Gastautor / 11.04.2023 / 16:00 / Foto: www.matthias-weik.com / 74 / Seite ausdrucken

Nein, wir leben nicht im „besten Deutschland“

Von Matthias Weik.

Das Versagen der Politik und staatlicher Institutionen ist nicht mehr wegzudiskutieren. Doch sie machen einfach weiter wie bisher. Eine vorläufige Schadensbilanz.
 
„Ja, wir leben heute in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.“

(Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident, beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2020)
 
Ist diese Aussage des Bundespräsidenten tatsächlich richtig? Es stellt sich die Frage: Was ist aus Deutschland geworden? Lassen die Befunde nicht eher an Heinrich Heine denken, der vor 180 Jahren seine Verzweiflung über Deutschland in die folgenden Worte fasste?
 
„Denk ich an Deutschland in der Nacht, 
Dann bin ich um den Schlaf gebracht, 
Ich kann nicht mehr die Augen schließen, 
Und meine heißen Tränen fließen.“
 

(Heinrich Heine, Nachtgedanken, 1843/44)
 
Was also ist aus Deutschland geworden? Ein Land, in dem wegen stetig steigender Mietkosten, explodierender Energiekosten und immer teuer werdender Lebensmittel mehr als 2 Millionen Menschen zu den mehr als 960 Tafeln gehen müssen. Ein Land, in dem es in den 1990er Jahren noch rund drei Millionen Sozialwohnungen gab und in dem es heute 1,1 Millionen gibt. Ein Land, in dem jeder Dritte kein Geld für  Weihnachtsgeschenke hat und mehr als jeder Fünfte sich keine einzige Woche Urlaub im Jahr leisten kann und in dem selbst für Normalverdiener eine eigene Wohnung oftmals unbezahlbar ist.

Deutschland ist ein Land geworden, in dem Gesellschaftsverächter Polizei und Rettungskräfte angreifen, in dem sich nur noch ein Drittel der Frauen und 60 Prozent der Männer nachts ohne Begleitung im öffentlichen Personennahverkehr „sehr sicher“ oder „eher sicher“ fühlen und mehr als jede zweite Frau „häufig“ oder „sehr oft“ bestimmte Straßen, Parks oder Plätze meidet. Die Bundesrepublik belegt auf dem globalen Kriminalitätsindex den 43. Platz, Freibäder müssen von Security und die Eingänge von Weihnachtsmärkten von Polizisten mit Maschinenpistolen bewacht werden. 

Bildungskrise, drohender Pflegekollaps, Brain-Drain, Energie-Desaster

Was ist aus dem einstigen Land der Dichter und Denker geworden, in dem sich keine einzige Universität unter den 49 besten Universitäten der Welt befindet? Ein Land, in dem Privatschulen boomen und der Anteil Jugendlicher ohne grundlegende schulische Fähigkeiten dem ifo Institut für Wirtschaftsforschung zufolge bei 23,8 Prozent liegt. 

In dem „besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“ herrscht bei über 2,6 Millionen Arbeitslosen branchenübergreifend ein akuter Fachkräftemangel. Dort liegen Eltern im Dezember 2022 mit ihren Kindern auf Krankenhausfluren, da kein ausreichendes Personal zur Stelle ist. Ohne schnelle Verbesserungen droht der Pflegekollaps nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Altenheimen. Es ist ein Land, in dem in den letzten zwei Jahrzehnten Millionen un- und geringqualifizierte Menschen einwanderten, während Hunderttausende Hochqualifizierte auswanderten – drei Viertel der Auswanderer haben eine Hochschulausbildung.

Wir leben in einem Land, in dem nur 48 Prozent der Menschen denken, dass man seine Meinung frei sagen könne, in dem politische Eliten ihre Bürger und die Wirtschaft erst in die Abhängigkeit Russlands und schlussendlich in ein energiepolitisches Desaster getrieben haben und offenkundig mit Vehemenz weiter treiben. In einem Land, dessen „Energiewende“ seinen Bürgern und der Wirtschaft jahrelang mit die höchsten Strompreise weltweit beschert und dem Wirtschaftsstandort Deutschland geschadet hat – mit dem Resultat, dass im November und Dezember 2022 der meiste Strom durch die als CO2-Dreckschleudern bekannten Kohlekraftwerke erzeugt wurde. 

Der Wirtschaftsstandort erodiert

Mit einer Politik, die Fracking verbietet, aber Fracking-Gas in rauen Mengen importiert, die gegen Gas- und Ölbohrungen in Nord- und Ostsee ist, aber Nordseeöl aus Norwegen importiert und die Atomkraftwerke abschaltet, während Wirtschaftskonkurrenten neue Atomkraftwerke bauen, die aber Atomstrom auch zukünftig aus den Nachbarländern zu importieren beabsichtigt. Wir erleben Politiker, die eine Gaspreisbremse feiern, durch die es weder mehr Gas auf dem Markt gibt noch die Nachfrage nach dem in Deutschland knappen und in großem Umfang benötigten Gut senkt, geschweige denn für mehr Gas sorgt. 

Wir leben in einem Land, in dem zahlreiche Politiker von der Vision beseelt sind, die Welt zu retten und mit moralisch erhobenem Zeigefinger versuchen, ebendiese zu bekehren. Denen offenkundig nicht klar ist, dass Deutschland weder politisch noch gemessen an der Bevölkerungszahl eine Rolle spielt – und auch in puncto CO2-Emissionen nicht, mit 1,85 Prozent Gesamtanteil am globalen Ausstoß. 

Der Wirtschaftsstandort des einstigen Exportweltmeisters kann kein einziges Unternehmen unter den wertvollsten 100 börsennotierten Unternehmen der Welt mehr vorweisen und verliert im internationalen Vergleich kontinuierlich an Attraktivität. Dies aufgrund der viel zu hohen Energiepreise, einer bröselnden logistischen Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schienen, Schleusen), einer unzureichenden digitalen Infrastruktur, eines grassierenden Bürokratie-Irrsinns, sehr hoher Steuern und Abgaben, hoher Arbeitskosten für Unternehmer einerseits und im internationalen Vergleich niedrigen Nettolöhnen andererseits. 

800 Millionen für den Kanzleramts-Protzbau in Zeiten knapper Kassen

Deutschland ist zu einem Land geworden, das bei der Digitalisierung des öffentlichen Dienstes schlechter abschneidet als Griechenland, sich dafür aber nach der Volksrepublik China das größte Parlament weltweit gönnt und in Zeiten knapper Kassen das Kanzleramt in Berlin für knapp 800 Millionen Euro Baukosten zu einem Protzbau erweitert, der global seinesgleichen sucht. 

Deutschland hat Preissteigerungen zu verzeichnen wie seit 1951 nicht mehr. Die Saat der irrsinnigen Gelddruckpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist in Form einer von ihr mit angefachten immensen Inflation aufgegangen. Der Staat entschuldet sich auf Kosten der Bürger und profitiert obendrein nicht nur kraft der Umsatzsteuer von den steigenden Preisen. 

Die Kaufkraft des Euro schwindet sukzessive, und die Sparguthaben, Altersvorsorge zahlloser Bürger, werden tagtäglich pulverisiert. Jahrzehntelang war die Geldwertstabilität das höchste Gut der Bundesbank. Diesen Kernauftrag erfüllt die EZB nicht einmal ansatzweise. Sie erhält faktisch bankrotte Staaten Südeuropas am Leben und macht Struktur- anstatt Geldpolitik. Von Geldwertstabilität ist beim Euro nichts mehr zu sehen. Allein in den letzten fünf Jahren hat der Euro gegenüber dem US-Dollar über 10 Prozent und gegenüber dem Schweizer Franken mehr als 15 Prozent seines Wertes verloren. Einerseits verkommt er zu einer Weichwährung, andererseits ist der US-Dollar nach wie 
vor unumstritten die dominierende Währung auf dem Weltmarkt für Gas, Öl und zahlreiche weitere Waren. Für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland bedeutet ein schwacher Euro dementsprechend importierte Inflation. 

Rette sich, wer es sich noch leisten kann!

Die Rechnung bezahlt der Steuerzahler. In Deutschland herrscht eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten weltweit. Bereits heute arbeiten die Bürger im Durchschnitt bis Mitte Juni nicht für die eigene Existenz, sondern stattdessen für das Gemeinwesen. Im Jahr 2021 umfasste der Bundeshaushalt die Summe von rund 498,6 Milliarden Euro. Knapp 13,7 Prozent davon flossen im selben Jahr ins Ausland – das meiste davon an die Europäische Union (EU). Mit rund 47 Prozent stammte fast die Hälfte aller europäischen Nettozahlungen aus der Bundesrepublik. In den vergangenen 21 Jahren wurden aus 
dem Hochsteuerland Deutschland 212 Milliarden Euro mehr an die EU – und somit indirekt auch an zahlreiche Niedrigsteuerländer – überwiesen, als zurückflossen.

Dennoch werden von Politikern, insbesondere von jenen, die in ihrer beruflichen Laufbahn selbst nicht allzu viel zum Bruttosozialprodukt beigetragen haben, kontinuierlich weitere Steuererhöhungen gefordert, um die Umverteilung weiter voranzutreiben. Dies kann und wird auf Dauer nicht funktionieren. 

Nein, wir leben nicht „in dem besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“. Ganz im Gegenteil, wir leben in einem Land, in dem zusehends eine Minderheit aus linken, rechten, religiösen und sonstigen Extremisten, Fundamentalisten, Aktivisten, Ideologen sowie Weltuntergangsanhängern und Populisten jeglicher Couleur versucht, uns zu erklären, wie wir zu essen, zu sprechen und zu schreiben, zu wohnen und zu heizen, zu fahren und zu reisen, zu glauben und schlussendlich zu leben haben. Damit dies nicht so bleibt, muss sich einiges in der Bundesrepublik Deutschland ändern – und zwar gravierend. Findet die Veränderung nicht statt, dann heißt die Devise: Deutschland – rette sich, wer es sich noch leisten kann. 

Mit hoher Wahrscheinlichkeit geht es vielen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, wenn sie den gegenwärtigen Zustand und die äußerst trüben Zukunftsaussichten des einstigen Landes der Dichter und Denker betrachten, ähnlich wie Heinrich Heine vor 180 Jahren. Egal ob Energie, Inflation, Euro-Verfall, Infrastruktur, Bildungsmisere, Gesundheitssystem, Fachkräftemangel, Migration, Steuer- und Abgabenwahnsinn ... Der Wirtschaftsstandort Deutschland und somit seine Bürger stehen vor riesigen Problemen und Herausforderungen. Das Versagen der Politik und staatlicher Institutionen ist nicht mehr wegzudiskutieren. 

Lesen Sie im zweiten Teil: Der Personalmangel in Deutschland wird immer problematischer. Es fehlt an hochqualifizierten Fachkräften, die für Wertschöpfung und Wohlstand sorgen. Doch sie kommen nicht nach Deutschland, sie verlassen das Land.

 

Dies ist ein Auszug aus „Die Abrechnung – Das einzige Buch, das Ihr Erspartes vor Umverteilung und Krisen rettet" von Matthias Weik (www.matthias-weik.com). Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen. Er zählt seit Jahren, mit fünf Bestsellern in Folge, zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen.

Foto: www.matthias-weik.com

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Torsten Hopp / 11.04.2023

Und wir werden auch nicht mehr Fußballweltmeister. Wer den Sport verfolgt, wird bemerken, auch hier geht es langsam und stetig abwärts.

Rainer Wittmann / 11.04.2023

“Die Rechnung bezahlt der Steuerzahler. In Deutschland herrscht eine der höchsten Steuer- und Abgabenlasten weltweit. Bereits heute arbeiten die Bürger im Durchschnitt bis Mitte Juni nicht für die eigene Existenz, sondern stattdessen für das Gemeinwesen.” Diese Aussage aus dem Artikel ist falsch: wir arbeiten nicht für das “Gemeinwesen”, sondern für alles mögliche, Verschwendung öffentlicher Gelder, Korruption, Versorgung von ukrainischen Schmarotzern, Veruntreuung, usw. Man muß sich jedes Mal, wenn man Steuern zahlt, ja, auch wenn man nur einkauft, vergegenwärtigen, daß man “beraubt” wird.

Gus Schiller / 11.04.2023

Früher durften Hofnarren die Regierenden bei Laune halten. Heute regieren uns die Hofnarren!

Nico Schmidt / 11.04.2023

Sehr geehrter Herr Weiß, wie kann es sein, dass uns eine kleine Partei wie die Grünen so am Nasenring vorführen? Wie können normale Leute eine solche Partei wählen? Mfg Nico Schmidt

Bernd Michalski / 11.04.2023

@ Dr. Voge ___ Gern geschehen! Aber nein, ich bin noch nicht mal Ingenieur. Allerdings habe ich Physik nicht geschwänzt und das meiste verstanden, vermutlich. ___ Vielleicht hat der gute Mann auch Fotos von Kraftwerken gesehen, mit Dampfschwaden im Gegenlicht. Das wird in den Offizialmedien ja immer gern genommen, sieht dann aus wie Rauch. ;-) ___ Aber im Ernst, dergleichen sollte inzwischen zur politischen Allgemeinbildung gehören. Mindestens sollte man das kapiert haben, wenn man sich öffentlich so aus dem Fenster hängt, einschließlich Bücherschreiben.

giesemann gerhard / 11.04.2023

@Dr. Konrad V.: Stimmt natürlich, was Sie sagen. Und sogar KGE hat erkannt: Nach Abschaltung der AKW wird der el. Strom BILLIGER! Warum? Na, weil Kohlestrom in der Tat der billigste ist ... . Dann noch bisschen CO2 recyceln, um die Gemüter zu beruhigen - dann ist alles gut. Arbeiten wir gemeinsam darauf hin, bis der Wahn gegen Kernenergie vorbei ist, dann mischen wir die Karten neu. An Kernenergie kommt ohnehin niemand vorbei, die Grünen sind eh bald weg, wegen erwiesener Dummheit. Das Volk muss es aber erst noch merken. DAS dauert, sacramento dolores. Vielleicht Pfingsten, wenn der Geist .... . Schaumermal.

Olivia Lindemann / 11.04.2023

Angesichts dieser Dramatik, verstehe ich nicht, warum man die AFD dermaßen diskreditiert. Wer sich mit Parteiprogramm und den Spitzenpolitikern jener befasst, vorallem im Vergleich zu den Altparteien, weiß, dass es keine andere Alternative gibt.

U.Hering / 11.04.2023

Nun, wir werden von einer Kaste bildungsferner Idioten parasitiert, die durch die Rektalkarriere bei ihren Vorgängern an ihre Posten gelangt sind. Sozialisten sind sie alle - ob sie nun äußerlich dunkelrot, hellrot, gelb, grün, schwarz, blau oder sonstwie lackiert sind. Sie haben alle den Weg zu ihren Posten nur über letztlich undurchsichtiges Parteigeklüngel gefunden. Damit sind wir an einer Dichotomie: Ertragen wir die Sozialistenherrschaft (egal welcher äußeren Farbgebung) weiter, oder sind wir zu konstruktiven Maßnahmen bereit? Konstruktiv wäre es zB. Bürgerkomitees zu bilden, Proskriptionslisten zu erstellen und zu veranlassen, daß sich der Staat von den Parasiten befreit, die ihn seit über dreißig Jahren befallen haben. Und wenn es dafür noch Anreiz braucht, kann man getrost das Vermögen des Proskribierten zwischen dem Vollziehenden und dem Fiskus teilen. Wahrscheinlich hätten wir die drängendsten Probleme unserer Zeit binnen eines Jahres zu weitaus mehrheitlicher Zufriedenheit gelöst. Nur Anfangen müßt´ halt jemand.

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