Soll Merz von der Leyen stoppen?

Die Wahlkampfauftritte der Kommissionspräsidentin zugunsten von Macron nehmen immer groteskere Formen an.

Die Europäische Kommission ist mit sehr weitgehenden institutionellen Garantien für ihre Unabhängigkeit ausgerüstet. Dass sie fast das Monopol bei legislativen Initiativen der Europäischen Union innehat, schafft ein gewisses Spannungsverhältnis zu ihrer Rolle als Hüterin der Verträge. Es ist indessen wenig wahrscheinlich, dass die „Konferenz über die Zukunft Europas“ sich mit diesen institutionellen Anomalien der Vermischung von legislativer und exekutiver Gewalt näher auseinandersetzen wird. Schließlich wird diese „Konferenz“ von der EU-Kommission orchestriert.

In der Zwischenzeit veranschaulicht derweil die Amtsführung der Kommissionspräsidentin, in welchem Umfang Frau von der Leyen sich nicht nur von einem Mitgliedsland und seinem Staatschef vereinnahmen lässt, sondern bereitwillig dessen Politikziele, ja sogar seinen Wahlkampf unterstützt. Die Plädoyers von Frau von der Leyen zugunsten der Taxonomie-Entscheidung der Europäischen Union im Sinne einer Nachhaltigkeitseinstufung von so umstrittenen Energieträgern wie Kernenergie und Gas sind schon fast verrauscht. Und die grünen Idealisten scheinen sich willig damit abgefunden zu haben, dass die dubiose Einstufung von Kernenergie als „nachhaltig“ deshalb nicht zu verhindern sein wird, weil Frankreich von der Europäischen Union viele Milliarden braucht, um seine 56 Atommeiler von Grund auf zu sanieren. Von der Leyen fand für die Entscheidung der Europäischen Kommission nicht nur gute Worte, sondern verteidigte die Kernenergie so vehement, als ob sie ein Teil der französischen Nuklearlobby wäre.

Am 26. Januar erreichte ihr Engagement zugunsten der politischen Ziele des französischen Staatspräsidenten einen neuen Höhepunkt: In einer Video-Botschaft erklärte sie wortwörtlich:

„Heute habe ich eine gute Nachricht für Frankreich. Denn wir sind der Auffassung, dass Frankreich einen wesentlichen Schritt unternommen hat, um eine bedeutende Zahlung aus unserem Wiederaufbauplan Next Generation EU zu erhalten. Denn Frankreich hat schnelle Fortschritte bei der Umsetzung des nationalen Wiederaufbauplans vorgelegt. Sobald die Mitgliedstaaten ihre Zustimmung gegeben haben, werden wir daher 7,4 Mrd. Euro zugunsten von Frankreich ausbezahlen. Frankreich hat sich in der Tat auf den Weg wichtiger Reformen begeben, insbesondere um seine öffentlichen Finanzen zu sanieren und das Arbeitslosenversicherungssystem robuster auszugestalten und auch den Verkehr und die Industrie zu dekarbonisieren. Frankreich hat auch damit begonnen, in ehrgeizige Vorhaben zur Energie-Reformpolitik zu investieren sowie in die technologische Innovation oder die Förderung von Lehrangeboten für junge Menschen. Dies alles sind Vorhaben, die sich der Zukunft zuwenden. Europa ist sehr stolz darauf, sie zu finanzieren. Frankreich wird daher 40 Mrd. Euro im Rahmen des Projektes Next Generation EU erhalten.“

Abgesehen von der offensichtlichen Wahlkampfunterstützung, die Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin dem französischen Staatspräsidenten zukommen lassen wollte, veranschaulicht das nun nahezu konspirative Vorgehen von Macron und von der Leyen den vollständigen fiskalpolitischen Kontrollverlust Deutschlands über die Verwendung der im Rahmen von Next Generation EU aufgenommenen Anleihen. Hiervor war durch Kritiker des Vorhabens – so die ehemalige CDU-Abgeordnete Pantel und ihre sechs Mitstreiter – mehrfach gewarnt worden. Einschlägige Monographien (Kerber: „Der deutsche Selbstmord – Wie unser Land in der Corona-Krise geopfert wird“, München 2021) quantifizierten die Risiken für die deutsche Budgethoheit und auch für die Verwendungskontrolle. Frau von der Leyen missbraucht nun ganz offensichtlich die institutionellen Prärogative ihres Amtes, um Frankreich im Interesse einer Wiederwahl ihres Förderers Macron bei der Verteilung der Next-Generation-EU-Gelder zu begünstigen.

Ein Aufschrei müsste durch die deutsche Politik gehen. Insbesondere müssten jene protestieren, die als Mitglieder der CDU den Aufstieg von Frau von der Leyen begleitet und gefördert haben. Dabei ist das Unterfangen von Macron und seine  Wahlkampf-Zusammenarbeit mit Frau von der Leyen seit Monaten offenkundig. Nicht nur die schillernden Auftritte des neuen europäischen Jubelpaars vor dem lichtgeschmückten Pantheon veranschaulichen diese institutionell einmalige collaboration. Von der Leyen hat sich mit ihrer gesamten Kommission am 5. Januar 2021 zu Beginn der französischen Präsidentschaft in den Élysée-Palast einladen lassen. Seit wann ist die unabhängige Europäische Kommission bereit, der Vorladung eines Ratspräsidenten zu folgen?

Nun ist es für den neuen, unbestrittenen und mächtigen Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, an der Zeit, das Rollenverständnis seiner Parteifreundin zu problematisieren. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Das Verhalten von Frau von der Leyen hat die Grenzen politischen Anstands überschritten. Der neue CDU-Chef ist damit in seiner Glaubwürdigkeit herausgefordert.  

Dr. jur. Markus Kerber ist Professor für Finanzwirtschaft an der TU Berlin, Gründer von www.europolis-online.org. Der Autor absolvierte 1984/85 die Ecole Nationale d’Administration (Promotion Denis Diderot) 

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S. E. L. Mueffler / 02.02.2022

Merz? Scholz? Ja wo laufen sie denn? Ach, ist der Rasen schön grün? Da hilft wohl nur die kanadische Lösung. Die Planung läuft gerade an.

W. Renner / 02.02.2022

Alte Leyer, neue Leyer. Es bleibt immer die die gleiche Leyer. Deutschland hat fertig, die EU hat fertig, Omacron hat fertig. Was soll Merz da ändern? Einen Verbraucher Kredit bei der Sparda. Bank aufnehmen und eine Koalition mit der AFD eingehen? Die eigene Partei würde ihn (dann zum dritten Mal schon) meucheln, eine Opposition bräuchte es nicht mal dazu….

Rainer Nicolaisen / 02.02.2022

“Politischer Anstand”—Das ist doch so etwas von gestern!..

Gabriele Klein / 02.02.2022

... Also irgendwie erinnert mich das an des Kaisers neue Kleider. Jeder wußte was es mit diesen auf sich hatte, mit Ausnahme des Kaisers. Ja u.so könnte das mit Macron*s Wahlauftritten im Tandem auch sein. Ich kann nur hoffen, dass es viele davon gibt. Denn ich hoff nicht auf seine Wahl, sofern es zu sowas überhaupt noch kommt. Erklärend sei hinzugefügt: Wär ich Bürger eines Landes d. ehemaligen Alliierten, würde mir als Wähler sauer aufstoßen erleben zu müssen mit welcher Arroganz gewisse Nachkommen des einstigen 1000 Jährigen Reichs nun auftreten u.versuchen d.Nachkommen jener d.sie einst begnadigt hatten, zu “erziehen”  wie z.B. im Fall Macron. Dies alles, um wohl letztendlich die UN CHARTA neu aufzulegen im Sinne der alten DDR.  Die 17 SDGs, denen n. Mauerfall manch"Bübchen” an der Hand v. Kohls Mädchen huldigt, haben mit der alten UN Charta so gut wie nichts gemein, Dies grün rote “Manifest” der bis 2030 zu verwirklichenden 17SDGs ist nur um den Preis des Totalitarismus zu haben. Dabei stimmt nachdenklich, dass just Deutschland,weshalb die 1. UN Charta einst geschrieben wurde, federführend an deren “Neugestaltung” in 17 SDGs beteiligt scheint i.denen ich nichts mehr v.Freiheit und Menschenwürde erkennen kann. Der Mensch lebt nicht v.Brot allein. um das es in d. 17SDGs geht.Es fällt ferner auf dass d.1. Charta durchweg negativ formuliert ist, es werden nur Machtgrenzen aufgezeigt wie in einer rechtstaatl.Verfassung üblich. Demgegenüber   sind die 17 SDGs (wie alle totalitären Vorhaben) nur positiv formuliert.Die Frage d.Menschenwürde d.nur in Freiheit möglich ist, interessiert nicht. Und, d.Rote Linie, wo “Erziehung” u. “Gesundheitsfürsorge” (SDG 3 u.4) endigt u. Gehirnwäsche u.Völkermord beginnt scheint im Gegensatz zur ursprünglichen Charta nicht zu kümmern, Kein Impftoter scheint einer zu viel u. jedes Mittel als “Entscheidungshilfe” recht, wie momentan erlebt.

Gottfried Meier / 02.02.2022

Wo gibt es heute noch Anstand in der Politik.

Rainer Küper / 02.02.2022

Taxonomie bedeutet für Geldgeber, dass sie EU-konform und brav nachhaltig im Sinne einer Klimaneutralität investieren, die heute das Maß der Dinge ist. Morgen vielleicht nicht mehr. Bis dahin aber werden Geldgeber und Bauherren nicht allzusehr zur Schnecke gemacht werden und sie können ruhig schlafen. Langfristig laufende Anlagen, wie KKW, werden fast immer kreditfinanziert. Das galt für die deutschen KKW. Das galt und gilt für für französischen KKW. Die Rückzahlung erfolgt durch die Betriebseinnahmen, so, wie bei jedem ordentlich durchgeführten Projekt. Neue KKW im Macron-Land werden auch wieder kreditfinanziert werden. Diese Kredite werden das Qualitätssiegel Taxonomie tragen. Wer Geld gibt, ist unwichtig. Das kann die Sparkasse Kleinsiehstemichnicht genauso sein, wie ein Konsortium, die Stadtkasse Größenwahn, die XYZ-Bank oder sonstwer. Der Vorteil der Taxonomie ist, dass die EU die Investition als politisch sinnvoll ansieht. Die EU und die Mitgliedsländer können das Projekt sogar noch fördern,  also subventionieren. Das ginge dann wieder in Richtung Planwirtschaft mit Wettbewerbsverzerrung und wäre aus marktwirtschaftlicher Sicht grottenfalsch. Subventionieren und Umverteilen sind jedoch die Hobbys jedes Politikers und deshalb in keiner Nation der Welt zu verhindern. PS.: Selbstredend ist Kernkraft die beste Möglichkeit, einer Nation das Lebenselexier zur Verfügung zu stellen, das die Bürger für ein komfortables Leben, für Wohlstand, für Gesundheit brauchen: Energie, preiswert, sicher, ständig verfügbar.

A. Ostrovsky / 02.02.2022

Was für eine lächerliche Frage, ob Röschen teil der Nuklear-Lobby ist. JAA! Sie ist die Tochter von Ernst Albrecht. Sie ist ERBADEL! Und sie wurde von der selben Person in Brüssel installiert, die in Deutschland die Abschaltung der AKWs verfügt hat. Diese Person ist entweder tief gespalten, oder die Krone der Lüge. Ich beachte hier nicht, ob das gut ist oder nicht. Ich stelle nur fest, dass die politischen Kräfte im Hintergrund irre sind.

T. Schneegaß / 02.02.2022

Man sollte die unschätzbaren Verdienste dieser Frau für Europa, Deutschland und vor allem für sich nicht kleinreden. Es ist ein großes Glück, dass diese Frau vom gesamten EU-Volk in demokratischer Wahl zu seiner Führerin gewählt wurde.

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