Talkshows: Die wohltuende Abwesenheit der Klatscher

Jahrelang hatte ich mir im deutschen Fernsehen keine Polittalks mehr angetan. Ich merkte, dass sie meiner Gesundheit abträglich waren. Die Sorge um Blutdruck und Herz-Kreislauf-System überstieg meine Neugier bei weitem. Zudem waren sowohl Zusammensetzung als auch Diskussionsverlauf von einer Vorhersehbarkeit, die es als pure Zeitverschwendung erscheinen ließen, den immer nach demselben „Drehbuch“ ablaufenden „Vier-gegen-Einen-Spielchen“ beizuwohnen, bei denen ein parteiisches Studiopublikum mit chirurgischer Präzision immer an jenen Stellen klatschte, die die Narrative des politischen Mainstreams bedienten.

Her mit der Vermögenssteuer – Applaus! Mehr Fahrverbote fürs Klima – Applaus! Warnung vor der rechtsextremen Machtergreifung – Applaus! Wenn links-grüne Sprechautomaten zur Höchstform aufliefen, steigerte sich der Saal zuweilen in einen Rausch. Eine Mainstream-Klatschorgie sozusagen, also eine von den Orgien, die der Kanzlerin genehm sind. Seit einigen Wochen ist manches anders. Und ich ertappe mich dabei, dass ich ab und zu wieder Talkshows schaue.

Kurz vor Ostern fiel mir gar eine Lanz-Sendung auf, in der die Gäste ausreden durften. Ich kann mich nicht daran erinnern, dies jemals zuvor erlebt zu haben. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist immer noch so, dass die Zusammensetzung der Talkrunden unausgewogen ist. Und immer noch fahren die Moderatoren Andersdenkenden möglichst oft in die Parade, während sie dem Kollektiv der links-grünen Kombattanten breiten Raum zur eigenen Entfaltung geben. Und doch ist der Effekt nicht mehr derselbe. Es fehlt das Studiopublikum.

Der unfreiwillige und für die Sender schmerzliche Verzicht auf die Klatschhasen tut der Sache gut. Plötzlich bekommen Linkspopulisten kein direktes Studiofeedback mehr, auf einmal wird der Verlauf der Diskussion nicht mehr von Claqueuren bestimmt. Anfang des Jahres legte das Internetportal reitschuster.de das professionelle „Generieren von Wunschpublikum“ nach „zielgruppenspezifischen Merkmalen“ offen. Was von Produktionsfirmen im Branchenjargon mit „Outbound-Marketing“ und „Hostessenkoordination“ vernebelt wird, ist nichts weiter als „die Möglichkeit innerhalb kurzer Zeit Ihr Wunschpublikum aus unserer Datenbank (über 130.000 Kunden) zu generieren“ sowie das Versprechen, dass die handverlesenen Unterstützer „in minutiöser Abstimmung mit Ihrer Set-Aufnahmeleitung ins Studio begleitet und nach Ihren Prämissen platziert“ werden.

Talks ohne Publikum als „sehr angenehm“

Aber natürlich geht es auch mit erheblich geringerem Aufwand, etwa per koordinierter Kartenbestellung für ausgewählte Besucher, die man zu bestimmten Themen gerne in der Sendung wüsste. Legendär ist der aufgeflogene Pressesprecher, mit dem sich der damals noch als Bundesjustizminister dilettierende Heiko Maas vor einigen Jahren in einer Anne-Will-Sendung blamierte. Im Tollhaus der Berufspolitik ist er damit allerdings beileibe kein Einzelfall. All diese Mätzchen fallen nun weg, wenngleich die Abstinenz der Studiozuschauer nicht von Dauer sein dürfte. Sie werden die ersten sein, die insbesondere vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach entsprechenden Lockerungen wieder ins Studio geholt werden, weil sich der selbst verordnete Erziehungsauftrag ohne Claqueure viel schwerer umsetzen lässt.

Unterdessen mehren sich die Stimmen, die das Fehlen des Studiopublikums begrüßen. So bekannte die Journalistin Hatice Akyün bei n-tv, dass sie Talks ohne Publikum als „sehr angenehm“ empfinde. Gemeinsam mit Wolfgang Kubicki war sie bei „Timeline“ zu Gast. Kubicki pflichtete bei und setzte nach: „Das sind ja keine freien Leute, die einfach so kommen, sondern in der Regel Leute, die bestellt kommen.“

Groß war die Empörung des Moderators, der Kubicki unwirsch ins Wort fiel. Und auch die Speerspitze des Journalistenkollektivs tobte, weil es jemand gewagt hatte, eine Binse zum Besten zu geben. Wütend stürzte sich das Redaktionsnetzwerk Deutschland auf den FDP-Politiker. Die RND-Kolchose, deren größte Kommanditistin die zu 100 Prozent in SPD-Besitz befindliche Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft ist, bestärkte damit allerdings eher ein Millionenheer von Zuschauern, denen die bestellten Vorklatscher schon lange ein Dorn im Auge sind.

Um die Reaktionen wissend, erklärte das Netzwerk die Unterstützer der Kubicki-These noch an Ort und Stelle zu Rechtspopulisten. So würden sich vor allem „AfD-Politiker und deren Fans“ beschweren. Der Verweis auf „rechte Kreise“ offenbart die ganze argumentative Hilflosigkeit der SPD-Journalisten. Es ist das eingeübte Ritual, unliebsame Gegner als „Verschwörungstheoretiker“ aus dem gesellschaftlichen Diskurs zu verbannen. Wo auch das nicht verfängt, werden Kritiker gerne schon mal in die Nähe von Reichsbürgern gerückt, drohende Bewaffnung inklusive. Doch für Moderatoren wie Berichterstatter gilt, dass sie umso entbehrlicher sind, je mehr sie sich zum Sprachrohr einer gewünschten Politik machen. Als Journalisten getarnte Regierungssprecher schaden der Demokratie. Das gilt nicht erst seit Corona.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Ramin Peymanis Liberale Warte

Foto: Niklas Bildhauer CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

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Regina Lange / 28.04.2020

Betroffene Hunde bellen! Das Redaktionsnetzwerk fühlt sich so ertappt, dass es sogar die Zähne fletscht! Ein Hoch auf Kubicki, sauber enttarnt!

Martin Bernhard Becker / 28.04.2020

Was mich ernsthaft interessiert, ich selbst auf achgut noch nicht gelesen habe ist doch die Frage der Korrekteit dieser Sendungen überhapt!!! Nach allem was mir bekannt ist verstoßen alle diese Sendungen gegen die Beschränkungen. Es sind immer mehrere Personen zusammen in einem Raum die sicherlich nicht in einem Haushalt leben, meistens 3,4 oder 5 + Kamera, Redaktion etc. Auch von der Maske wird gesprochen, allerdings von derjenigen Person, die in direktem Kontakt die Leute stylt, die teilnehmen, für solche Aktivitäten werden alle anderen, selbst im Freien sanktioniert und von der Polizei abgeführt!! Was ist Medienvertretern und Talkgästen gestattet, das allen anderen verboten ist. Das ist für mich eine wichtige Frage, mit der Bitte an diejenigen mit den entsprechenden Möglichkeiten dieses überprüfen zu lassen und bitte Öffentlich zu machen. Alle aus den Medien und der Politik verstoßen seit Wochen fast täglich gegen Ihre eigenen Richtlinien, das muss bekannt werden, danke.

Werner Baumschlager / 28.04.2020

Genau aus dem Grund hab ich immer am liebsten Maischberger und Beckmann angesehen. Gibts aber beides nicht mehr, soweit ich weiß. Warum wohl? Fake-Applaus ist essentiell für Fake-News und Propaganda. Der ganze linke Nonsense würde ohne das kein Bein auf den Boden bekommen.

Heinrich Wägner / 28.04.2020

@Fridolin, hätte ich auch nicht gedacht. Seid August 2019 ist die LÖWE Luxuskiste im Ruhestand. Ich schlafe besessen und lebe unbeschwehter.  Allerdings habe ich auch weiterhin Rentenabzug, Monat für Monat.

Stephan Bender / 28.04.2020

Man darf bei aller Kritik an den TV-Talkshows nicht vergessen, dass es in Deutschland in den 90er Jahren noch eine ausgedehnte Prostitutions-Szene gab, der durch das aufkommende Internet, den 11. September 2001 und die Liberalisierung der Sexualität ihre Lebensgrundlage abhanden gekommen war. Ein Teil von ihnen schaffte es ins öffentlich-rechtliche Schauspielgeschäft, aber für die Unbegabteren schuf man Fernsehformate, wo sich arbeitslose Bordellbesitzer, Zuhälter, Stricher und Nutten Abend für Abend in Spiel- oder Talk-Shows spiel- und gesprächsweise therapieren durften. Soziologisch betrachtet ist das ein löblicher Ansatz, und da gehören dann die “Klatschhasen” als Bunnys natürlich dazu: Ein Akt, in dem das vermeintlich Verbotene beklatscht wird, von dem man aber weiß, dass es doch in der Phantasie der Menschen existiert: Das Klatschen der Klatschhasen ist also ein Suchtverhalten, mit dem die fehlende Intelligenz und Bürgerlichkeit verschämt kompensiert wird, und da ist es dann auch völlig egal, über welches Thema man redet, solange das Therapieziel, über gemeinsame Ansichten Angst abzubauen, erreicht wird.

Werner Kirmer / 28.04.2020

Je mehr den Mut haben die GEZ-Abgabe zu verweigern (man kann ja austesten wie weit man gehen will), desto eher bricht dieses Lügensystem zusammen. Übrigens, die Rundfunkabgabe ist kein Gesetz, sondern eine Verordnung vom Führer des Reiches, der auch keine Gesetze machen durfte. Nationalsozialistische Verordnungen anzuwenden ist laut Kontrollratsgesetz verboten. Und das ist nicht das einzige was angewendet wird.

Rupert Reiger / 28.04.2020

Das ganze ist ein Intelligenztest, oder anders ausgedrückt: Wer sich das noch antut, ist ein Idiot! ... bezahlen muss er übrigens trotzdem. Es kann allerdings passieren, dass wer nicht 5 Stunden täglich die Kiste mir ÖR anhat, sein Wahlrecht verliert ...

Frances Johnson / 28.04.2020

@ Sirius Belt u Goldmann, Dk: Ich kann dazu auch nichts Seriöses finden, aber dieses Interview im Tagesspiegel gibt einen gewissen Hinweis auf ungute Verflechtungen: “Neue Impfstoffe helfen gegen globale Massenkrankheiten Impfungen sind für das globale Gesundheitsprogramm der Gates-Stiftung zentral, sagt Projektleiter Trevor Mundel - und fördert die Entwicklung neuer Impfstoffe”. Es ist immer dieselbe Firma und zwei Stiftungen, Es ist auffällig.

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