Vera Lengsfeld / 21.11.2023 / 14:00 / Foto: Kaisertv.de / 22 / Seite ausdrucken

Über die Viralität des Bösen – Statt eines Nachrufs auf Gunnar Kaiser

Deutschland, das einstige Land der Philosophen, hat heute nur noch Richard David Precht zu bieten? Nein, aber leider ist der wahre Philosoph Gunnar Kaiser viel zu früh von uns gegangen.

In seinem letzten Buch geht Kaiser der Frage nach, wie passieren konnte, dass die Mehrheit der Bürger unserer Gesellschaft sich widerstandslos zu Untertanen machen ließ, denen ihre verfassungsgemäßen Grundrechte nur noch als Belohnung für Gehorsam und Wohlverhalten zugeteilt wurden.

Kaiser beginnt mit einem überraschenden Geständnis: „Seit ich etwas werden wollte, wollte ich berühmt werden.“ Er war auf dem besten Wege dazu, hatte schon einen Namen in den entscheidenden Zirkeln, die Berühmtheit fördern. Da kam ihm etwas dazwischen, was einer der letzten unberechenbaren Faktoren menschlicher Individualität ist: sein Gewissen. Als sein Abweichlertum spürbar wurde, fragte ihn sein Literaturagent: „Willst du deinem Gewissen folgen, oder willst du auf der Party bleiben?“ Kaiser entschied sich für sein Gewissen und wurde für viele Andersdenkende zur Leitfigur, für viele Suchende eine wertvolle Orientierung. Was seine philosophischen Lektionen betrifft, eine Quelle der Bildung. 

Er beobachtete aufmerksam die schleichende Entwicklung in der Corona-Krise, hin zu einem totalitären biopolitischen Verordnungsstaat. Er wies zum Schluss immer wieder darauf hin, dass die Gefahr keineswegs gebannt war, nachdem die Corona-Erzählung, wie es neudeutsch heißt – die PCR-Tests, die Überlastung der Intensivstationen, die Mortalitätsrate, die Notwendigkeit von Masken, Schulen und Kindergärten als Treiber der Pandemie, moralischer Impfzwang und Lockdown –, sich vollständig als falsch erwiesen hat. 

Kaiser zeigt, dass die eigentliche Gefahr, die den Aufstieg des Totalitarismus ermöglicht, die Passivität der Mehrheitsgesellschaft ist. Im Fall Corona geht er der Frage nach, wie es sein kann, dass alle Zweifel an der sogenannten Corona-Politik schon in den ersten Wochen dieser politisch inszenierten Pandemie geäußert wurden, aber nicht gegen die Corona-Propaganda durchdrangen. Das lag nur zum Teil an der rigorosen Unterdrückung der Gegenstimmen, die sich mehrheitlich nicht einschüchtern ließen, sondern an der Bereitschaft der Mehrheit, den politischen Entscheidungen gehorsam zu folgen. Wie konnte das in unserer freiheitlichen Gesellschaft, in der alle nötigen Informationen verfügbar waren, dazu kommen?

„The golden opportunity“ (Prince Charles) 

Die wahre Epidemie sie die Psychose der Massen, konstatiert Kaiser und trägt unzählige Beispiele für die Richtigkeit seiner These zusammen. Ausgelöst wird diese Psychose vor allem durch Angst. In einer scheinbar lebensbedrohlichen Situation, die das angebliche „Killervirus“ geschaffen hat, sind allzu viele Menschen bereit, ihre Freiheit für vermeintliche Sicherheit aufzugeben. Die Corona-Erzählung kreierte eine solche Gefahr. Kaisers These ist, dass sie alle Merkmale eines Kults trägt.

„Man sagt etwa ,trust the science'. Oder es heißt, es gebe einen ,Wissenschaftskonsens'; was man damit meint, ist aber die Unhinterfragbarkeit eines Dogmas. Wer dann Fakten, die diesem Weltbild widersprechen, anbringt, gilt als Wissenschaftleugner…Der Inhalt dieser Erzählung ist dabei völlig zweitrangig. Der dieser Dynamik zugrunde liegende Mechanismus ist auf jeden Inhalt beliebig anwendbar. Auch der Feind ist im Grunde zweitrangig. Er kann sogar wechseln.“

Die Gültigkeit dieser Erkenntnis konnten wir alle erleben: Schon nach wenigen Wochen wurde von Leuten wie Luisa Neubauer die Frage gestellt, ob man Corona-Maßnahmen auch auf den Klimaschutz übertragen könnte. Im WEF (Weltwirtschaftsforum) wird bereits die Frage diskutiert, ob nach dem gescheiterten Corona-Experiment – „the golden opportunity“ (Prince Charles) – zum Umbau der Gesellschaft in einen Weltstaat die Klimakatastrohe ein zu schwaches Argument sei. Wasserknappheit wäre ein Thema, das viel näher an den Menschen sei, denn jeder brauche Wasser zum Trinken.

„Besonders perfide wirkt die Rhetorik des 'Follow the Science' oder 'Trust Science', beides genuin antiwissenschaftliche Slogans, die von Influencern oder bezahlten Journalisten verwendet werden, um berechtigte Zweifel an politischen Verlautbarungen als 'Wissenschaftsleugnung' darzustellen.“ Das wirklich Gefährliche am aktuellen Versuch der schleichenden Totalisierung ist, dass sie global vorangetrieben wird. Das ist neu. Bisherige totalitäre Diktaturen waren auf bestimmte Gebiete beschränkt. 

Die Unterjochung der Natur wird zur Unterjochung des Menschen

Eingehend untersucht Kaiser die Rolle der Intellektuellen, die aktiv die politischen Narrative übernommen haben, ohne sie zu hinterfragen. Das ist ein Verrat an der freien, offenen Gesellschaft, denn es befördert ihre Verwandlung in die Neue Normalität. Die Corona-Maßnahmen an sich kann man rückgängig machen, was ja auch geschehen ist.

„Was man jedoch schwer rückgängig machen kann, ist die Veränderung der gesellschaftlichen Mentalität, die sich vor unseren Augen vollzieht. Nicht nur, dass maximalinvasive Verordnungen beinahe klaglos hingenommen werden, sie werden auch als alternativlos verteidigt. So verschieben sich die Grundlinien unserer Vorstellungen von einem funktionierenden Gemeinwesen hin zur Neuen Normalität eines dauerüberwachten entmündigten Bürgers…“

Dieser Prozess hat nicht erst mit Corona begonnen, sondern hat sich in den Jahren der angeblichen Pandemie nur rasant beschleunigt. Kaiser legt die philosophischen Wurzeln bloß, die bis zum Philosophen René Descartes reichen. „Schon in Descartes entseelter Natur ist ja der menschliche Körper nichts als eine Maschine, die entsprechend von einem kundigen Ingenieur-Arzt erfolgreich gewartet werden kann.“ Und: „Nach der Entseelung der Himmelskörper, der Pflanzen und der Tiere im aufkommenden Cartesianismus gibt es nur einen kleinen Bereich in einer dualistischen Welt, der dem Materiellen vorerst entzogen bleibt; den des menschlichen Bewusstseins …“ In unserem technologischen Zeitalter werden auch das Bewusstsein und die menschliche Seele „dem forschenden Zugriff von 'Sachverständigen' ausgesetzt. Die Unterjochung der Natur wird mehr und mehr zur Unterjochung des Menschen durch den Menschen“.

Kaisers Schlussfolgerung: Nicht mehr Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus sind die zukünftige Gefahr, sondern eine unkontrollierte Technokratie. Diese Technokratie arbeitet nicht mit äußerer Gewalt, sondern bietet ein Weltbild an, in dem „Gruppenzugehörigkeit, Fortschrittsgläubigkeit und eine Autorität Linderung und Sicherheit vor der kalten Grausamkeit“ der realen Welt gewährt. Kaiser nennt die neue Ideologie Kult.

Denen, die Gehorsam fordern, muss unser Ungehorsam entgegengesetzt werden

„Mit der Konsolidierung der Hegemonie des Kults bringen sich neue Weltsicht und neuer Mensch gegenseitig hervor.“ Am Ende stimmt die gehorsame Menge ihrer Selbstabschaffung zu. Schließlich hat der dem WEF-Chef Klaus Schwab nahestehende Ideologe Yuval Harari bereits vor Jahren in seinem Buch „Homo Deus“ die Frage gestellt, was, nachdem die KI voll entwickelt ist und auch die Produktionsprozesse übernommen hat, mit den vielen überflüssig gewordenen Menschen passieren soll. Wenn man dann weiß, dass eine wachsende Anzahl von Klimaideologen den Menschen als Klimakiller ansieht, bekommt man Gänsehaut, wenn man über die möglichen Konsequenzen nachdenkt.

Es gibt ein historisches Beispiel, wie verheerend Auswirkungen von „Wissenschaft“ sein können. Erst entwickelten die Eugeniker der gesamten westlichen Welt die Wissenschaft vom „lebensunwerten Leben“, die dann von den Nazis in die Praxis umgesetzt wurde, beginnend mit der Vernichtung von Behinderten, kulminierend in die Vernichtung von Juden und Zigeunern. Als nach dem Zweiten Weltkrieg das Ausmaß des Grauens, das diese „Wissenschaft“ hervorgebracht hat, sichtbar wurde, wollte niemand mehr Eugeniker gewesen sein. Ich nenne nur drei Vertreter: George Bernhard Shaw (bekannter Schriftsteller), Leland Stanford (Gründer der gleichnamigen Universität) und Maurice Thorez (Politiker, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs 1946/47).

Denen, die Gehorsam fordern, muss unser Ungehorsam entgegengesetzt werden. „Jedes Nein zu angemaßten Autoritäten ist ein Ja zu sich selbst. Der Ungehorsam ist die Bejahung der eigenen Vernunft, des eigenen Willens und der eigenen Freiheit. Der Ungehorsam bejaht das eigene Leben.“ 

Es ist schon mehr nötig, als den Anfängen zu wehren, wir müssen den aktuellen Prozess hin zum neuen Totalitarismus sofort stoppen. Gunnar Kaiser hat mit seiner hellsichtigen Analyse die Grundlagen dafür geliefert.

Gunnar Kaiser: Der Kult – Über die Viralität des Bösen. Rubikon 2022, 20 Euro, erhältlich unter anderem hier

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Homepage der Autorin.

 

Vera Lengsfeldgeboren 1952 in Thüringen ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

Foto: Kaisertv.de

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sybille eden / 21.11.2023

Helmut DRIESEL, - ... lesen sie mal Ludwig von Mises, dann wissen sie was wirkliche Freiheit ist.

Sam Lowry / 21.11.2023

“Unveröffentlicht: Gunnar Kaiser über das Sterben | Im Interview für “Werde, der du bist”” Youtube…

Sam Lowry / 21.11.2023

Heute ist wieder so ein Tag, an dem man das Leben ohne Alk und “Linkin Park - Meteora” nur sehr schwer ertragen kann. Meine starken Schmerzmittel habe ich meinem Vermieter geben wollen, der eine ziemlich große Wunde auf dem Kopf hat. Ich hoffe, dass die histologische Untersuchung nichts Bösartiges auswirft. Aber war bei ihm auch schon sehr großzügig geschnitten worden. Gestern das erstemal gesehen. Mache alles, was ich kann, um unsere Schicksalsgemeinschaft solange es geht am Kacken zu halten. Und dann ist halt Feierabend… der Martinstag kommt halt irgendwann zu jedem Schwein (Spanisches Sprichwort: “A cada cerdo le llega su san Martín”)

F. Michael / 21.11.2023

Danke G. Kaiser, er war eine Lichtgestalt in der dunklen Coronazeit.

Marc Munich / 21.11.2023

Gunnar Kaiser war vermutlich sogar der größte Philosoph unserer post-zivilisatorischen Epoche.  Letztere beschrieb er in seinem “Alles ist so kaputt”-Essay so fulminant unter die Haut gehend, dass es etwaige, wieder von Vernunft UND Meta-Bewusstsein folgende (Aufbau)Generationen, als Lehrmaterial in die Geschichtsbücher setzen dürften. Er verfügte nicht nur über einen brillanten Verstand, sonder vor allem auch über eine gigantische Metaebene und beides lief so, wie es sein sollte: parallel!    Von den positiven Impulsen der Aufklärung abgesehen, glaube ich, dass G. Kaiser die säkulare Moderne - und zwar auf breiter Front - als gescheitert sah.  Nun ist ja der “nüchterne Blick in die Welt” richtig und keinesfalls falsch.  Faslch wird er nur, wenn er sich auf eindimensionaler Ebene verabsolutiert. Dann wird der Mensch irgendwann von seiner Leiblichkeit, von allem was die Natur und die Transzendenz betrifft, abgesprengt.  An die Stelle (des als menschenfreundlich erkannten) GOTTES, tritt der reine Verstand bzw. das “Eigene Ich”.  Der kleine Mensch blies sich zwar plötzlich mit immer mehr Wissen und immer phantastischerer Technik auf, blieb aber dabei auch mehr und mehr in der reinen Aussenperspektive stecken.  Der Mensch bzw. die Betrachtung des Menschen werden darin letzlich mechanistisch; der Mensch wird in seiner Eigentlichkeit gar nicht mehr erfasst. Dann landen wir eben in sowas wie Corona-Lockdown & Co.  Der Mensch wird in dieser säkularen Moderne offensichtlich nicht nur nicht erkannt, sondern sogar (gezielt?) ruiniert! Alles wird bar der Erkenntnis, dass die Welt auch ein magisches Mysterium mit rätzelhaften Facetten ist, ausradiert (guckst du Gunnar Kaiser “Alles ist so kaputt”)!  Der isolierte Verstand läuft immer in den Irrsinn. Isolation überhaupt läuft in den Irrsinn (siehe Plandemie)!  Dagegen hat G. Kaiser ohne Kompromisse angekämpft und seine Seele nicht auf dem Misthaufen alter Eugeniker in neuen Kostümen verkauft!

Werner Arning / 21.11.2023

Das Böse ist, den Menschen von der Entdeckung und der Entwicklung seines Potentials abzuschneiden, ihm dieses unmöglich zu machen. Dem entwurzelten Menschen bleibt nur die Unterjochung. Je mehr Menschen von ihrem Potential angeschnitten sind, desto größer die Gefahr des Totalitarismus. Dieser Entwicklung entgegenwirken, kann nur derjenige, der sich in einen Widerspruch zur Masse setzt, der sich seiner Individualität bewusst wird. Erst aus dieser Position heraus, kann er sein Eigenes entdecken. Um hierfür die Kraft zu finden, muss er sich zum Teil von der Beurteilung seitens der Anderen loslösen. Muss diese gelassen zur Kenntnis nehmen, ohne sich davon beirren zu lassen. Dieses bedeutet nicht, dass er nicht mit seinen Mitmenschen in liebevoller Weise verbunden bleiben kann. Sein Sein jedoch bedarf der allein menschlichen Wertschätzung nicht mehr. Der Grund auf dem er steht, hat ein festeres Fundament, Er ruht.

Marc Munich / 21.11.2023

@Helmut Driesel “Geschrieben mit einem gewissen Grade an Alterssturheit und Boshaftigkeit, nehme ich an.”  Empfehle wenigstens vorher mal kurz nach G. Kaiser zu googeln, bevor man einen derartigen Fettnapf raushaut :-(

Silas Loy / 21.11.2023

“Die Würde des Menschen ist unantastbar” ist christliches Erbe, denn nur Gott ist Herr über Leben und Tod und jede Seele ist mehr wert als das Universum. Das ist natürlich aus der Zeit gefallen, wenn man heute am Geschlecht herumschraubt, Abtreibung und “Sterbehilfe” als sogenannte Rechte propagiert, um einfach Menschenleben zu beseitigen. In die gleiche Richtung geht die Vorstellung von der Schaffung eines “Neuen Menschen”, indem “lebensunwertes Leben” vernichtet und gewünschtes Leben (“Lebensborn”) gezüchtet wird. Diese Eugenik ist in der Tat älter und weiter verbreitet gewesen als Nationalsozialismus und Internationalsozalismus. Aber wenn es Gott scheinbar nicht gibt, warum dann nicht? Und dann ist es doch auch nur noch eine weltliche Machtfrage. Wer die Macht hat, sich Zugang zu den Körpern der Menschen zu verschaffen -z.B. über sogenannte Impfungen- kann sie für sich entscheiden. Und natürlich hat man auch den Juden nicht gesagt, es gehe jetzt in die Gaskammer, sondern unter die Dusche. Hygiene ist alles, alles wird gut.

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