Silvia Meixner / 03.11.2010 / 13:33 / 0 / Seite ausdrucken

Mutig in die neuen Zeiten!

Ich stelle mir das so vor: Am „Weltmännertag“ stellt mir die zuständige EU-Behörde ab sofort alljährlich ein ordentliches Schloss zur Verfügung, in dem ich sämtliche Männer meines Lebens zum Empfang bitte. Alle bekommen einen Orden. Ich verleihe persönlich und nehme Handküsse entgegen. Reden werden keine gehalten, es herrscht Duellier-Verbot. Es soll schließlich ein schöner, harmonischer Abend werden. Mein Kleid ist dunkelgrün mit Dekolletee und von Escada, der Schmuck von Cartier. Die Orden sind kleine Zeichen meines Dankes für schöne gemeinsame Zeiten (der himmelblaue), einige Männer bekommen einen Sonderorden für Humor (der rosafarbene mit den grüne Pünktchen), andere wiederum den „Orden of exzellence“ für ihre Taten als exzellente Liebhaber (knallrot!). Kulturelle Fähigkeiten wie Essen mit Messer und Gabel, Möbel fachgemäß zusammenbauen oder Gedichte, nur für mich, schreiben, werden mit kleinen Extraorden, Konfekt und Armbanduhren belohnt.

Damit niemand enttäuscht ist, bekommt jeder Gast eine Auszeichnung. Danach wird gefeiert, bis wir alle vor Erschöpfung umfallen und jeder Herr darf sich eine Geisha aussuchen. Da ich eine Frau bin und statistisch nachweislich trotz oder weil Emanzipation weniger verdiene, werden internationale Sponsoren die Rechnungen für Champagner, Luxusschnittchen, Geishas und Dessertvariationen aus aller Welt begleichen müssen. Als Giveaway bekommt jeder Mann genau das Traumauto, von dem er mir immer vorgeschwärmt hat (ja, H., Du bekommst eine Yacht, und Du, P., Dein dunkelgrünes Rennrad). Auch wenn es zuweilen in meinem Leben Verdruss mit Männern gab: Schwamm drüber. Schlechtes Gewissen habe ich darob keines, schließlich arbeite ich sechs bis sieben Tage die Woche und es ist wirklich nicht meine Schuld, dass man vom Schreiben nicht reich wird.

Heute ist Welt-Männertag, da muss gefeiert und Danke gesagt werden! Meistens bedanken sich Frauen nicht bei Männern. Sie fordern Brillis zum Muttertag und Platin unterm Weihnachtsbaum und vergessen das Fördern. Das ist schlecht, weil Männer tolle Wesen sind. Trotz dieser Fakten zum Tage: Deutschlands angeblich (lt. Presseberichten) bekanntester Männerforscher ist Schweizer und 71 Jahre jung. Knapp zehn Millionen der deutschen Männer leben noch bei Mama, zwei Drittel betreuen keine Kinder, die meisten sind übergewichtig. Wäre ich Alice Schwarzer, würde ich heute an Orten, an denen viele Männer verkehren, vom Flughafen bis zum Bordell, Akte der Demut vollziehen. Mission misslungen, irgendwie…

Angeblich beklagen Männer, dass in den vergangenen Jahrzehnten viel für die Änderung des Selbstbildes der Frau getan wurde, sie selbst aber durch den politisch-gesellschaftlichen Rost fielen. Der Großteil der Männer verspürt Horror gegenüber emanzipierten Frauen (was immer das ist) und träumt angeblich von einer Mutti am Herd. Als Frau und Lebenspartnerin, wohlgemerkt, nicht als Mutter. Irgendwas muss da verdammt schief gelaufen sein. Ich kenne wunderbare, intelligente Männer, die man als Frau völlig vom Kurs abbringen kann, wenn man nicht täglich, aber trotzdem gern am Herd steht und eine eigene Meinung hat. Im 21. Jahrhundert! Wo ich doch manchmal nur ein bisschen übermütig bin (die Schlossgäste werden Ihnen das gern bestätigen)!

Manchmal tun mir Männer Leid. Sie müssen die Quadratur des Kreises leben. Immer schön zuhören, Verständnis für jeden Quatsch haben, ein bisschen die Wäsche bügeln, dabei aber möglichst cool aussehen (das kann nicht gelingen!), viermal pro Nacht Sexkunststücke vollführen, sich dabei, ist die Frau intelligent und/oder emanzipiert, die Frage „War ich gut?“ verkneifen. Schlechte Witze sollen sie besser ihren Kumpels erzählen und ausschlafen ist nicht, denn im Morgengrauen müssen sie raus, zum ersten Flieger, abheben, viel Geld verdienen und die globale Konkurrenz bekämpfen. Und auf dem Weg zum Flughafen bitte nicht den Müll vergessen. Sie sind ja eh schon unterwegs, da wird man diesen kleinen Gefallen doch wirklich mal äußern können.

Frauen können, auch im 21. Jahrhundert, wenn es eng wird, in Tränen ausbrechen oder in Ohnmacht fallen. Wenn sie arbeiten, ist das okay, entscheiden sie sich für eine 25jährige Babypause, dann wird auch das gesellschaftlich akzeptiert. Ist das gerecht? Ein kleiner Wirklichkeits-Check: Heute morgen, 7.50 Uhr, Flug Berlin-Frankfurt. 95 Prozent der Passagiere sind Männer. Sie schauen wichtig oder sehen wichtig aus, tragen graue Anzüge, die Mutigeren unter ihnen dunkelblaue, die meisten dämmern noch vor sich hin, einige gucken unglücklich (vermutlich die, die vergessen haben, den Müll runterzubringen, sie fürchten sich schon jetzt vor dem Moment ihrer abendlichen Rückkehr….). Nur einer trägt bunte Kleidung und fragt fröhlich, wo sein Sitzplatz ist. Er wird von seinen Artgenossen mit Blicken niedergerungen. Der deutsche Morgen ist, auch am Welt-Männertag, männlich und dienstlich unterwegs.

Die Sängerin Cher verriet gerade – vermutlich feiert sie nicht Männer-Tag- ihre Männerphilosophie: „Heute sind sie für mich wie Nachspeise.“ Aha. Es war also schon mal anders. Frauen, so Cher, seien besser und stärker. „Aber deshalb muss man doch nicht auf köstliches Dessert verzichten. Und manchmal lasse ich sogar das Dinner sausen und gehe gleich zur Nachspeise über.“ Deckt sich genau mit meinen Erfahrungswerten im FreundInnenkreis. Wie Cher habe auch ich irgendwann glücklicherweise erkannt, dass in Liebesdingen nichts für die Ewigkeit ist, egal, was Männer sagen, mailen oder smsen. Nicht jeder ist ein Kachelmann, aber die meisten kacheln gern, im Auto und in Liebesdingen. Auch oder weil zu Hause die ersehnte Mutti am Herd steht. Oder die emanzipierte Frau (wenn es nicht so gut gelaufen ist). Weil die Herzensdame natürlich nichts vom Kacheln erfahren darf, wird das Leben zuweilen schwierig, weil unübersichtlich. Dann gilt es, männliche Eigenschaften hervorzukramen! Mutige stellen sich der Herausforderung und den offenen Fragen, weniger Mutige retten sich in Krankheiten oder Großaufträge, einige trinken Tee, andere wiederum scheinen sich in Luft auflösen zu können. Mutig in die neuen Zeiten!

Meine bahnbrechende Erkenntnis-Philosophie habe ich der Einfachheit halber „Kuchentheorie“ genannt, ich werde den Begriff demnächst schützen lassen. Die Theorie geht so: Der Mensch freut sich über einen köstlichen Kuchen. Aber kennen Sie einen, der ernsthaft einem Himbeertörtchen oder einem Topfenstrudel nachweint? Nein. Man besorgt sich einfach ein neues Törtchen – und niemand ist enttäuscht, weder der Kuchen, der Mann oder die Frau. Prost, Jungs! Ihr wart alle toll, dieser Text ist als Liebeserklärung zu verstehen. Und weil alle Männer alle Frauen immer fragen, wie viele Herren sie schon geherzt haben. Heute, weil Welt-Männertag ist, haben meine Freundinnen und ich uns einstimmig entschlossen, die Zahlen endlich ….

Sorry, ich muss los. Mir sind die Himbeertörtchen ausgegangen. 

Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de

 

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