Gerd Habermann, Gastautor / 18.04.2020 / 15:30 / Foto: GH / 30 / Seite ausdrucken

Selbstmord aus Angst vor dem Tode? Ein Zwischenruf.

Von Prof. Dr. Gerd Habermann

Betrachtet man den derzeitigen Gesundheitspolizeistaat – bei uns und sonstwo – mit all seinen in der Nachkriegszeit präzedenzlosen Einschränkungen elementarer Freiheiten wie Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Berufsfreiheit und sogar mit Ausgangssperren, so fragt man sich, auf welcher empirischen Basis und aufgrund welcher Annahmen und Alternativerwägungen die Regierungen hier so diktatorisch tätig wurden. Gewiss: Seuchenpolizeiliche Maßnahmen gehören seit jeher zu der Agenda des Staates, und die Völker haben im Kampf mit Pest, Cholera, Grippe u.a. Schlimmes durchgemacht, auch noch in der neueren Zeit. Aber was, wenn die Maßnahmen schlimmere Nebenwirkungen haben als das zu bekämpfende Übel? Wo bleibt eine sorgfältige Abwägung der Opportunitätskosten der hastig und improvisiert getroffenen Maßnahmen, die derzeit ein echtes Privatleben – fast wie in Kriegszeiten – unmöglich machen?

In Spanien darf man nicht mehr in seinen eigenen Garten gehen. "Gesundheit" ist ein gewiss zentral wichtiges Gut, kostbar wie das Leben selbst, aber sie ist nicht das einzige und sie hat ihre Voraussetzungen nicht-gesundheitlicher Art, zum Beispiel eine funktionierende Ökonomie. Die Folgen der Handelsverbote und damit verbundenen Produktionseinschränkungen sind massiv: Massenkonkurse werden unvermeidlich, ganze Branchen stehen vor dem Abgrund, Massenarbeitslosigkeit wird über kurz oder lang unvermeidlich.

 "Der Staat" kann natürlich die Bezahlung der Menschen, die ihre Lebensbasis verlieren, übernehmen. Er kann Bankenschulden übernehmen, bedrohte Konzerne und Banken verstaatlichen; tut er das umfassend und längere Zeit, ist die Wirtschaft faktisch fast genauso sozialisiert wie in den untergangenen Planwirtschaften; hinzu kommen die monetären Folgen: der Untergang eines gesunden Geldes, also Inflation und Staatskonkurs mit den Folgen der Zerrüttung alles ökonomischen Lebens, der Eigenvorsorge, der umfassenden Enteignung, der Hilflosigkeit der um ihre Eigenmittel gebrachten Menschen: Dies ist der sichere Weg zur Knechtschaft durch Zerrüttung des sozialen und politischen Lebens. Langfristige Lebensplanung wird unmöglich. Mit dem bloßen Drucken von immer mehr Papiergeld wird kein Problem gelöst. Der Staat ist ja keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden nur gemolken zu werden braucht. Er ist eine Abstraktion, keine Person, Realität sind die zahlenden Bürger.

Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Bürgers, hat Ludwig Erhard einmal gesagt. Der Staat übernimmt mit Billionenbeträgen in zahllosen Programmen die Verantwortung für die wirtschaftenden Unternehmen und Bürger, auf nationaler wie auf europäischer Ebene, wobei die etwas weniger bedrohten Nationen Europas (vielmehr der EU) "solidarisch" für die anderen einstehen sollen: die Solidarität der in Panik dahinstürmenden Regierungen. Die Einführung des Euro- "stabiler als die D-Mark" - gerät endgültig zum Fiasko für eine Zentralbank, die offenbar keine Schranken und Regeln ihres Handelns mehr kennen will. "What ever it takes": Schließlich geht es um die Gesundheit! Was wird derzeit an Werten zerstört? Wie viele Menschen – in Verzweiflung gestürzt – werden erkranken, schließlich sich umbringen oder aus Vernachlässigung sterben oder sich in Betäubungsmittel flüchten? Wahrscheinlich weit mehr als die Covid-19-Erkrankten, die doch nur in relativ wenigen Fällen sterben, welches Schicksal hauptsächlich bereits multimorbide Menschen trifft. Dies erscheint in den Bilanzen unserer wie besessen wirkenden Politiker nicht und kann statistisch auch kaum erfasst werden. Das sind die "Opportunitätskosten", deren Erwägung jedem politischen Handeln vorausgehen sollte.

Leidenssehnsucht im Wohlfahrtsstaat?

Wir haben noch gar nicht die zum Teil aberwitzigen Folgen der Einschränkungen der Bewegungsfreiheit beschrieben: der Bürger mit dem Buch auf der Parkbank, der von der Polizei hochgetrieben wird, da ein Verweilen riskant sei; das Kind, das vom Bett seiner sterbenden Eltern weggewiesen wird; freundschaftliches oder festliches  Beisammensein wird unmöglich; das Hochziehen der Grenzen nicht nur zwischen Nationen, auch zwischen Bundesländern, ja sogar zwischen Landkreisen innerhalb eines Bundeslandes. Hinzu kommt die willkürliche Abgrenzung zwischen zu schließenden oder nicht zu schließenden Geschäften: z.B. selbstständigen Blumenläden und Blumenabteilungen in Supermärkten – es wimmelt an Willkür und erbitternden Ungerechtigkeiten. Wer darf anbieten, wer nicht? Ist ein Friseurbesuch wirklich lebensgefährlich? Gehören nicht offene Buchläden zu den Lebenswichtigkeiten? ("Der Mensch lebt nicht vom Brot allein".) Autoritäre Charaktere und Denunzianten sehen ihre Chance: der Nachbar als Blockwart, der willige Kollaborateur fühlt sich zum Hüter des Gemeinwohls berufen.

Die Regierungen – heute in der Regel ordnungspolitisch desorientiert und ökonomisch kaum geschult, zudem schon überlastet durch das, was sie in unserem Nanny-Staat sich zu regulieren trauen (oder sich zu regulieren anmaßen) – werden mehr und mehr Getriebene ihrer Panikpropaganda, so, wenn sie mit ernster Miene allabendlich die Todesfallzahlen im internationalen Vergleich präsentieren, die ohne Interpretation herzlich wenig sagen, allenfalls zum Zustand manchen staatlichen Gesundheitswesens. In der Grippesaison 2017/2018 starben in Deutschland ca. 20 000 Menschen, ohne die Maßnahmen, die man jetzt für unvermeidlich hält (in Deutschland sterben jährlich etwa 1 Mio Menschen). Viele Medien stimmen in die Panikrufe ein, das öffentlich-rechtliche Fernsehen vorneweg.

Die in Angst getriebene, eingeschüchterte Bevölkerung sucht in jenen Personen ihre Zuflucht, denen sie ihre ökonomisch miserabel werdende Lage verdankt, ja die repressiv Regierenden werden populär, und schon halb abgeschriebene Parteien erhalten wieder Zulauf. Eigentlich regieren aber die spezialisierten Gesundheitstechniker, die Virologen, welche eine Güterabwägung zu unternehmen, selten imstande sind. Kosten-Nutzen-Analysen scheinen ihnen unanständig. Die gesamte Bevölkerung wird wie ein krankes Kind behandelt, koste es, was es wolle.

Diese Geduld und Leidenswilligkeit, ja manchmal gar Leidenssehnsucht großer Teile der Bevölkerung ist wohl Folge unseres bevormundenden Wohlfahrtsstaates, des Nudgings auch in Fragen des privaten Lebens über Jahrzehnte, was zu Risikoscheu, Lebensfremdheit und Selbstunsicherheit führt und manchem auch Langeweile verursachen mag: Ruunt in servitutem schrieb Tacitus von den demokratiemüden Römern seiner Zeit, besser noch passt ein Wort Juvenals: Propter vitam vivendi perdere causas: Um des Lebens willen zerstören sie dessen Grundlagen. Dies ist kein Plädoyer gegen vernünftige Vorsichtsmaßnahmen, vor allem auf individueller Ebene, aber warum gleich die letzten Mittel, wenn es auch mildere Mittel tun?

Der Gemeinplatz: Die Welt wird sich durch die Corona-Epidemie verändern. Gewiss, wie sie sich immer ändert. Aber freie Marktwirtschaft, internationaler Freihandel ("Globalisierung"), die Wichtigkeit des Privatlebens, der zentrale Wert eines gesunden Geldes – dies wird bleiben oder wiederhergestellt werden müssen. Es ist die Basis unseres Kulturlebens, unseres Lebenskomforts überhaupt. Benjamin Franklin hat einmal gesagt: Wer absolute Sicherheit der Freiheit vorzieht, wird am Ende weder Sicherheit noch Freiheit haben.

Foto: GH

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michael weichenhan / 18.04.2020

Sehr geehrter Herr Prof. Habermann, vielen Dank für diesen Beitrag, der die Sachlage m.E. hervorragend analysiert. Neben vielem anderen finde ich in der Tat erschreckend, dass der vermutlich erwartete und forcierte Effekt tatsächlich wieder eintritt, dass überforderte Regierungen um so angesehener werden, je drastischer ihre repressiven Maßnahmen ausfallen, ob die nun Sinn haben oder nicht. Gesundheitsangst ist tatsächlich das Mittel, sich aller Bedenken, jeder Kritik und jeden Widerstands unter dem Applaus der übergroßen Mehrheit gründlich zu entledigen. Wer davon nicht beunruhigt ist, sollte Hannah Arendts “Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft” lesen: “Nur wo (die) gemeinsame Welt völlig zerstört und eine in sich völlig unzusammenhängende Gesellschaftsmasse entstanden ist, deren heterogene Gleichförmigkeit aus nicht nur isolierten, sondern auf sich selbst und nichts sonst zurückgeworfenen Individuen besteht, kann die totale Herrschaft ihre volle Macht ausüben” (695). Solchem Totalitarismus sind wir zwar noch nicht ausgeliefert, aber es besteht, scheint mir, durchaus eine gewisse Gefahr.

Wilfried Cremer / 18.04.2020

Corona ist medientechnisch gesehen nur die Verschärfung von CO2. Den Rest hat unser Herr Schuster (@) wieder einmal sehr schön beschrieben.

Volker Kleinophorst / 18.04.2020

Es ist doch nicht Angst vor dem Tode, die den Selbstmörder treibt. Es ist die Angst vor dem Leben. Und vor dem kann man sich schon mal gruseln, wenn man über Informationen und etwas Fantasie verfügt. Denn wir Deutschen können nirgendwo hin fliehen. Schon gar nicht in irgendwelche Sozialsysteme.

Gabriele Klein / 18.04.2020

@Dollhopf “Abstellung von Strom und Wasser,”  Halt !  Die ÖR braucht Strom denn die Mattscheibe stirbt in Deutschland zuletzt.  Von daher keine Sorge H. Dollhopf, den deutschen Blackout wird es nicht geben, ganz einfach weil es ihn nicht geben darf, denn das wäre das Ende von AGITPROP. Und ehe die AGITPROP sterben wird sterben wir, allerdings nicht ohne den Fernsehkoch, der uns die letzte Malzeit auf der Mattscheibe direkt ins Wohnzimmer serviert

Leo Hohensee / 18.04.2020

Es gibt diesen Spruch, um etwas zu verballhornen: ge_ickt eingeschädelt; bezeichnend richtig finde ich ist das Wort “eingeschädelt”. in seltsamer Einigkeit haben Medien und Politik über Landesgrenzen hinweg den Menschen die Hirne derart zugekleistert, dass gar keine Idee, etwas in FRage zu stellen mehr aufkommt.  Ganz im Gegenteil, Herr Habermann, indem Sie die Frage nach einer reellen Einschätzung unter Berücksichtigung auch wirtschaftlicher Zusammenhänge stellen, stehen Sie nahe bei den Mordbuben!!  Sie und auch ich wir sind die Mörder der 80jährigen Toten und der jünger Verstorbenen sowieso. Vorhandenes Zahlenmaterial belegt, dass 2 oder 3 Tage vor dem Lockdown (am 20.3. - der Lockdown war am 23.3.) die Ansteckungsquoten schon kleiner 1 waren (Zahlen von RKI selbst). Trotzdem hat diese Regierung diesen zerstörerischen Gegenmaßnahme-Bluff “verordnet”. Prof. Dr. Stefan Homburg (  Direktor des Instituts für öffentliche Finanzen an der Leibnitz-Uni Hannover) hat die reinen Zahlen des RKI über die Ansteckungsintensität ausgewertet. Sein Fazit: der Höhepunkt der Krankheitswelle war längst überschritten, die Ansteckung am Tage des Lockdown lag schon bei 0,7, und durch den Lockdown ist auch keine weitere Senkung bis zum 17.4. mehr eingetreten.  // Ich bin dafür, dass wir aus Spenden einen Finanztopf erstellen und dass aus den Mitteln daraus die verbrecherischen Verursacher dieser Farce gerichtlich verfolgt werden und zur Rechenschaft gezogen werden. - Hier noch einmal: in der SZ, Ausgabe 17.5.2010, lassen sich die Worte von Chr. Drosten und RKI zur Schweinegrippe nachlesen. Es sind genau die gleichen Worte, die diese Paniker zu Corona erbrütet haben mit dem gleichen Ziel, eine Großraum-Impfung als Lösung zu verkaufen!

Werner Sinn / 18.04.2020

Exzellenter Artikel! Die Folgen von Corona werden möglicherweise mehr Menschen das Leben kosten, als Corona selber. Man kann heute schon sicher sein, dass gründlich vermieden wird, eine finale Bilanz der Maßnahmen und die Anzahl der Toten zu ermitteln. Schon geistern viele Berechnungsmethoden durch die Welt und je nach politischem Gusto wird gezählt. Cui bono! Es wird denjenigen nutzen, die mit Mut und Risikobereitschaft ihre Wirtschaft wieder hochfahren und die Anzahl der Toten als unweigerliches Schicksal hinnehmen. Die USA wird unter Trump zu den Ersten gehören, die spät getroffen trotzdem ihre Wirtschaft aktivieren. China hat bereits begonnen und auch die Gegenspieler Taiwan und Südkorea sind bereits aktiv. Europa wird zögern und zaudern. Man wird die Gelegenheit wohl nutzen, um ein ökosozialistisches „Experiment“ durchzuführen. Zusätzlich wird die Bevölkerung über Migration aufgestockt, um vermeintliche Probleme der Altersversorgung zu lösen. Die Lokomotive Europas wird ohne den Treibstoff Energie an Schwung verlieren und die Erwartungen nicht erfüllen, die EU zu retten. Das Ergebnis wird der kleinste gemeinsame Nenner sein oder die EU wird in der Form auseinander brechen. Industrie 4.0 findet nicht statt und so wird die EU hinter die anderen Wirtschaftsregionen zurückfallen.

Joachim Kuhnle / 18.04.2020

Es tut gut, solche Stimmen der Freiheit zu hörend, während die Mehrheit der infantilen Gesellschaften (scheinbar weltweit ohne Ausnahme) die eigene Versklavung auch noch begrüßt. Die Revolution fällt wohl aus. Es bleibt die Hoffnung auf individuelle Persönlichkeiten. Habermann wird seiner Vorbildfunktion hierbei dankenswerterweise gerecht.

Bernhard Idler / 18.04.2020

Komisch, ich kenne niemanden in der mich umgebenden “Bevölkerung”, der “panisch” oder “eingeschüchtert” ist. Dieses dauernde Unterstellen von “Angst” ist eine beliebte Methode der Bevormunder. Wer die Homosexualität nicht anbetet, ist “homophob”, Gegner von Masseneinwanderung von Männern aus archaischen Kulturen sind “xenophob” oder “islamophob”, und bei Autofahrern, die keine Lust auf das klimapädagogisch aufgezwungene Elektroauto haben, wird “Reichweitenangst” diagnostiziert. Es ist sehr wichtig, die teils übertriebene Einschränkung der Bürgerrechte anzuprangern. Doch dieses Angst-Gelaber, um andere Positionen mundtot zu machen, kann ich nicht mehr hören. Es könnte doch, rein theoretisch, die Corona-Pandemie real sein und keine “Fake-News” oder Verschwörung. Und manche Maßnahmen könnten sinnvoll und angemessen sein, nicht “hysterisch” oder “panisch”. Die “Exzess-Schätzung” der Grippetoten in Deutschland in der außergewöhnlich schlimmen Saison 2017-2018 ist 25.100. Todesfälle getesteter und gemeldeter Influenza-Infizierter gab es 1674 (Quelle für beide Zahlen: Influenzabericht des RKI). Diesen 1674 gestorbenen nachweislich infizierten Fällen in der ganzen Saison (einsamer Rekord der letzten Jahrzehnte) stehen 4400 gestorbene getestete Corona-Infizierte in sechs Wochen gegenüber (eine Exzess-Schätzung für Corona kann es erst hinterher geben). Die Antwort auf eine Übertreibung der Gefahr durch Staat und Medien kann doch nicht sein, diese Gefahr komplett zu bestreiten und sogar die Berichte und Bilder aus Italien, Spanien oder New York für gefaked zu erklären, wie es manche hier machen. Dem Anliegen, die Freiheitsrechte zu verteidigen, hilft das nicht.

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