Bernd Zeller / 18.08.2009 / 17:06 / 0 / Seite ausdrucken

Religionsparodie oder echte Religion? (Natürlich das letztere)

Nun sagen manche, zu einer echten Religion würde mehr gehören als selbstmitleidiges Opfergefühl.
Aber wir sagen, darin zeigt sich nur die tiefe Verwurzelung des Glaubens.
Manche meinen zwar, der Terror solle bloß von der eigenen Unfähigkeit zu Verständigung und vernünftiger Politik ablenken.
Aber wir sehen darin eine Brücke, um uns mit anderen Lebenskonzepten zu beschäftigen.
Zwar finden manche, wir sind mit unserer Toleranz schon zu weit gegangen und leben sie auf Kosten Anderer aus.
Doch wir nehmen dies zum Anlass für tiefere Überlegungen.
Gewiss ist es unserem Verständnis fremd, einen Typen mit Bart, dem eine Frau nicht genügte, der in einer längst vergangenen Zeit lebte und der einige Regeln mit Tendenz zur Despotie hinterlassen hat, zum unmittelbaren Maßstab und Ansager für das heutige Leben zu nehmen.

Jesus, als zufällig gewähltes Vergleichsbeispiel, war spiritueller drauf. Er hatte ja auch allen Grund – als Sohn Gottes, der er für die Seinigen ist. Gerade hierin liegt indes in den Augen der anderen seine Schwäche, denn in der realen Welt geht es oft um mehr, so auch ihren Repräsentanten, die nun mal in der realen Welt zurechtkommen müssen.
Daher liegt es im Wesen einer Religion, für weltliche Belange instrumentalisierbar zu sein. Mehr noch: Unter den Religionen geht es ums Überleben der Fittesten. Diejenige bleibt bestehen, die ihrer Benutzung für gegenwärtige Ziele am dienlichsten ist. Es lässt sich kaum ein Unterschied feststellen, ob ein Glauben zu irdischen Zwecken benutzt wird oder ob der Drang zur Beherrschung der Welt mit einem scheinbar transzendentalen und nicht weiter überprüfbaren Überbau ausgestattet wird.
Wenn man sich also hinsetzt, um einen Glauben zu erfinden, würde man genauso vorgehen, wie wenn man eine Glaubensparodie entwerfen möchte. Es geht darum, möglichst viele Menschen zu motivieren, sich zu unterwerfen, und die Heilslehre zu verbreiten. Geeignet ist, wie geschehen, eine Zeit, die nach neuen Versprechungen dürstet, weil auf eine vorangegangene Phase der Hochkultur ein Niedergang folgte, der in Dekadenz und Orientierungslosigkeit mündete. Die Menschen waren bereit, vermittels eines neuen Gemeinschaftsgefühls ihre Ehre wiederherzustellen und für ein als neues Wertegefüge ausgegebenes Machtsystem zu kämpfen. Der Prophet kam gerade recht, also war er ein solcher.
Die gewaltsame Verbreitung ist ein wichtiger Kern der Religionsparodie. Sie gestattet es, von den eigenen Leuten die maximale Anstrengung zu verlangen, zugleich sind die Gegner, ob in den eigenen Reihen oder außenstehende „Ungläubige“, schuld an den Zuständen. Es spricht ein menschliches Grundbedürfnis an, anstelle der Selbsterkenntnis zur Verteidigung der Ehre, vielmehr des Ehrgefühls, die zu Feinden erklärten Personenkreise für minderwertig zu deklarieren und zum Abschuss freizugeben. Ebenso schafft die Erlaubnis, andere Gruppen zu unterdrücken, das eigene Überlegenheitsgefühl als Ersatz für Selbstachtung. Der Gewinn ist fast schon spirituell, genügt zumindest, um die Höherrangigkeit der eigenen Rechte nicht in Frage zu stellen. Der Herrschaftsanspruch lässt sich somit fühlen.
Die Rigorosität der Verhaltensregeln flankiert die Abwesenheit der Vernunft, die nicht mehr auffällt, eben weil jede Urteilskraft als in den Vorgaben verwirklicht erscheint. Eine Argumentation, die auf Einsicht abzielt, gilt als feindlich.
Worin liegt aber die Faszination für das sympathisierende Umfeld? Ist es Naivität, ist es unterdrückte Boshaftigkeit? Zweifellos spielt beim Betrachten des Terrorismus der Reiz des Verbotenen eine Rolle. Man selbst traut sich nichts, die trauen sich alles. Klammheimlich wünscht man sich doch immer mal wieder, eine Bombe zu werfen. Ja, schlimm, wenn es passiert, aber eine Verwandtschaft zu den eigenen unterdrückten Wünschen scheint zu bestehen. Die Berufung auf eine höhere Macht verleiht den Anschlägen etwas Verharmlosendes, geradezu Niedliches.
Unsere Nachsicht mit den Schuldigen und Verurteilten lässt uns in die Position des Besseren rücken. Gnade für sie, und für uns dann erst recht keine Fingerabdrücke im Pass. Der Papst würde formulieren, unsere Abkehr von Gott lasse die Sehnsucht nach Bestätigung sprießen. Profan gesagt: wird schon denen verziehen, dann sind wir doch ganz okay.
Der Schriftverfasser, in dessen Auftrag sich die Terroristen wähnen, hätte sich gewundert, dass er sich als Begründer einer Religion wiederfinden würde, hielt er eine solche doch für Opium für das Volk. Die Rote Armee Fraktion hätte ebensowenig Marx als ihren Propheten bezeichnet. Struktur des Denkens und Handelns lassen sich indes am besten als religiös fundamentalistisch beschreiben, daher die Einstufung als Religion.
Ja, die Ideologie der RAF, um die ging es die ganze Zeit. Was denn sonst.

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