Meloni und die Migration

Zu gern hätten viele Kollegen in der EU die Regierung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schon scheitern sehen. Doch auch am Ende des Sommers hält ihre Koalition. Nun braucht sie bei einem ihrer Kernthemen, der massenhaften illegalen Migration, dringend einen schnellen Erfolg und wird dabei wohl zu Mitteln greifen müssen, die der EU-Führung nicht gefallen.

Un estate al mare… ein Sommer am Meer… sang vor 40 Jahren Ginni Russo und von ihrer Lust, sich im Sommer am Meer zu vergnügen. Das Vergnügen hat sich für die Italiener in diesem Jahr, im Gegensatz zu dem schier endlosen Sommer selbst, etwas eingetrübt: Inflation und carovita – der Benzinpreis liegt mittlerweile bei zwei Euro – haben den italienischen Binnentourismus zurückgehen lassen. Der Saldo allerdings ist positiv, dank des enormen Zustroms der Fremden. Alarm-Tweets, dass der Mittelmeer Tourismus wegen der unerträglichen Hitze nun am Ende sei, sind nicht auf die erwünschte Resonanz gestoßen. In Bologna, wo der Verfasser der Tweets seinen Hitzeschock erlitten hat, war es selbst im August um 0,3 Grad kühler als in 2022, im Mai um vier und im Juni um 2,8 Grad.

Vom Bürgergeld zu Hartz IV, von Hartz IV zum Bürgergeld

Deutschland und Italien bewegen sich in entgegengesetzter Richtung: War die staatliche finanzielle Hilfe in Deutschland einst an die Bereitschaft zur Selbsthilfe durch Arbeitsaufnahme zumindest grundsätzlich gekoppelt, so ist diese Koppelung mit dem Bürgergeld praktisch aufgegeben worden. Die Zugangsbedingungen des in Italien 2019 von der Regierung Conte I (5sterne und Lega) eingeführten Reddito di cittadinanza (Rdc) entsprechen im wesentlichen dem Bürgergeld, bis hin zum Namen. Der Ge- wie der Missbrauch (soweit aufgedeckt) des Rdc ist seit Einführung exponentiell angestiegen, vor allem im Süden, weswegen es auch als Reddito napoletano verspottet wurde.

Der Rdc ist von der Regierung Meloni zum 1.1.2024 aufgehoben worden. Politisch macht dies vor allem der 5Sterne-Bewegung zu schaffen. Mit dem Versprechen, den Rdc zu erhalten, hatte die mittlerweile von dem Ex-Ministerpräsidenten Conte geführte Partei im Süden ihre größten Wahlerfolge erzielt. Die Abschaffung ist keineswegs ersatzlos, aber die beiden neuen Instrumente sind nun das Werk der Regierung Meloni. Bereits seit dem 1.9. gibt es die Möglichkeit, sich für höchstens 12 Monate bei Ausbildung und Arbeitssuche unterstützen zu lassen. Bei Ablehnung von Arbeitsangeboten soll die Unterstützung entfallen.

Ein weiteres Wahlversprechen, das die Regierung Meloni einlösen will, ist der Kampf gegen rechtsfreie und mafiadominierte Zonen in der Peripherie großer Städte wie Mailand, Neapel und Palermo. Nach Vergewaltigungsverbrechen durch Minderjährige in Caivano, einem Vorort von Neapel, und in Palermo präsentierte die Regierung ein “decreto Caivano”. Die Schwelle, von der ab Minderjährige in eine Art Erziehungsverwahrung genommen werden können, wurde von neun auf sechs Jahre gesenkt. Damit verbunden sind dann Kurse zur Reedukation, um Jugendliche gegen Einfluss der organisierten Kriminalität zu stabilisieren. Bauliche Sanierungsmaßnahmen in dem heruntergekommenen Viertel, ein verbessertes Freizeitangebot und ein Aufstocken der Polizeikräfte sollen den Sumpf des malavita austrocknen. Der regierungsnahe Libero zählt auf, dass es seit 2015 das dritte Paket mit dem Ziel der Verringerung sexueller Gewalt ist. Die entsprechenden Delikte haben seitdem kontinuierlich zugenommen: Dura lex, sed inutile? – hartes Gesetz, aber nutzlos? – fragt die Zeitung.

Mit dem Rücken zur Wand

Sozialpolitik und innere Sicherheit sind politische Handlungsfelder, auf denen die centrodestra-Regierung aktiv ist. Weitgehend ineffektiv allerdings war Meloni bisher, was die Eindämmung der illegalen Migration anbelangt. Vor mehr als einem Jahr hat der damalige Premier Draghi bereits festgestellt, dass für Italien die Belastungsgrenze erreicht sei. Er bezog sich auf eine Zahl von 40.000 Ankömmlingen; am 16.8. dieses Jahres lag die Zahl der registrierten Migranten bei 101.386. Am 12.9. wurde ein Tagesrekord auf Lampedusa aufgestellt: 5.000 Migranten an einem Tag, die Boote standen vor dem Hafen Schlange, weil die Abfertigung überlastet war. Um die massiven Proteste auf der Insel zu dämpfen, hat die Regierung auf die Schnelle 45 Millionen Euro für Infrastrukturmaßnahmen genehmigt.

Es gab bisher die üblichen Ersatz- und Pseudolösungen wie vermehrte Hilfe für die Herkunftsländer der Migranten, Rückführungen oder ein Verteilverfahren in Europa. Wer auch immer glaubt, damit auch nur einen Migrationswilligen von seinem Vorhaben abzubringen, lebt politisch nicht in dieser Welt. Das allerdings kann man Meloni nicht vorwerfen. In ihrem Buch “Io sono Giorgia”, Ich bin G., schreibt sie: “Ein Staat, der sich ernst nimmt, …sollte alles tun, was ihm möglich ist, um die illegale Masseneinwanderung zu verhindern. Dies bedeutet auch, Mauern zu bauen, wenn notwendig, oder eine Seeblockade in Kraft zu setzen.” (S. 230, eigene Übersetzung).

Meloni scheint verstanden zu haben, dass für sie die Stunde der Entscheidung gekommen ist. Der von ihr im Juni ins Werk gesetzte Plan, Tunesien finanziell zu unterstützen, mit der Auflage, die illegale Migration zu stoppen, ist bisher von der europäischen Linken erfolgreich sabotiert bzw. mit nachgeschobenen Auflagen versehen worden. Die zugesagten Gelder sind nicht geflossen. Der tunesische Ministerpräsident befreit sich nunmehr von der Last der in Tunesien auf dem Sprung stehenden Subsahara-Migranten und hat eine beispiellose Invasion ausgelöst.

Europäische Solidarität wird immer noch als Solidarität zwischen den Nationen und deren Interessen missverstanden. Tatsächlich ist diese Solidarität zu einer Kumpanei unter den politischen Lagern in Europa verkommen, eine Solidarität, die sich um die realen nationalen Interessen nicht schert. Was Brüssel und die europäische Linke am meisten fürchten, sind Erfolge der Regierung Meloni bei der Eindämmung der illegalen Migration. Ideal wäre es aus dieser Perspektive, wenn die Regierung des centrodestra, der rechten Mitte, von dieser Migrationswelle hinweggespült würde.

Meloni hat jetzt die Wahl, ob sie im Sinne ihrer Wählerschaft im italienischen Alleingang das tut, von dem sie weiß, dass es unvermeidbar ist. Oder ob sie, im Sinne des europäischen politisch-medialen Komplexes, weiterhin (europäische) Scheinlösungen propagiert. Es gibt einen Punkt, wo eben auch Milliarden aus Brüssel irrelevant werden, wenn der Konsens der eigenen Wählerschaft zusammenbricht.

Foto: Governo italiano CC BY 3.0 it via Wikimedia Commons

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Sam Lowry / 18.09.2023

@Petra Horn: Für mich leiden die von Ihnen genannten Personen an den Folgen von “MK-Ultra”...

Heinrich Bleichrodt / 18.09.2023

Meloni ist ein gekauftes U-Boot. Sie hat versagt. Sieht man in Lampedusa. Anlanden verhindern ohne wenn und aber. Ist einfach. Transportraum bereitstellen und fertig. Aber sie hat Hintermänner ... Andere Erklärungen überzeugen nicht.

Tomas Wolter / 18.09.2023

Bin zurzeit in Polen. Was für eine Wohltat!

Margit Kästner / 18.09.2023

Kaja Kallas, estnische Ministerpräsidentin, Maria Sandu, Ministerpräsidentin von Moldawien, Kaja Kallas, Ministerpräsidentin a.D. aus Finnland Giorgia Melonie, Ministerpräsidentin Italien, Annalena Baerbock dt. Außenministerin, allesamt Kriegsfalken…. von wessen Geheiß wurden sie in die Ämter katapultiert?

sybille eden / 18.09.2023

Die vereinigten Linksfaschisten der EU werden auch die Regierung Meloni zu Fall bringen. So wie sie es mit Kurz gemacht haben. Ich mache mir da keine Illusionen mehr.

W. Renner / 18.09.2023

Und noch ein Tipp an Giorgia: Wenn Leyeruschi und die bekifften Berliner weiter klemmen, dann schicke das gesamte Strandgut von Lampedusa mit dem Racketenschiff one way direkt nach Sylt! Wie bestellt, so geliefert.

Marc Jenal / 18.09.2023

@A. Nölle Richtig. Die mangelnde Rücknahmebereitschaft ist das kleinste Problem und wird diplomatisch problemlos aus der Welt geschafft mit einer Mischung aus gezieltem Druck/Belohnung direkt auf die Entscheider in den jeweiligen Rücknahmeländern. Das geht aber nur mit knallhart kalkulierenden, erfahrenen und vor allem diplomatisch (seit kurzem nicht mehr selbstverständlich) auftretenden Diplomaten, die das im Hinterzimmer regeln. Dafür kann man aber nicht eine dümmlich-tolpatschig-naiv auftretende Ministerin durch die Welt fliegen lassen, die anderen erklärt, wo sie ihre Toiletten hinstellen soll und wieder abreist, bevor die gemerkt haben, das war echt und keine versteckte Kamera. Nur damit zu Hause auch die Wähler der Schwachsinnigen ihre Vertreter in der Clown-Regierung der Vergesslichen haben.

W. Renner / 18.09.2023

Sie wird durchgreifen, auch wenn der Leyerkasten quietscht. Und das ist gut so. Als erstes bitte, das Racketenschiff festsetzen und die Piratin wegen Schlepperei und Menschenhandel einbuchten.

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