Dies ist eine Geschichte über Whisky und das Ungeheuer. Es ist jetzt Mitte August, der Summa fast umma, wie man in Alpenländern so hübsch zu formulieren pflegt und ich vermisse: Nessie. Normalerweise sind die Zeitungen im sogenannten Sommerloch voll mit Mutmaßungen über das mutmaßliche Monster, das seit 1880 dort oben in Schottland leben soll, wie viele Menschen glauben. Eine ganze Industrie lebt davon. Es gibt Schoko-Nessies, Plastikplansch-Nessies, Ungeheuer zum Kuscheln und alles, was der chinesische Devotionalienmarkt sonst noch hergibt.
Ich sage Ihnen: Nessie lebt. Ich habe das Ungeheuer gesehen. Mit eigenen Augen. Es ist riesig, hat schokobraune Lederhaut und – halten Sie sich fest! – pinkfarbene Punkte, die abends glitzern. Es war im Rahmen einer Dienstreise, um mein Fachwissen über Whisky zu vertiefen, begab ich mich vor ein paar Jahren gen Norden. Schottland ist herrlich: Die Landschaft der Highlands hat so viele verschiedene Grüntöne, dass man vor Ergriffenheit weinen möchte. Ab und zu stehen Steinreste herum, die Schotten sagen dann treuherzig, dass das ihre Schlösser sind, die von damals. Dann muss man die schottische Schlossbaukunst loben und die Menschen ein bisschen trösten, weil nur so wenig vom Glanz übrig ist.
Schotten sind lustig, hilfsbereit und ein höchst entspannter Menschenschlag. Anfangs dachte ich, sie wären alle ein bisschen angeheitert, doch schon nach drei Stunden und zwei Single Malt stellte ich beruhigt fest, dass das nur ihr Dialekt ist. Für mich klang es jedenfalls wie eine Mischung aus halb-hacke und jenem ein wenig abgehackten Englisch, das man in Indien oft hört. Fast jeder zweite Schotte ist in der Whiskybranche tätig, es kann aber sein, dass ich mich diesbezüglich statistisch irre, weil ich ja schließlich nur mit Whiskyexperten unterwegs war.
Schottland ist herrlich schlau angelegt, denn in jedem größeren Hafen (sagen wir mal, ab einer Einwohnerzahl von 125, Hunde und Katzen extra) befindet sich eine Destillerie. Im Hafen deshalb, damit, wenn die Bude abbrennt, was früher leider häufig vorkam, die Asche gleich ins Meer raschelt und man zügig mit dem Bau einer neuen Whiskybrennerei anfangen kann. Schotten sind also auch höchst praktisch veranlagte Menschen.
Dort oben habe ich also Nessie gesehen und wenn Sie gerade nichts vorhaben:
http://www.lochness.co.uk/livecam/nonjava.html
http://www.lochness.com/loch-ness-web-cam.htm
Mit Ton und garantiertem Erfolgserlebnis:
http://www.somewheretogo.co.uk/loch-ness-webcam.html
Bei meiner zweiten Schottland-Reise habe ich Nessie auch gesehen, dabei habe ich so gut wie nichts gesehen, da ich mich der legendären Whisky-Regatta anschloss. Ebenfalls eine Dienstreise (man muss sich im Journalismus die richtigen Ressorts aussuchen!). Leider war das Wetter ein Horror, wer nicht schon am zweiten Tag aufgab (wir natürlich nicht), wurde seekrank und spätestens als ich morgens diese landestypische Porridge-Pampe sah, sehnte ich mich nach einem ordentlichen malaysischen Schlangen-Imbiss und mir war porridge-schlecht. So schlecht, dass ich nicht einmal Whisky haben wollte (also richtig schlecht).
Schottland sah für mich drei lange, sehr lange Tage so aus wie jene Gemälde, auf denen Schiffe in gischt-speienden, alles verschlingenden Meeren beinahe versinken. Bevorzugte Farben: Mittelgrau, dunkelgrau, graudunkel und schwarzblaudunkel. Seit meinem schottischen Segeltrip weiß ich, dass ich seekrank sein kann ohne grün im Gesicht zu werden wohingegen mein Kollege M. aus Hamburg grün im Gesicht werden kann ohne seekrank zu sein. Er sah wirklich zum Fürchten aus, ich litt mit rosigen Wangen. Experten und unser Skipper bescheinigten uns beeindruckt das Zeug zum Zirkuswunder (Wir überlegen noch, die Zirkusbranche ist schließlich auch nicht mehr das, was sie mal war). Zudem war mein Koffer verloren gegangen, sodass ich bei Windstärke 8-9 die Wahl zwischen erfrieren, kombiniert mit über Bord gehen (dafür schön zum Horizont gucken, das ist gut gegen Seekrankheit!) und ins Bett legen hatte. Ich entschied mich, wie meistens im Leben, für das Bett. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, dass Nessie damals, weil das Ungeheuer auch mal eine Regatta sehen wollte, an unserem Segelboot vorbeigeflogen ist. Foto konnte ich keines machen, weil ich mich vor lauter Sehstörungen nicht bewegen konnte. Sie müssen mir das jetzt einfach so glauben.
So. Nessie lebt. Und wer außer mir berichtet jetzt darüber? Noch ist Sommer. Sláinte!
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de