiziert und schließlich in diversen Funktionen inner- und außerhalb der SPD gearbeitet. Ein Mann, der Vernunft und Augenmaß oft über Ideologie stellte. So, wie die alte SPD unter Brandt und Schmidt und – ja – Schröder einst funktionierte. Kein linker Apparatschick, sondern augenscheinlich ein Macher, der gerne Politik mit Hand und Fuß und Verantwortungsbewusstsein für die Bürger macht.
Und damit ist er tatsächlich politisch eine Gefahr für linke Apologeten von Scholz über Faeser bis hin zum unsäglichen Handarbeitslehrerinnenabziehbild Saskia Esken. Er ist nicht nur für Mitte-Rechts wählbar, sondern auch für die Mitte-Linken, die es ja zumindest unter den Boomern auch noch gibt. Vielleicht war genau das auch der Grund, warum er seinerzeit bei der ideologisierten SPD-Basis bei seiner Bewerbung um den Parteivorsitz gemeinsam mit Petra Köpping durchfiel.
Ein paar Kostproben seiner Gedankenwelt: In seinem 10-Punkte-Papier zur Positionierung der SPD in der Innenpolitik spricht sich Pistorius für ein entschlossenes Vorgehen gegen terroristische Gefährder, eine Stärkung der Bundespolizei und eine verbesserte Bekämpfung der Cyber-Kriminalität aus, allerdings „eine vernünftige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“ gewährleistet sein muss – Positionen, die so auch in einem Unionspapier stehen könnten.
Physik des politischen Tagesgeschäfts
Das Pech von Pistorius ist, dass er frühestens in ein paar Jahren Kanzlerkandidat sein könnte, da Scholz das Vorgriffsrecht hat und erst abgewählt werden muss, bevor Pistorius als KK zum Zuge käme. Und selbst dann müsste er erst an den Kevins und Saskias in der SPD vorbei, die hierfür noch massive Wahlniederlagen zur Gedankenstütze benötigen. Außerdem ist er, zumindest äußerlich, ein Mann. Ein Umstand, der bei den SPD-Granden eher ungern gesehen wird. Da kann er noch so gut und qualifiziert sein.
Unter den Blinden ist der Einäugige König. Pistorius hat es schwer in einem Umfeld, in dem eine Annalena Baerbock eine Außenministerin mimen und ein Robert Habeck einen Wirtschaftsminister simulieren mögen. Er, der Qualifizierte, hat den Knochenjob des Verteidigungsministers, an dem seine Vorgängerinnen kläglich, peinlich und lachhaft gescheitert sind. Und er wird ihn meistern. Weil er ein pflichtbewusster, alter weißer Mann und kein durchgeistigter Tagträumer mit hochfliegenden Idealen ist, die der Physik des politischen Tagesgeschäfts nicht werden widerstehen können.
Er singt nicht, er tanzt nicht, er blödelt sich nicht durch den Reichstag. Er ist bieder, langweilig, pflichtbewusst – und das macht ihn zur Ausnahme. Und zum politischen Liebling einer Nation, die sich endlich wieder Vernunft und keine Idioten in der Regierung wünscht. Schade, dass er nicht als Kanzlerkandidat antreten durfte. Weil die SPD ihre Pragmatiker immer schon gehasst hat.
(Weitere anständige Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.