Rainer Bonhorst / 09.04.2021 / 16:30 / Foto: Pixabay / 26 / Seite ausdrucken

Sofagate? Erdogangate? Michelgate? Ursulagate?

Von Watergate zum Sofagate. An dieser Abfolge lässt sich der Niedergang der Krisen ablesen. Von einem Luxushotel- und Büro-Einbruch zur „Reise nach Jerusalem“ mit fehlendem Sessel. Glückliche Welt, deren Krisen ein solches Westentaschenformat erreicht haben? Wohl besser: Glückliche Verschnaufpause, die für eine Weile vom europäisch-deutschen Impfgate ablenkt.

Aber konzentrieren wir uns auf die Sofa-Krise. Sie fängt ja damit an, dass sich da zwei unhöfliche Bauern schon auf ihren Sesseln breit gemacht haben, während Ursula von der Leyen, eine Dame wie aus dem deutschen Bilderbuch, noch stehend im Raum um sich blickt.

Bei den Bauern handelt es sich um Recip Erdogan, der noch nie durch überzogene Höflichkeit aufgefallen ist, und um Charles Michel, als Ratspräsident höchstrangiger Europäer, aber offenbar kein Ritter, der einer Dame in Nöten galant zur Hilfe eilt. Er blieb stur auf seinem hochrangigen Sessel hocken.

Dass Erdogan mit seinem islamistischen Frauenbild sich einen politischen Jux daraus macht, die Dame aus Brüssel auf Distanz zu halten, also auf einem fernen Sofa zu platzieren, ist bei dem Mann sozusagen eingepreist. Das gleiche gilt für die Machtdemonstration als türkischer Pascha in Richtung des westlich-dekadenten Europa: Soll sie doch empört den Saal verlassen. Dann schick ich ihr gleich ein paar tausend Flüchtlinge hinterher.

"Ähm" als geflügeltes Wort diplomatischee Missbilligung 

Hätte sie es tun sollen? Warum nicht? Vielleicht hätte man sie dann eine beleidigte Leberwurst genannt. Aber das hätte durchaus ein spannenderes Bild abgegeben als ihr feines Herumstehen und ihr noch feineres „Ähm“. Ihr Ähm ist inzwischen zwar zum geflügelten Wort für diplomatische Missbilligung geworden. Aber mit einem Ähm kann man Erdogan nicht beikommen. Der sitzt sowas aus und fühlt sich auf seinem Thron als Sieger, während Charles Michel, der andere Besucher aus dem Abendland, genauso ratlos dreinschaut wie seine Dame in Nöten. Oder war es bei Michel die neue, der Gender-Gleichbehandlung angepasste Stoffeligkeit, die es ja auch zum Risiko macht, einer Frau die Tür aufzuhalten? 

Was wäre eigentlich gewesen, wenn beide gemeinsam aufgestanden wären (das heißt: Sie stand ja schon) und die ungastliche Stätte verlassen hätten? Da hätte nicht Ursula von der Leyen sondern Recep Erdogan verwirrt dreingeschaut. Ein schönes Foto wäre da um die Welt gegangen. Der Pascha mit offenem Mund. 

Und was ist mit den Inhalten der Gespräche, denen die beiden den Vorrang gegeben haben? Das bisschen Inhalt? Das könnte man im Umgang mit Erdogan notfalls per Email oder telefonisch erledigen. Also hinter den Kulissen. Wie im Theater, so ist auch in der hohen Diplomatie das, was für alle sichtbar auf der Bühne stattfindet, genauso wichtig wie das, was hinter den Kulissen geschieht. Manchmal ist das vorne auf der Bühne das einzig Wichtiger, wenn man sich hinten sowie so nur ergebnisarm herumstreitet.

Andererseits: Sollte Ursula von der Leyen vielleicht froh sein, dass sie nicht so nah neben Erdogan zu sitzen kam? Wer will neben dem schon sitzen? Außer vielleicht Charles Michel? 

Wie auch immer: Was bedeute das alles für das weltweit Wellen schlagende Sofa-Gate? Ich finde, es ist auch ein Europa-Gate. Warum Europa-Gate? Um es mit Giovanni Trapattoni zu sagen: „Flasche leer!“ Und nachdem das gesagt ist, können wir wieder zum Impfgate zurückkehren.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Peter Bauch / 09.04.2021

Dem Herrn Erdogan ging es sicher nicht darum, sich bei mir und einigen anderen achgut-Lesern beliebt zu machen. Vielmehr ging es ihm darum, bei seinen gebeutelten Türken (nicht *innen) Punkte gut zu machen. Das scheint ihm - mit Verlaub - auch gelungen. Ihnen hat er gezeigt, wo der Hammer hängt. Bei Herrn Michel nicht - und bei Frau vdL sowieso nicht.

Paul Siemons / 09.04.2021

Ich stelle mir vor, dass Erdolf nach Knoblauch und Ziegenbock riecht. Von daher ist Distanz durchaus von Vorteil. Ansonsten: was gibt es da zu meckern? Erdolf als guter Moslem zeigt, was er von Frauen hält, die ohne Kopftuch außer Haus gehen und das auch noch aus beruflichen Gründen. Man muss sogar ein wenig staunen, wie skrupellos der Irre vom Bosporus der EU zeigt, wo der Bascha die Post holt.

Wolfgang Kaufmann / 09.04.2021

Im Internet liest man, dass das Protokoll mit Charles Michel abgestimmt gewesen sei. Immerhin entspreche er im protokollarischen Rang einem Präsidenten und das Mädel nur einem Premierminister. Freilich vertritt dort niemand von diesen meine Interessen; der Pascha ist seit Jahren als Rüpel bekannt; Mario Draghi findet hier das passendste Wort.

Ulla Schneider / 09.04.2021

Ein Katzentisch hätte gereicht für jemand, der einen Titel krallt.

T. Schneegaß / 09.04.2021

Ich gestehe unumwunden, dass ich beim Despoten aus Ankara in diesem Fall mal von meiner prinzipiellen Abneigung abweiche und ihm demonstrativ Beifall spende. Über WhatsApp erhielt ich ein herrliches Bild: die bewusste Dame schreitet auf dem Roten Teppich und trägt in der rechten Hand eine Klappstuhl mit sich. Bildunterschrift: Wenn du bei Erdogan eingeladen bist und auch gerne bei den Männern sitzen willst!

Detlef Spitzbart / 09.04.2021

Frau von der Leyen soll doch froh sein, dass sie mit den Männern im selben Raum sitzen durfte und nicht mit den anderen türkischen Frauen im Frauenzimmer bei Tee und Süßigkeiten!

Michael Lorenz / 09.04.2021

Impfdosen bestellen können sie nicht, und auf diplomatischem Parkett nicht ausrutschen können sie auch nicht. Was sie hingegen perfekt beherrschen: sinnlos und teuer zugleich zu sein. Aber wozu jammern? Der Wahlbürger will es, der Wahlbürger kriegt es.

Karla Kuhn / 09.04.2021

Von mir aus hätten sie diese Person auf Klo verfrachten können. Es ist völlig uninteressant wo eine Person sitzt, die absolut NICHT, in den EU SESSEL gehört, Sie wurde NICHT gewählt, für mich war das ein “Schurkenstück” eine Frau OHNE Mandat zu installieren, noch dazu mit einer MILLIONEN AFFAIRE im Hintergrund. Daß die jetzt den DIKTATOR ERDOGAN hofiert,  ist ein weiters Indiz für mich für deren UNTAUGLICHKEIT. Weg mit dieser Frau und weg mit dieser EU !! Eine NEUE Auflage der EWG muß her, aber NUR mit solventen Ländern und KOMPETENTEN POLITIKERN !!

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