Dirk Maxeiner / 01.05.2021 / 06:00 / Foto: Brian Minkoff / 132 / Seite ausdrucken

Neuer deutscher TV-Sender: Putins „Westfernsehen“?

Die Geschichte ist manchmal so voller Ironie, dass man gar nicht hinterher kommt. Jahrzehntelang hieß das Reich des Bösen bei den Machthabern hinter dem eisernen Vorhang „Westfernsehen“. Da man nur in den eigenen Kategorien denken konnte, galten die Sender aus dem Westen als blanke Propaganda des Klassenfeindes. Wer selbst Propagandasender betreibt, kann sich halt nicht vorstellen, dass es woanders so etwas wie Meinungsfreiheit und eine freie Presse gibt. Das Publikum sah dies naturgemäß etwas anders und schaute bei heruntergelassenen Rolläden im Westen vorbei. Die Verhältnisse erschienen dann doch nicht ganz so katastrophal, wie sie die aktuellen Kameras samt den Karl-Eduard von Schnitzlers sie darstellten. Sehr zu deren Leidwesen.

Und nun ins Anno 2021. Das Westfernsehen, dessen öffentlich-rechtliche Anstalten inzwischen auch noch um kapitalistische Privatsender bereichert wurden, hat die Meinungshoheit von dem Maas bis an die Merkel hegemonial sichergestellt. Allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler: Die Meinungshoheit kam, die Meinungsvielfalt ging.

Wer etwa die Berichterstattung zur Energiewende, zur Migrations-Problematik oder auch aktuell zur Corona-Politik verfolgt, findet im Wesentlichen nur noch eine tadellose Sichtweise – die der Regierenden. Privatsender wie RTL wollen dazu offenbar keine Alternative sein, sie sind in vielen politischen Fragen mitunter noch heftigere Staatsclaqueure als die Öffentlich-Rechtlichen, der moralische Zeigefinger pendelt wie ein Wackeldackel auf der Hutablage. Das ist durchaus neu: Es braucht keinen Zensurapparat um die Herrschaften bei der Stange zu halten, sie tun das alles freiwillig. Der Zeitgeist ist mächtig und man macht keine Witze über Religion. 

Einst ein Orden an der Brust des Medienschaffenden

Wer mal was anderes lesen, hören oder sehen will, der muss sich ins Netz begeben und neue kleinere Medien aufsuchen oder auch größere alte Medien – allerdings die in der Schweiz. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ), gegründet 1780, hat sich inzwischen exemplarisch den Ruf des West-Fernsehens erworben – und weiß gar nicht, ob sie glücklich damit sein soll. Der Begriff, einst ein Orden an der Brust des Medienschaffenden, gilt unter den Verantwortlichen des Staatsfunks längst als ein Fall für die Schmuddelecke. Was unter dem Synonym „Westfernsehen“ über die deutsche Landschaft segelt, gilt plötzlich wieder als ein staatfeindlicher Provokateur. Aber damit geht die Pointe erst los.

Denn es kommt, wie es kommen muss: Was regierungskritische Berichterstattung angeht, bietet der deutsche Medienmarkt ein unbespieltes Feld von der Größe des Berliner Olympiastadions. Man stelle sich einfach den Münchner Viktualienmarkt so vor: Auf der linken Hälfte gibt’s nur noch Gurken, und die rechte Hälfte der Stände bleibt einfach leer. Man könnte dort mit guten Geschäftsaussichten Bananen verkaufen, aber es traut sich keiner. Nicht rechts und keine Bananen. Die gelten als krumm. Sind die Gurken zwar auch, aber das darf man nicht einmal denken.

Und jetzt kommt Wladimir Wladimirowitsch Putin ins Spiel. Der hat die Marktlücke erkannt, sein Ruf ist ohnehin ruiniert, und so hat er beschlossen, den Deutschen endlich wieder Bananen zu verkaufen. Er finanziert schon seit längerem den Fernsehsender RT (ehemals Russia Today). Steingarts Morning-Briefing schreibt dazu: „Das Ziel von RT ist es, dem Publikum die „russische Sichtweise“ auf das internationale Geschehen vorzustellen und ein Gegengewicht zu „westlichen Medien“ zu bilden.“ Nach eigenen Angaben wird RT in mehr als 100 Ländern weltweit von rund 664 Millionen Menschen gesehen. In Deutschland betreibt man bisher eine durchaus erfolgreiche Webseite. Über Mangel an Zuspruch kann die sich nicht beklagen.  

Zwischen Putins und Merkels Sichtweise hin und her zappen

Und nun soll die „russische Sichtweise“ die Deutschen auch mit einem Vollprogramm erbauen. Das kann sehr lustig werden, wenn der deutsche Michel zwischen Putins und Merkels Sichtweise hin und her zappt, ich freue mich schon drauf. Bis Ende dieses Jahres soll das deutschsprachige Internetangebot zu einem „modernen und dynamischen TV-Sender“ (RT Eigenwerbung) mit einem deutschsprachigen Vollzeitprogramm ausgebaut und 200 neue Mitarbeiter eingestellt werden: Redaktionsleiter, Redakteure, IT-Administratoren, Moderatoren, Korrespondenten, Kameraleute und auch PR-Fachkräfte. RT DE ist auf dem Studiogelände in Berlin Adlershof angesiedelt, wo auch die Talkshow von Anne Will produziert wird. Das trifft sich gut, schließlich residierte in Adlershof auf diesem Gelände auch das DDR-Fernsehen. Und jetzt kommt auch noch das Westfernsehen von da – und zwar gleich doppelt.

Ziel sei es, „die führende alternative Nachrichtenquelle“ in Deutschland zu werden, heißt es bei RT. Es gehe darum, „einen Blick über den Mainstream-Tellerrand“ zu werfen und: „Mit dem deutschsprachigen Programm will RT einen Gegenstandpunkt zum einseitigen und oft interessengetriebenen Medien-Mainstream beziehen. Unser Ziel ist es, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen sowie Medienmanipulationen aufzuzeigen.“

Ich finde das sehr verdienstvoll, vermute allerdings, ein Gegenstandpunkt zum Einseitigen wäre auch in Moskau nicht schlecht, würde aber nicht so großzügig gesponsert. Wer auf die Seite von RT schaut, findet dort tatsächlich viele Themen, die in unseren Breitengraden gerne unter den Tisch fallen. Man kann dort einen Besen aufstellen und das Publikum reißt ihn Dir aus den Händen. Das ist ja der Witz. Und von den journalistischen Standards her lassen sich viele Beiträge in den deutschen Altkanälen nicht so schnell unterbieten. Gefärbter als das, was beispielsweise nach einer Querdenkerdemo in der Tagesschau geboten wird, kann man kaum berichten. Auch nicht auf chinesisch.

Insofern wäre es für die deutschen Altmedien eigentlich ein leichtes, die neue Konkurrenz klein zu halten, indem man sich daran erinnert, wie der journalistische Auftrag lautet: "Die Rundfunkprogramme sollen der Information, Bildung und Unterhaltung gleichermaßen dienen. Wesentliche Gesichtspunkte sind die Unabhängigkeit von staatlichen Eingriffen sowie der inneren und äußeren Pressefreiheit." Gabor Steingarts Morning-Briefing zieht insofern ein etwas zu leichtgewichtiges Fazit: 

 „Bisher interessiert sich nur der Verfassungsschutz für die Aktivitäten von Russia Today. Die Politik aber schaut zu und weg, obwohl in Deutschland die „Staatsferne“ des Fernsehens im Grundgesetz verankert ist. Rechtsstaat: Bitte aufwachen!“ Bei dieser Analyse ist, denke ich, noch ein wenig Luft nach oben.

In Deutschland ist die Staatsferne im Grundgesetz verankert? Schön dass jemand sich daran erinnert. Aber Kleber-Today und Miosga-Today staatsfern? Echt jetzt? Weiterschlafen. Ich finde es immer sehr lustig, wenn der Topf dem Topfdeckel vorwirft, dass er schwarz ist.

In jedem Falle wird jetzt das große Geraune um die russische Einflussnahme auf die Bundestagswahl losgehen, weil man dann nicht über die von ARD oder ZDF reden muss. Und weil man im Windschatten der zu erwartenden Maßnahmen vielleicht ein paar aufstrebende, aber unabhängige Neumedien mitkillen kann. Das Ganze firmiert unter der neuen Kategorie "verfassungsschutzrelevanter Delegitimierung des Staates".

Der Elefant im Raum fragt dabei aber etwas ganz anderes: Wer glaubt eigentlich, dass Putin unsere einwandfrei legitmierten und regierenden Talente loswerden will? Da müsste Wladimir Wladimirowitsch doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein. Als Gerhard Schröder den Atomausstieg ankündigte und Deutschland in die Abhängigkeit von russischem Gas trieb, knallten im Kreml die Krimsektkorken. Als Merkel den Atomausstieg nach Fukushima im Handstreich vorzog, floss der Wodka in Strömen. Und wenn Baerbock das Netz zum Speicher macht, pflanzt Wladimir Putin ihr ein Koboldbäumchen im Kremlgarten. Alles wird gut. Germany today! 

Foto: Brian Minkoff CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Peer Doerrer / 01.05.2021

Wie fast jeder Ossi habe ich jahrelang Westfernsehen und Westradio ( RIAS 2 ) gesehen und gehört .  Nie in meinem Leben werde ich die Nachricht aus der Prager Botschaft mit der Stimme von Friedrich Genscher ” Ich möchte Ihnen mitteilen das ihre Ausreise ...” vergessen .  Tränen liefen mir übers Gesicht , weil ich wusste Freunde aus Ost -Berlin haben es jetzt geschafft in die Freiheit abzuhauen . Ich freue mich auf Putins neues Ostfernsehen , Russland liegt im Osten . Ich verstehe nicht den kranken Hass der Mainstream - Medien gegen Putin , die pausenlose Hetze gegen ein Land ,  das mit Millionen Opfern Europa vom Faschismus befreit hat . Viele Menschen in Deutschland begreifen nicht , das andere Länder ihre sogenannte ” Demokratie ” nicht haben wollen . In Russland regiert seit Jahrhunderten ein starker Mann , ohne den würde das riesige Land in kleine Bürgerkriege , Anarchie , Suff und Korruption völlig versinken . Putin ist ein Garant für ein starkes Russland . Monatlich werden hunderte Tonnen Gold für die Staatsreserve gekauft .  Deutschlands kinderlose ” Mutti ” dagegen verschuldet das Land mit zahlloser Einwanderung in die Sozialkassen und hunderte Milliardenschulden an die EU - Mafia .  Nawalny - Fans sollen endlich mal Russland persönlich besuchen wie es heute dort aussieht . Ich kenne es noch aus 80er Jahren ,  wie grau und kaputt Menschen und das Land vor ! ... Putin waren . Russland hat die größten Rohstoff - Reserven der Welt , die Verteufelung Putins und der Boykott Russlands ist eine der dümmsten strategisch - wirtschaftlichen Entscheidungen Deutschlands aller Zeiten .

Maik Bläsche / 01.05.2021

Wer wie ich, früher in der DDR, alles Russische/Sowjetische zähneknirschend mit der Faust in der Tasche zu verhindern bzw. hinauszuzögern versuchte (1. Fremdsprache in der Schule, Deutsch-Sowjetische Freundschaft), reibt sich heute umso mehr die Augen, dass ausgerechnet Putins Medienschaffende ein durchaus ernst zu nehmendes Mittel installiert haben, um sich im medialen deutschen Einheitsbrei auch mal eine andere Betrachtungsweise der politischen Situation zu Gemüte führen zu dürfen. Russische Propaganda? Vielleicht! Auch hierbei ist es nicht das Verkehrteste, selber nachzudenken und zu hinterfragen. Fakt ist aber, dass neben dem österreichischen Alternativmedium Servus-TV mit Russia Today nur zwei deutschsprachige Kanäle die Bilder-Opposition abdecken. Dass das “Ost-Fernsehen” heute dabei die Funktion des “West-Fernsehens” übernimmt zeigt einmal mehr, in welch verrückten Zeiten wir leben.

Stefan Riedel / 01.05.2021

Na, dann nastrovje ! Putin rettet die nich so ganz lupenrein demokratische Medienlandschaft in D. So von einem lupenreinem Demokraten zum anderen( hat Gerhard Schröder einen Posten bei dem Verein?) . Das ist es was D dringend braucht, noch einen Propagandasender.

J. Heini / 01.05.2021

Staatsferne bei ÖRR, der von gesetzeswegen finanziert werden muss… Bei thüringer Gesetz zum MDR, durch das jetzt nicht mehr jede Landtagsfraktion einen Vertreter in den Rundfunkrat entsenden darf. Selten so gelacht. Ich werde RT in meine Leselektüre aufnehmen.

Holger Sulz / 01.05.2021

RT jetzt als wuchtiges Gegenformat zum propagandistischen Einheitsbrei der vielen aktuellen Kameras hier? Zu schön, um wahr zu sein. Auch bei RT stellt sich die Frage, cui bono.  Aber zum Zündeln geeignet und ganz sicher prädestiniert, Aufruhr zu veranstalten bei der gepamperten Lumpen-Journaille der ÖR, deren gesalbte Wortspenden nicht mehr unterscheidbar sind von Merkelscher Darmperistaltik. Und mal ehrlich- Eine Jasmin Kosubek ist nicht nur optisch was erfrischend anderes als der stinkende lila Brei an nöligen Alt-Tussen, der einem vom Bildschirm aus den Teppich versaut und nein, man hat es satt, mit schmierigen Details der sexuellen Präferenzen irgend eines Talkschau-Wracks belästigt zu werden oder sich von intellektuellen Leichtmatrosen wie Precht hinter die Fichte führen zu lassen: Schlimmer gehts nimmer, insofern dürfte es für RT ein leichtes sein, zu reüssieren. Ich sehe allerdings seit 20 Jahren nicht mehr fern und kann mir nicht vorstellen, daß sich dies nochmal ändert. Das Netz der alternativen Medien ist inzwischen zu dicht gestrickt, als daß man auf die Verkündungen des russischen Staatsfernsehens angewiesen ist, obwohl deren Glaubwürdikeit inzwischen meilenweit über der des hiesigen Packs liegt- immer das Gegenteil dessen als wahr anzunehmen, was einem gerade wieder vorgelogen wird, ist bei ARD und ZDF zielführende Pflichtübung. Es sei denn, Boris Reitschuster hat künftig ein eigenes Format bei RT…

Arne Busch / 01.05.2021

Gemeinsam wird das eingespielte Team aus Staat und GEZ Staatsfernsehen schon Wege finden, einen Gegenpol zu aktuellen linksgrünen Staatspropaganda zu verhindern.  Denn im Brechen der Verfassung ist die Regierung ja sehr geübt. Hinzu kommt, dass es auf deutschem Boden erneut wieder sehr gefährlich geworden ist, öffentlich oppositionelle Meinungen zu vertreten. Ratz fatz wurde aus deutlicher Kritik am Staat schon wieder “Staatsfeindliche Hetze” und “Hass” bzw. “Hassverbrechen”. Es wiederholt sich. Und zwar jetzt schon zum dritten Mal in der jüngsten Geschichte. Die DDR Merkel hat wirklich ganze Arbeit geleistet. Niemand hätte bei der Wiedervereinigung wohl damit gerechnet, dass die BRD von der der DDR übernommen werden wird. Nun ist es soweit, und es ist tatsächlich passiert. Nach der nächsten Bundestagswahl wird - gemeinsam mit den Grünen - die Metamorphose abgeschlossen werden.  Wohl dem, der rechtzeitig geflüchtet bzw. ausgewandert ist.

Angelika Meier / 01.05.2021

Medienpolitisch habe ich mich auf die innere Wagenburg zurückgezogen: Ich will mich irgendwie informieren können. Und das kann ich noch übers Internet. Selbst wenn Dinge bei Youtube und Co gesperrt werden, gibt es die Informationen auf anderen Seiten. Am wenigsten erfahre ich noch über regionale Ereignisse, weil z.B. die Polizei bestimmte Dinge gar nicht mehr veröffentlicht. Ansonsten ist es mir egal, ob hier deutsche, europäische, russische, chinesische, amerikanische, iranische, türkische, indische, kubanische, ... Propagandasender senden. Ich muss es nicht ansehen. Und ob mein Nachbar es ansieht und glaubt, ist mir egal. Ich muss auch nicht mit ihm über politische Dinge diskutieren. Ich bin für mich verantwortlich und er für sich. Am Ende wird es über das Geld entschieden. Wenn das Land kein Geld mehr hat, ist die Party vorbei.

Frank Meyer / 01.05.2021

Darauf haben viele gewartet, sollten noch die Börsenkurse und aktuelle Wirtschaftsberichte enthalten sein, kann man dann auf N-TV und Welt sehr gut verzichten, die permanent einseitig berichten.

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