Robert von Loewenstern / 31.07.2018 / 12:00 / Foto: Pixabay / 53 / Seite ausdrucken

Naika, heul leise

Naika Foroutan ist Professorin für „Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik“ an der Berliner Humboldt-Universität und leitet dort die Forschungsgruppe „Junge islambezogene Themen in Deutschland“. Nebenbei – so eine Professur lastet einen ja nicht unbedingt aus – bekleidet sie diverse weitere islam- oder migrationsbezogene Posten und Positionen. 

Ähnlich wie Sawsan Chebli, die Berliner SPD-Staatssekretärin für „Bürgerschaftliches Engagement und Internationales“, ist Foroutan eine Vorzeigemigrantin. Und wie Chebli hat Foroutan reichlich Luft zwischen den Ohren, worauf Manfred Haferburg an dieser Stelle bereits hinwies. Trotzdem lohnt es sich, noch ein bißchen tiefer einzutauchen in die krude Gedankenwelt einer akademischen Topkraft.

Sich selbst beschreibt die Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters so: Ich bin eine migrantische deutsche Denkerin. Wie viele Kolleginnen und Kollegen komme ich eher aus der Linken.“ Soweit keine Überraschung, möchte man anfügen. Sie sei „von Herzen Sozialdemokratin und schon immer zuhause in diesem Milieu.“ Außerdem ist Foroutan 47 Jahre alt, sieht sehr gut aus und hat furchtbare Angst vor dem nahenden Untergang. Die Apokalypse droht – wie sollte es anders sein – von rechts, wie die Professorin in einem langen Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ ausführt.

„Deutschland wird brutaler“

Die letzten Jahre waren sehr schlimm für sie. Foroutan hat sie „als eine starke Entfremdung erlebt“. Denn „Deutschsein ist wieder sehr viel stärker mit Herkunft verbunden, mit nationalem Bekenntnis, mit Weißsein – vor Özil war Boateng dran – und ohne Bekenntnis zu Religionspluralität.“ Ihr Fazit: „Deutschland wird brutaler.“ Das lässt sich kaum bestreiten, wie ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt. Mit „Weißsein“ hat die in den letzten Jahren stark gestiegene Gewaltkriminalität allerdings eher weniger zu tun. 

Physische Brutalität meint Frau Foroutan aber auch gar nicht, es geht ihr ums Moralische. Denn: Stück für Stück erodiert ein moralischer Grundkonsens. Die gesellschaftlichen Entwicklungen weisen in eine präfaschistische Phase, und ich behaupte, dass das nichts mit meiner persönlichen Befindlichkeit zu tun hat, auch nicht mit meiner migrantischen Geschichte.“ Die Migrationsexpertin mit der „migrantischen Geschichte“ sieht also allen Ernstes eine „präfaschistische Phase“ im Anmarsch. Wir sind zwar noch nicht ganz da, aber wir steuern geradewegs darauf zu. Wir befinden uns also, genau genommen, in einer prä-präfaschistischen Phase. 

Auf jeden Fall sind wir „in einer Phase der Destruktion. Der Zerstörung jener Errungenschaften, die die 68er mit herbeigeführt haben und die unser Verständnis von Gleichberechtigung, sexueller Selbstbestimmung, Toleranz und Meinungsfreiheit maßgeblich verändert und beeinflusst haben.“ Dass vor gerade mal einem Jahr die „Ehe für alle“ Gesetz wurde – mit breiter Zustimmung in Parlament und Bevölkerung –, hat die vielbeschäftigte Professorin offenbar nicht mitbekommen.

Macht nichts. Fakten scheinen die Hochschullehrerin ohnehin nicht übermäßig zu belasten. „Sehr erschüttert“ wurde sie zum Beispiel durch die Diskussion darum, ob man Menschen retten darf, die im Mittelmeer ertrinken, oder ob daraus Pull-Faktoren für eine Migration nach Europa entstehen und man deshalb erstmal welche sterben lässt, bis es ,die restlichen Afrikaner‘ auch verstehen und sich nicht mehr auf den Weg machen.“ Dass man „erstmal welche sterben lässt“, hatte zwar in der Diskussion niemand gefordert. Aber es kann auf jeden Fall nicht schaden, erstens dagegen und zweitens angemessen erschüttert zu sein. Vorsorglich, sozusagen.

Linke Verlustängste

Die ganze fürchterliche Entwicklung begann übrigens laut professoraler Analyse exakt im Jahr 2010. Damals hatte ein böser, alter, weißer Mann namens Thilo Sarrazin etwas Schreckliches getan. Er hatte ein Buch geschrieben. Die Kraft seiner Worte muss schier unendlich gewesen sein, denn seitdem geht es striktemang bergab mit der deutschen Gesellschaft. 

Dunkle Mächte sind am Werk, die seit geraumer Zeit Gehirnwäsche betreiben“, und es gibt eine geheimnisvolle „manipulative Strategie der Rechten, auf die wir alle hereingefallen sind“. Wir alle? Ach ja, „wir alle“ natürlich, die selbsternannten Guten, Linken, Intellektuellen, die naturgesetzlich besser wissen, was Sache ist und sein soll. Ganz im Gegensatz zu den „Rechten, die immer nur ,dagegen‘ sind und zerstörungswütig die Werte dieser Gesellschaft attackieren“.

Das Hereinfallen auf „die Rechten“, gibt Foroutan zu, war schon ein bisschen doof von „wir alle“, denn „deren Strategien kannten wir schließlich gut aus der Beforschung von Islamisten. Beide Beforschten, die Rechten wie die Sprenggläubigen, gehen nämlich nach demselben Muster vor. Sie „setzen an sozialer Verunsicherung an, rekrutieren gezielt Menschen ohne Perspektive oder nach einem Schicksalsschlag, sie gehen auf verunsicherte Familien zu“. Noch schlimmer: Wenige von ihnen schaffen es im Internet, als die Vielen zu erscheinen, es gibt Wortergreifungsstrategien, deren Begriffe wie ,Asyltourismus‘ dann irgendwann im Mainstream auftauchen.“

Was daraus werden kann, lehrt die Vergangenheit, weiß die Professorin. Denn „es reicht ein kleiner Prozentsatz, um die kulturelle Hegemonie zu erlangen. Bedenken Sie: Die Grünen waren immer eine kleine einstellige Partei und haben es dennoch geschafft, innerhalb der Bundesrepublik eine kulturelle Deutungshoheit herzustellen.“ Wo sie recht hat, hat sie recht. Im Prinzip ist so eine „kulturelle Hegemonie“ auch eine feine Sache, solange man selbst der Minderheit angehört, die den moralischen Oberbefehl über die Mehrheit hat. Verständlich, dass Verlustängste aufkommen, wenn sich plötzlich einige erdreisten, die linke Deutungshoheit in Frage zu stellen. Was erlaube?!

Heul leise, Naika

Folgerichtig wünscht sich Foroutan die guten alten Zeiten zurück: „Wir brauchen den Mut für Utopien zurück. Dafür müssen wir nicht weit zurückgehen, die 1970er, 80er Jahre genügen. Wir brauchen im Grunde genommen eine neue Friedensbewegung. Wir müssen uns auch emotional trauen, die Worte zurückzubekommen oder neue zu setzen. Ja, ich bin ein Gutmensch, ich will, dass meine Kinder gute Menschen werden, ich akzeptiere das nicht als Schimpfwort.“ So weit ist es gekommen. Man traut sich ja gar nichts mehr zu sagen als Gutmensch! Es sind nämlich „ethische Pfeiler eingerissen – dazu passt übrigens auch, dass wir uns inzwischen alle genieren, moralisch zu argumentieren. Wir sind vorbereitet für die moralische Verwahrlosung des Faschismus, der kommen könnte.“

Von „Früher war alles besser“ bis „Das wird man doch noch sagen dürfen“ – im Schnelldurchgang erfüllt die Spitzendenkerin alle Klischees, die man gern „den Rechten“ andichtet: Besorgtheit, Rückwendung, Trotz, Verschwörungswahn, Untergangsphantasien, Zukunftsangst. Schließlich macht sie das linke Mimimi perfekt: „Es ist an der Zeit, dass wir Vergessenen, denen in den letzten Jahren Zug um Zug das Land genommen wurde, sichtbarer werden.“ Ernsthaft? „Wir Vergessenen“? Da bleibt nur noch der praktisch-pädagogische Tipp: Naika, heul leise.

In einem ist sich die Professorin jedenfalls sicher: Sie ist ganz nah am Menschen, zum Beispiel bei Bürgerdialogen, in Schulen, bei Gesprächen mit Lehrerinnen oder auch bei Fußballfunktionären oder Senioren“. Denn dort tritt sie keinesfalls als neunmalkluge Wissenschaftlerin“ auf, „um von oben herab zu referieren“. Nein, im Gegenteil: Ich rede über Migration und die Veränderung unserer Gesellschaft, über Zugehörigkeiten, Ausschluss und Stereotype, über Radikalisierung, destruktiven Islamismus und die Schönheit und Hybridität des Islam, über narrative Neudeutungen und Leitbilder einer modernen pluralen Demokratie.“ 

Dass ihre Zuhörer die volksnahen Ausführungen über „Schönheit und Hybridität des Islam“ oder „narrative Neudeutungen“ dummerweise „am Ende nicht aktiv umarmen wollen“, ist nicht so wichtig. Denn erstens ist das alles keine leichte Kost“, und auf der Habenseite steht immerhin, dass viele Bürger_innen immer wieder ein Feedback“ gaben: „Nämlich, dass sie sich dadurch ernst genommen gefühlt haben, wie ich sie angesprochen habe.“ Wenigstens hier sieht die Gelehrte das Glas halb voll.

„Du nimmst mir mein Land!“

Alles andere aber ist Mist. Das hat die nüchterne Forscherin so sehr mitgenommen, dass sie mittlerweile nicht einmal mehr in der Lage ist zu lesen: „Ich versuche gerade zum wiederholten Mal, Fritz Sterns Buch zu lesen, ,Kulturpessimismus als politische Gefahr‘. Stern beschreibt den Aufstieg des Nationalsozialismus und jene intellektuellen Kräfte, die einen Pessimismus verbreiteten, der als einzigen Ausweg aus einer verachteten Gegenwart nur die komplette Zerstörung alles Bestehenden übrigließ.“ Sie wollte, aber es ging einfach nicht. Sie „musste das Buch immer wieder weglegen, weil vieles so gegenwärtig scheint, dass einen Panik erfasst“.

Möglicherweise hat die Panik der Professorin auch tiefere Ursachen. Um der kompletten Zerstörung alles Bestehenden in Deutschland zu entfliehen, wollte sie nämlich auswandern. Daraus wurde dann nichts, weil sich die Spitzenakademikerin auf dem kanadischen Arbeitsmarkt nicht durchsetzen konnte („Am Ende fiel die Wahl auf eine Konkurrentin – es war sehr knapp“). Traumatisch genug – noch schlimmer allerdings war ein Erlebnis im Vorfeld. Denn als es mit Kanada konkreter wurde und sie ihren großen Sohn sanft auf den Wegzug einstimmen wollte, stieß der einen „verzweifelten Liebesschrei“ für Deutschland aus: „,Du nimmst mir mein Land!‘ hat er geschrien. Das hat mich sehr getroffen und ich wollte sagen, das ist auch mein Land.“ 

Doch davon wollte die undankbare Brut nichts hören: „Auch er ist schon so in diesen Debatten drin, dass er Kritik als latenten Verrat deutet.“ Der renitente Bengel setzte sogar noch einen drauf: „,Du liebst Deutschland nicht so wie ich!‘ wirft er mir vor, ,deswegen willst du gehen!‘“ Die Mutter zeigt sich fassungslos: „Dabei müssten Sie ihn sehen, er sieht aus wie ein afghanischer Junge, von dem andere nie denken würden, dass er sich deutsch fühlen könnte.“ Im Hause Foroutan hat Integration offenbar besser als gewünscht funktioniert.

Mit einem Mal wird verständlich, was die „migrantische deutsche Denkerin“ wirklich aus der Bahn geworfen hat. Was soll nur aus diesem Land werden, wenn die linke Deutungshoheit, mit der man es sich über Jahrzehnte so gemütlich gemacht hat, nicht einmal mehr im eigenen Heim greift? Wenn selbst Abhängige die professorale Indoktrination „am Ende nicht aktiv umarmen wollen“? Wenn sogar der eigene Sohn merkt, dass Mama mächtig einen an der Klatsche hat? 

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P.Steigert / 31.07.2018

Auch Migrantische Verlustängste? Man legt sich propagandistisch und intrigant kräftig ins Zeug, damit das Wunschland Deutschland auch ja weiter alle fremden Befindlichkeiten akzeptiert. Das arme Problemland des Vaters kommt natürlich nicht in Betracht.

KJ. Fuchs / 31.07.2018

Es ist schon bemerkenswert wie sich der Wind gedreht hat, tatsächlich verwendet Foroutan die gleichen Argumente wie (zum Teil immer noch) die konservativen besorgten Bürger.. Zitatat: “Von „Früher war alles besser“ bis „Das wird man doch noch sagen dürfen“ – im Schnelldurchgang erfüllt die Spitzendenkerin alle Klischees, die man gern „den Rechten“ andichtet: Besorgtheit, Rückwendung, Trotz, Verschwörungswahn, Untergangsphantasien, Zukunftsangst”.

Frank Volkmar / 31.07.2018

Sehr treffend beschrieben ! In ihrem Selbstverständnis bzw. dem des von ihr geleiteten BiM an der HU : “Das BIM konzentriert sich dabei auf theoriegeleitete empirische Forschung, die sie immer wieder an die Grundlagenforschung zurückbindet. Zugleich wird ein systematischer Forschungstransfer in den öffentlichen Raum angestrebt, der von der kritischen Begleitung politischer Debatten über öffentlichkeitsorientierte Veranstaltungen bis hin zu medialen Interventionen reicht.  Insofern versteht sich das BIM als aktiver Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen.” offenbart sich das Selbstverständnis von Frau Foroutan. Diese “Selbsterklärung” findet sich mittlerweile nicht mehr auf der hompage des BiM vermutlich, weil sie zu “entlarvend” war, denn gerade die “medialen Interventionen” und die “kritische Begleitung politischer Debatten”  in der “Präambel” eines “Forschungstitutes” kommen mir recht unpassend vor. Berücksichtigt man das dieses “Institut” in der Vergangenheit durch Frau Özoguz mitfinanziert wurde, wird das Ganze wieder verständlich.

Jörg Plath / 31.07.2018

Es gibt so sehr viele, die “einen an der Klatsche haben”. Habe eben versucht “Zeit” oder “Spiegel” online zu lesen. Ich musste es abbrechen, weil dort ach so viel Müll ala dieser Dame zu finden ist. Wenn man das alles zusammenfasst muss man sich eher Sorgen machen vor einer neuen “totalen Zerstörung” von links. Ich mag es nicht glauben, aber die Agitatoren und Ideologen von denen sind schon sehr weit und sehr konkret.

Andrèe Bauer / 31.07.2018

Respekt , was die Frau Prof. für tiefsinnige Diskussionen mit ihrem Sohn führt ! Mein Patensohn ist 20 - ich glaube der würde mich starr vor Entsetzen fragen ob’s mir gut geht, wenn ich ihn in so eine Diskussion verwickeln wollen würde. Vielleicht fragt sich die Frau Prof und ihr Sohn auch jeden Tag - wer bin ich und wenn überhaupt wie viele?

Sabine Drewes / 31.07.2018

Herr von Loewenstern, ein sehr scharfsichtiger Artikel, danke! Sie haben diese unsägliche Debatte wieder ins rechte Licht gerückt. Schon im ersten Satz in der Vorschau bringen Sie es auf den Punkt: „Naika Foroutan gehört einer sozio-kulturellen Klasse an, deren Angehörige reich an Privilegien und arm an Einsichten über sich selbst sind.“ Wie wahr!

Robert Korn / 31.07.2018

Mir gehen diese “ProfessorInnen” in den Laberwissenschaften zunehmend auf den Geist. Um es mal zurückhaltend auszudrücken. NICHTS von Belang kommt dabei rum, aber fettes Salär und obendrein Gejaule. Ach ja und die 70er. Tolle Zeit das. Da wollten doch die Linken solche Leute mit ihrer Auffassung nach überschaubarem gesellschaftlichen Nutzen zu gegebener Zeit in die Fischmehlfabrik schicken. Hat Frau Professor ja nochmal Glück gehabt…

Ulla Nötzel / 31.07.2018

Vielen Dank. Endlich konnte ich noch einmal herzlich lachen.

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