Natürlich war früher keineswegs alles besser, und niemand will ins 19. Jahrhundert oder auch nur in die Zeit nach ‘45 und später zurück. Aber wenn meinem braven Biobauern mit 150 Stück Vieh die Schlachtung in seinen perfekt dafür ausgestatteten Räumen verboten wird, das Vieh in die nächste Stadt mit Schlachthof gekarrt wird und der Bauer wie ein Luchs aufpassen muß, daß er am Ende wirklich sein eigenes Fleisch bekommt und nicht irgendwas, dann sieht man, daß wieder einmal Zentralismus ohne Augenmaß den üblichen Mist gebaut hat!
Das ist alles richtig. Allerdings braucht man sich keinen Illusionen hingeben. Die Protagonisten der “Fleischwende’ wissen das alles auch. Denen geht es weder um echtes Tierwohl noch um effizientere Schlachtung. Die wollen den Fleischkonsum einschränken und am Besten verbieten. Da direkte Verbote extrem unpopulär sind (Stichwort Veggieday) versucht man die Preise massiv zu erhöhen. Deshalb müssen die effizienten Großschlachthöfe dran glauben. Zugleich tönt die Propaganda, dass Fleisch ungesund sei und am besten nur einmal die Woche gegessen werden sollte. So dass die Leute sich damit abfinden, dass sie sich Fleisch nur noch selten leisten können. Auch wird behauptet, man hätte früher nur selten Fleisch gegessen, um anzudeuten täglicher Fleischkonsum sei unnatürlich. Das ist natürlich Blödsinn. Es gab zwar vor fünfzig Jahren nicht jeden Tag Steak oder Braten; aber sehr wohl Wurst. Dass man jeden Tag nur Getreidebrei oder Linsensuppe aß, gab es vielleicht bei den Armen im Mittelalter. Aber selbst dort waren in der Suppe Fleischreste, um Geschmack rein zu bekommen
Ein weites Feld…. @ L. Vogt: In ihrem Artikel vermisse ich einen Blick auf die Arbeitsbedingungen der Arbeiter in den Schlachthöfen.( Werkverträge, miese Bezahlung, erhöhtes Gesundheitsrisiko für Corona, Tbc, Krätze,Rheuma etc.) Wenn man sich mehr um die Menschen kümmern würde, die unter solch unmenschlichen, frühkapitalistischen Bedingungen arbeiten, wäre viel gewonnen.Die Missstände sind lange bekannt, Upton Sinclair beschrieb sie bereits 1904! Mit der EU war es möglich, dass das sog. Humankapital, sprich Wanderarbeiter ungeschützt als Lohndrücker quer durch Europa reist und arbeitet, immer auf der Suche nach ein bisschen Geld für ihre Familien . Die Karawane des Humankapitals( europäischer, afrikanischer,chinesischer, indischer Herkunft) zieht durch Europa auf der Suche nach ein bisschen Lebensglück in Konkurrenz mit den einheimischen Arbeitskräften. Dies war auch ein Grund der Zustimmung der englischen Arbeiter für den Brexit, in Amerika für Trump.
Inwiefern sollten große Schlachthöfe dazu dienen, dass Tiere vollständig genutzt werden? Das Problem, dass alle Schweinelendchen wollen, aber niemand andere Teile des Schweins, bleibt doch bestehen. Das sieht man ja auch an den Exporten von Hähnchenteilen nach Afrika, weil sich hier in Deutschland nur Brustfleisch gut verkaufen lässt.
Wer wie ich, nun 71 Jahre alt und auf dem Lande aufgewachsen, noch das Schreien der Tiere vor und während der Schlachtung auf dem Hof in Ohren, der die Zustände der Ställe aus damaliger Zeit vor Augen hat, der kann solchen “früher-war-alles-besser-Hanswürsten nur zu rufen: Ihr seid strunzdumm und ohne Ahnung.
Die Tötung eines Tieres ist, ausser für Sadisten, keine schöne Angelegenheit, ab und an aber eben eine notwendige. Heute ist der zwangsläufige und normale Zusammenhang zwischen dem Essen von Fleisch und dem Töten des Tieres fast vollkommen verlorengegangen und wenn wir darauf gestoßen werden, erschrecken wir. Der Mensch ist nicht nur von seiner Arbeit entfremdet, sondern auch von seiner lebensnotwendigen Ernährung. Ich war als kleiner städtischer Junge mal auf einem kleinen Dorf an der Oder bei der Schlachtung einer Kuh anwesend. Mit meinem dörflichen Kinderfreund standen wir in einer Art Garage, die zum Tode verurteilte Kuh direkt neben uns. Ich erspare hier Details, aber ich hatte den Eindruck, die Kuh lebte noch, als man sie zerteilte. Niemand ist auf die Idee gekomen, uns Kinder rauszuschicken, als so normal wude das empfunden. Es hat mich nicht traumatisiert, aber ich habe die Szene noch nach über 60 Jahren im Detail vor Augen. Aber da Fleisch war “regionaler” Herkunft und die Kuh hatte ein “artgerechtes” Leben geführt, auf der Weide, wahrscheinlich sogar “Bio”. Die Rinderbrühe hat mir weiter geschmeckt und ich wusste etwas besser, wie das eine (mein Genuss- und Sättigkeitsgefühl) mit dem anderen (Verdruss der Kuh) zusammenhängt.
Ein interessanter Artikel zu einem emotialisierten Thema, in dem alle klug reden, aber die meisten keine Ahnung haben. Auch wenn es für Vegetarier schrecklich klingen mag, der Mensch ist als Allesfresser konstruiert und dazu gehört eben auch fleischliche Ernährung. Fehlt sie, dürften Mangelerscheinungen die Folge sein. Viehtransporte über weite Strecken sind aber auch nach meiner Meinung eine unnötige Belastung für die Tiere. Die Kosten für Tiertransporte wären besser für die Förderung der regionalen Tierhaltung eingesetzt. Vor allem sollte den deutschen Tierhaltern nicht abverlangt werden, was in den Importländern nicht umgesetzt wird. So ist kein fairer Wettbewerb möglich. Die Tierschützer, die hierzulande gegen die Landwirtschaftsbetriebe so mutig vorgehen, sollten dort für bessere Bedingungen sorgen, wo es den Tieren am schlechtesten geht und das ist nicht in Deutschland. Dazu brauchten sie aber tatsächlich Mut.
Meine Jugend habe ich im Kölner Norden verbracht, nicht weit entfernt von der Liebig Straße, in der sich heute noch der Schlachthof Henseler befindet - im Übrigen in direkter Nachbarschaft zum Pascha. Die Meisten in dieser Ecke können sich sicher noch an den Gestank der Fettschmelze, der Fleischabfälle und des Geschreis der Tiere erinnern, entweder wenn der Wind in die falsche Richtung wehte oder man da vorbei gegangen ist. Diese Situation gibt es heute nicht mehr und würde auch in keinem Fall mehr akzeptiert werden. Wir produzieren in Deutschland und in Europa Fleisch (und andere Lebensmittel) auf höchsten hygienischen Standards. Wer sich das mal in Ländern Asiens, den arabischen Staaten und Afrika angesehen hat, wird sich fragen müssen, was diese Empörung soll. Man kann die Situation der Beschäftigten mit wenig Geld verbessern, sollte aber “nicht das Kind mit dem Bade ausschütten”. Die heutige Gesellschaft hat sich zu weit von der Lebensmittelproduktion entfernt. Wer auf dem Land schon mal nach einem Regenschauer einen freilaufenden Bullen gesehen hat, der sich in seiner eigenen Scheiße ausgeruht hat, weiß, der kommt in keine Waschanlage, es seid denn, es soll geschlachtet werden. Das Bild von der Alpia Kuh ist eine Schimäre der Werbung.
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