Neulich stieß ich in einem überwiegend von Männern relotierten Magazin, welches sich eine Riege kolumnierender Frauen hält, auf die ulkige Frage: „Wie können Männer Feministen sein?“ In einem „Servicetext“ zu dieser Angelegenheit verabreicht die „Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski 40 Tipps, wie man die Feministenwerdung – vielleicht – hinkriegen kann.
Etwa: „Lesen Sie Bücher von Frauen, sehen Sie Filme von Frauen, hören Sie Musik von Frauen“ (Tipp 2). Oder: „Behaupten Sie nie wieder, Frauen hätten nichts Großes erfunden“ (3). Oder: “Laufen Sie nachts nicht dicht hinter fremden Frauen her, auch wenn Sie den gleichen Weg haben. Gehen Sie langsamer oder auf die andere Straßenseite“ (14). Beziehungsweise: „Werden Sie Entbindungspfleger“ (25). Respektive: „Werden Sie nicht wütend (hysterisch), wenn Sie auf Ihre Privilegien angesprochen werden“ (38). Zu guter Letzt: „Bedanken Sie sich bei Feministinnen für ihre Arbeit. Männern, die an veralteten Geschlechterrollen festhalten, drohen mehr psychische Probleme, hat eine Studie gezeigt“.
Nach dem Durcharbeiten kam mir das Manual denn doch weniger komisch als vielmehr kryptisch vor. Ich weiß, erstens, nicht genau, was ein Feminist ist oder zu sein glaubt. Es handelt sich ja nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung, vermute ich mal, auch nicht um ein etabliertes Steckenpferd wie Tauben züchten oder Modelleisenbahnen aufstellen. Wahrscheinlich ist ein Feminist eine Art Mann, der sich partout bei Frauen nützlich machen möchte. Dies aber nicht durch Tür aufhalten oder so was.
Die entsprechenden Orders erhält er von den Frauen höchstselber, siehe oben. Er unterbricht mannhaft Männer, welche Frauen unterbrechen. Frauen, die nicht lächeln, fordert er keinesfalls zum Lächeln auf. Auch er selbst, darf man wohl annehmen, lächelt höchstens auf dem Klo. Was für ein Piktogramm auch immer an dessen Tür stehen mag.
"Ich könnt’ ja sagen: fass! Aber ich sag nicht: fass!"
Unklar ist mir, zweitens, ob diese Spezies Mann tatsächlich in freier Wildbahn vorkommt, und, wenn ja, ob sie dort in einer befassenswerten Rudelstärke vertreten ist. Mir selber kommt das weibliche Ansinnen, Männer sollten Feministen werden, ungefähr so apart vor, als würde ich Judith Butler auffordern, die Reihen der sogenannten Maskulinisten um Jack Donovan zu stärken.
Oh, auch ich könnte einen Katalog aufstellen. Etwa mit dem Titel „Tipps für junge Frauen mit und ohne color; cis, lesbisch oder sonstig, alte weiße Männer wie mich gut zu finden“. Darin fänden sich zu Beispiel Richtlinien wie diese:
Wenn Sie einem alten weißen Mann begegnen, erweisen sie ihm gebührenden Respekt. Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit als langjähriger Steuerzahler dazu beigetragen, dass Sie ungeachtet Ihrer bislang eher dürftigen Leistungen ein kommodes Leben führen konnten. Zum Beispiel Mickey-Mouse-Wissenschaften wie feministische Kunstgeschichte oder Genderforschung studieren.
Wenn Sie mit weißen alten Männern reden, quatschen Sie bitte nicht so kariert. Der verbale Müll, der aus Schneeflöckchen-Unis von New York oder Kalifornien an Ihre Ohren geflogen ist – Mansplaining, Manspreading, toxische Männlichkeit, Rape Culture, Safe Spaces –, ist bei Gesprächen erwachsener, seelisch stabiler Menschen aller denkbaren Geschlechter ein No-Go.
Studieren Sie die Geschichte der Wissenschaften, der Philosophie, der Künste. Achten Sie auf Urheberschaften. Sprechen Sie einmal pro Tag vor dem Spiegel diesen Text laut aus: „Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen“ (Michael Klonovsky).
Versteht sich, dass ich persönlich niemals einen solch unverschämten (durch viele weitere Punkte zu komplettierenden) Verhaltenskodex für Frauen propagieren würde. Ich bin einigermaßen gut erzogen worden und halte tatsächlich, wenn es sich anbietet, Frauen die Tür auf, auch und gerade meiner eigenen Frau. Feuer gebe ich Frauen jederzeit, so es gewünscht wird. Nein, Hass und Hetze sind meine Sache nicht. Wie es Gerhard Polt im Sketch „Ein Hundebesitzer“ formuliert: Ich könnt’ ja sagen: fass! Aber ich sag nicht: fass!“
Was mich aber nicht loslässt, ist die Frage: Wie mögen Männer beschaffen sein, die sich Feministen nennen? Wie kann sich einer, der schon in der Grundschule bemerkt haben muss, dass Anwanzern, Einschleimern, Scharwenzlern, Ranfiezern und Anbiederern immer die größtmögliche Verachtung aller galt, wie also kann so jemand sich lustvoll in den Staub schmeißen, Asche aufs Haupt tun und annehmen, damit würde er einen Blumenpott gewinnen?
Das Bedürfnis nach Kuscheligkeit in Sekten
Ich musste nicht lange googeln, um auf Seiten wie diese oder diese oder diese zu geraten. Durch deren Lektüre erklärt sich vieles. Das Bedürfnis nach menschlicher Wärme und Kuscheligkeit in Sekten und Sezessionen ist uralt, genau wie das Sehnen nach Ausbruch aus dem Gefängnis des falschen Körpers.
1973 erschien ein Buch des auf Fotos quietschglücklich guckenden Autors Volker Elis Pilgrim, der sich der Männerforschung sowie dem Vegetarismus verschrieben hatte. Titel des Bestsellers: „Der Untergang des Mannes“. Das Verderben hat sich nicht wirklich ereignet – noch nicht. Weil Männerkenner Pilgrim 1977 das „Manifest für den befreiten Mann“ nachgeschoben hatte?
Aber gibt es heutzutage nicht auch Texte von Männern, die sich – frei von biologischen Verzwicktheiten und ohne einen auf den ersten Blick erkennbaren Hau – zu Feministen erklären? Ich fand das dafür typische Traktat bei einem Julian Dörr von der „Süddeutschen Zeitung“. Sein Aufsatz postulierte: „Ja, alle Männer“ hätten sich schleunigst Gedanken über ihre Männlichkeit zu machen, weil „in unserer mitteleuropäischen Gesellschaft Männlichkeit ein Übermaß an Privilegien mit sich bringt.“ Diese Privilegien unterstützten nämlich sexistische und rassistische Strukturen in der Gesellschaft, weil sie den „anderen, die nicht weiß, männlich, heterosexuell oder cis sind, fehlen.“
Die männlichen Privilegien gelte es zu kappen, damit „Safe Spaces und Chancengleichheit für Frauen, Queers, nichtbinäre und Transmenschen“ eintreten können. Ferner findet Julian ein Tempolimit auf Autobahnen und eine Frauenquote für Landtagswahllisten gleichermaßen supi, weil es zwei Dinge seien, welche „die große männliche Freiheit“ einschränkten. Und nein, „Feminismus ist nicht Verbot, sondern Befreiung.“
Nun ja. Wer es für vorrangig hält, ausgerechnet Mitteleuropa feministisch zu befreien, kann noch nicht viel weiter gereist sein als, sagen wir, bis Helgoland. Und das mit dem Tempolimit werden dem Julian auch zahlreiche Frauen verübeln. Fragen Sie nur mal die erfolgreiche Frauenbuchautorin und Porsche-Pilotin Gaby Hauptmann.
Ein weiteres Kofferwort in den feministischen Orbit
Wie sich denken lässt, sind selbsternannte Frauenretter von der traurigen Gestalt in hardcoremäßig aufgestellten Femikreisen keineswegs jene Darlings, die sie gern wären. Folglich dauerte es nicht lange, bis die Szene neben Mansplaining (Marotte von Männern, Frauen Sachverhalte erklären zu wollen, die sie, die Frauen, angeblich schon längst und sowieso viel besser wissen) und Manspreading (Unsitte von Männern, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln mit ungebührlich gespreizten Beinen auf den Bänken zu lümmeln und Frauen Platz wegzunehmen) ein weiteres Kofferwort in den feministischen Orbit schickte.
Mansclaiming heißt eine frisch entdeckte männliche Dreistigkeit. Welche darin besteht, dass bestimmte Männer öffentlich ihren Stolz auf starke, erfolgreiche Frauen äußern. Damit jedoch würden sie nur ausdrücken wollen, dass der frauliche Erfolg allein durch die Unterstützung und Existenz eben dieser Männer möglich gewesen sei. Ihr „neurotischer Stolz“ unterschlage aber „das besondere Machtgefälle zwischen Männern und Frauen in dieser Gesellschaft.“ Ach, wie’s der Mann auch macht, er macht’s verkehrt.
Falls Ihnen, liebe Leser, inzwischen ein wenig der Kopf brummt von all dem crazy stuff (Bob Dylan: „Some things are too hot to touch/The human mind can only stand so much“), hier eine Rückblende, als beruhigender Blick in die Zukunft. Mitte der 1970er entdeckte ich in der Hamburger Buchhandlung „Arbeiterbuch“, Schaufenster zeittypischem Gagatums, ein feministisches Blättchen mit dem Titel „Die Schwarze Botin“.
Die Botin gab sich totaler und radikaler, als es sich die Macherinnen der um diese Zeit in Gründung befindlichen Feministinnengazetten „Emma“ und „Courage“ überhaupt vorstellen konnten. Auf dem Cover der ersten Ausgabe trug eine Frau den guillotinierten Kopf eines Mannes vor sich her, Schlagzeile: „Die Kastration des Mannes kann nur eine Übergangslösung sein.“ Weil ich darüber ein paar launige Zeilen schreiben wollte, rief ich in der Redaktion der Botin an.
Ich bin noch immer im Besitz meiner Kronjuwelen
Es meldete sich eine warme, fast freundliche Stimme, die einer Frau namens Gabriele Goettle gehörte, wenn ich mich richtig erinnere. Was sie mir erzählte, weiß ich nicht mehr. Hatte aber den Eindruck, dass ich mir, die Übergangslösung und das womöglich Folgende betreffend, keine ernsthaften Sorgen zu machen brauchte. So geschah es. Die Botin gab bald ihre Dienste auf, und ich bin noch immer im Besitz meiner Kronjuwelen.
Frau Goettle hat unterdessen für ihre nachfolgend verfassten, nicht selten recht hübschen Reportagen eine Reihe von Preisen eingesackt, die nach verdienten Männern benannt sind. Der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hat Goettle überschwänglich gepriesen, Heinz Rudolf Kunze eine Goettle-Geschichte zu einem Lied verdichtet, Hans Magnus Enzensberger ihr das Geld für den ihm verliehenen Ludwig-Börne-Preis überlassen. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung tat Lametta raus und Mitglied des deutschen PEN wurde Frau G. auch.
Woraus folgt: Selbst bei schweren Schüben von toxischer Weiblichkeit, die Feminist*innen mitunter erfassen, handelt es sich meist bloß um eine Übergangsphase. Irgendwann heißt es, beruflich gesehen: „Und fort muss die Reise gehn“. Wie der ebenso weiße wie weise Alte Hans Albers, nicht direkt Feminist aber notorischer Frauenflüsterer, dereinst mehr nölte denn sang.
Am Ende wird vielleicht noch alles gut, Gretchen!