Archi W. Bechlenberg / 07.02.2021 / 08:00 / Foto: Parpan05 / 18 / Seite ausdrucken

The Oyster is my world: Apropos Höllenpforte

Tut das gut. Seit letzter Woche habe ich nur zweimal die Auster verlassen. Einmal gestern, da schien die Sonne so schön, dass Kater Django erstmals seit letztem Herbst seinen Lieblingsplatz auf dem Dach des Badezimmers inspizierte und ich mich animiert sah, einen Kontrollgang durch den Garten zu machen. Bei aller Tristesse, die ein Garten im Februar ausstrahlt: da ein Schneeglöckchen, da die Christrosen, da die erste Blüte der Gemswurz. Es wird.

Das andere Mal, heute früh, da ließ ich mir die Fäden ziehen und plauderte entspannt mit dem Zahnarzt, der spannende Geschichten auf Lager hatte – seine Praxis befindet sich in einem sehr alten, edel renovierten Haus unmittelbar an der Grenze, in dem früher eine Kneipe war, wo sich Zöllner und Grenzübertreter vor oder nach dem Dienst gemeinsam die Kante gaben. Manchmal war auch der eine oder andere von ihnen kurz- oder langfristig verhindert.

Mich erinnerte das an selbst Erlebtes aus Frankreich. Was hier aber zu weit führen würde. Der eine und andere Frankophile unter Ihnen fühlt sich vielleicht getriggert, wenn er dadurch an Zeiten erinnert wird, als sich im Hexagon der kollektive Wahnsinn auf den Routes Nationales, gerne auch den Routes departementales abspielte und nicht in den Ministerien.

Alles Käse und Quark?

Als passionierter Genießer von Milchprodukten, die durch Gerinnen aus einem Eiweißanteil der Milch, dem Kasein, gewonnen werden, dreht sich mir jedes Mal der Magen herum, wenn ich lese, der und die hätten mal wieder Quark oder Käse geredet. Gerade in der heutigen Zeit begegnet man dieser Formulierung aus der Vergangenheit, als Käse ein wenig geschätztes Produkt war, nur allzu häufig. Meist finden sich im Kontext Namen wie Merkel, Spahn, Lauterbach, Söder, Baerbock oder Habeck, um nur ein paar zu nennen.

Dabei ist ein sorgfältig erzeugter und affinierter Käse etwas so Kostbares, dass einem alles dazu einfällt, nur nicht diese Namen. Selbst Quark kann einen wertvollen Genuss bieten – wenn Sie Gelegenheit finden, probieren Sie mal einen ganz frischen Schafs- oder Ziegenquark aus einem Faisselle, einem Fässchen, in dem die Flüssigkeit vor dem Genuss vom festen Anteil getrennt wird. Pur, ohne Zucker, ohne Früchte, ohne alles. Sie werden nie mehr die neusten Coronanachrichten als „Quark“ bezeichnen.

Der Drang nimmt zu

Es gibt erfreuliche Nachrichten: In Köln ist laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa die Nachfrage nach Austrittsterminen aus der katholischen Kirche so groß, dass bis Ende April die dafür zuständige Behörde ausgebucht ist. Zu meiner Zeit vor 54 Jahren war das noch eine verschnarchte Stube im Amtsgericht, in die sich so gut wie nie jemand verirrte. Was man ausgefressen haben musste, um dort sein Beamtendasein zu fristen, mag ich mir gar nicht ausmalen.

Dass man im digitalen Zeitalter überhaupt noch einen persönlichen Termin braucht, liegt an den Privilegien der Kirchen in Deutschland, durch die sie sich von anderen (Un)zuchtvereinen unterscheiden, Stichwort: Kirchensteuer. Warum gerade im Kölner Sprengel die Zahl der Austrittswilligen so massiv angestiegen ist, wird von Beobachtern der Szene als besonderes Verdienst des dort als Kardinal tätigen Rainer Maria Woelki angesehen, dessen Motivation, Missbrauchsfälle in seinem Bistum zu marginalisieren oder gar zu vertuschen, offenbar so groß ist, dass er dafür sogar den Einzug ins Paradies riskiert. Weiß Gott eigentlich von Woelki? 

Gewissheit

„Man kann gewiss sein, dass das 21. Jahrhundert, das weit fortgeschrittener sein wird als das unsere, in Hitler und Stalin harmlose Sängerknaben sehen wird.“ (Emile Michel Cioran; Die verfehlte Schöpfung, Suhrkamp, 1981)  

Impfung macht frei

Wie man hören kann, sollen die Wagemutigen, die sich einem der im Schnellkochverfahren entwickelten Impfstoffe aussetzen, keine Privilegien genießen, zumindest nicht von staatlicher Seite her. Was aber nicht viel heißt. Veranstaltern könne man behördlicherseits natürlich nicht das Recht absprechen, eigene Hausregeln zu etablieren und durchzusetzen. Wozu auch das Verlangen eines Impfnachweises gehört. Und eines negativen Corona-Tests. Oder nur eins. Oder beides? Vielleicht noch einen Nichtariernachweis? 

Ach was weiß ich. Klar ist: Wer in diesem Jahr seinen kulturellen Interessen endlich wieder einmal Zucker geben möchte, indem er einem Konzert gegen Rechts, einem bunten Abend mit Grönemeyer oder einer revolutionären Neuinterpretation der Volksbühne von La Bohême, angesiedelt in der bundeshauptstädtlichen Rigaer Straße, beiwohnt, muss sich darauf einstellen, an der Höllenpforte abgewiesen zu werden. Ihr, die ihr hier eintretet, lasset alle Hoffnung fahren. CO2-frei natürlich.

Apropos Höllenpforte

Sollten Sie ein Prime-Mitglied des weltumspannenden Amazon-Konzerns sein, dort gerne Filme und Serien schauen und nicht gleich in Tränen ausbrechen, wenn Sie ein Wort wie „Kükenschreddern“ lesen, dann habe ich einen Tipp für Sie. Vor kurzem stieß ich auf eine Serie mit dem Titel „Ash vs. Evil Dead“. Nein, darin werden keine Küken geschreddert, auch andere Tiere bleiben verschont, und falls doch die eine oder andere Schlange oder Ratte umkommt, ist sie garantiert computergeneriert. 

Die Serie umfasst 30 Folgen à 30 Minuten. Ihre Story ist schnell erzählt: Ash Williams, ein unterbelichteter, kiffender, sexistischer und rassistischer Typ, ist der Haupt-Sympathieträger; Kultkino-Experten werden ihn aus den 80er Jahren kennen, da drehte er seine Runden in Kinofilmen wie „Tanz der Teufel“ sowie in einigen Fortsetzungen. An diese Filme schließt „Ash vs. Evil Dead“ an, man muss sie aber nicht unbedingt kennen, um die Serie zu verstehen. Der Trailer bei Youtube vermittelt einen kleinen Eindruck vom Inhalt, auch wenn in dieser Vorschau nur harmlose Szenen gezeigt werden.

Ash, dargestellt von Bruce Campbell, ist inzwischen um über 30 Jahre gealtert, er trägt ein Korsett und ein Gebiss und jobbt in einem Baumarkt in der tiefsten US-Provinz und macht einen verhängnisvollen Fehler, indem er vollgedröhnt aus dem höllischen Buch „Necronomicon“ (Edition Phimose, Sankt Kützelmütz, 666 Seiten, viele Buchstaben und Bilder, ständig vergriffen) eine Beschwörung vorliest, woraufhin sich quasi das Neukölln der Hölle öffnet und gruselige Gestalten freilässt (nein, denken Sie nicht weiter; die Assoziation liegt nahe, geht aber in die falsche Richtung). Mit Hilfe seiner getreuen Freunde Kelly (w) und Pablo (m) versucht Ash, diesen fatalen Fehler wiedergutzumachen. Statt Blood, Sweat and Tears bietet die Serie mit zunehmender Fahrt Blut, Därme, Mageninhalte und Schädeltraumata, und es würde mich nicht wundern, wenn der Lieferant des Kunst(?)blutes heute so reich ist, dass er nie mehr arbeiten muss. Selbst wenn der Liter nur einen Dollar gekostet hat.

Ja, „Ash vs Evil Dead“ ist geschmacklos und tabulos und schockierend, und immer wenn man nach einem Gemetzel denkt, es geht nun wirklich nicht noch übler, sieht man sich bald eines Schlechteren belehrt. Zudem die Serie vor allem eins ist: zum Brüllen komisch. Denn sie nimmt weder sich noch ihre Darsteller ernst. Mag ein Gemetzel noch so blutig und gedärmlastig sein, niemand käme auf den Gedanken, das nachmachen zu wollen. Dem Helden Ash wird ständig vorgehalten, dass er inzwischen alt und dick geworden ist und nicht der Hellsten einer, und auch die Frauen bekommen derartiges Fett reichlich ab. Es ist zum Brüllen. 

Fazit: Ich habe in letzter Zeit selten so viel gelacht wie in den vergangenen Nächten, als ich mir die Folgen eine nach der anderen angetan habe (vier am Stück geht mühelos). Und mehr als einmal habe ich mir beim Ansehen die Frage gestellt: Wer um alles in der Welt sieht sich so was an?

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Burkhard Goldstein / 07.02.2021

Es wird. Treffend auf den Punkt gebracht. Wenigstens auf die Natur ist Verlass.

Werner Liebisch / 07.02.2021

“Breaking Bad “ meine Sieblingsserie….ich hoffe sie haben sie gesehen. Ihren Tipp werde ich mir demnächst ansehen…

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