Roger Letsch / 25.09.2021 / 10:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 28 / Seite ausdrucken

Meeresspiegel steigt, Niveau sinkt

Während sich Europa auf einen Energiemangelwinter vorbereitet und auf mildes Wetter hofft, um dem flächendeckenden Blackout zu entgehen, fällt in großen Städten wie Köln freitags wieder der Unterricht aus, kaum dass er begonnen hat. Doch nicht wegen Corona und mangelnder Impfbereitschaft der Jugend, sondern wieder wegen Fridays for Future. Diesmal mit moralischer Unterstützung durch die Bundesehrensirene Karl Lauterbach.

„Kostenlose Tipps“ gaben ihm die Kinder einer IGS mit auf den Weg, handschriftlich verfasst und formuliert wie ein versteckter Hilfeschrei nach Deutsch-Nachhilfe. Doch kaum ein Politiker kann der Versuchung widerstehen, die lieben Kleinen als moralisches Glutamat zu benutzen, und den Kindern dürfte nicht klar sein, dass sie da neben einem der Architekten ihrer vorgestellten Zukunftslosigkeit stehen. Sie demonstrieren für eine Zukunft, an die sie nicht glauben, die sie aber für ihre Kinder retten wollen, obwohl sie gemäß ihrer Ideologie (Kind = CO2-Schleuder) später besser gar keine Kinder wollen sollten, die aber ohnehin nicht zustandekommen können, weil (Karl sei’s gedankt) Abstandsregeln, Masken, Klassenunterschiede (geimpft, ungeimpft) und digitale Vereinsamung alle zwischenmenschlichen Kontakte minimieren, wenn nicht sogar dämonisieren. Die ideologischen Verteidigungsmauern fallen übereinander her und bringen sich gegenseitig zu Fall.

Avantgarde einer Generation

Seit Jahren wird uns die F4F-Bewegung als Avantgarde einer Generation verkauft, die schon in jungen Jahren Verantwortung für ihre Zukunft übernommen habe, klar sehe und sich auf die wesentlichen Probleme der Menschheit konzentriere. Die Kinder wissen, was dir frommt, CO2-Emittent, höre auf die Kinder. Infantiler und gelenkter Aktionismus als Essenz des Weltgewissens, der „Zahnpaster“ durch „Zahnputztableten“ ersetzen, „Sachen aus einer Papierschachtel“ holen und dadurch den Tippempfänger „Klima neutral“ machen will. Generation „Du-kannst-alles-werden“ und „Ich-weiß-alles-besser” ist leider auch Generation „Du-musst-nur-daran-glauben“ geworden, und solange die moralische Drehzahl hoch genug ist, entfällt die Fehlerdiskussion. Alles sei „ausgerechnet“, behauptete schon Annalena Baerbock, konnte aber auch auf Nachfrage den Rechenweg nicht vorweisen. Nicht mal auf einem Zettel. Wo Moral Hof hält, darf die Mathematik schweigen.

Nun dürfen Kinder auf Zettel schreiben, was immer ihnen in den Sinn kommt. Doch was ist von Politikern zu halten, die daraus Legitimität zu saugen versuchen und sich eitel in den Verwirrungen spiegeln, die sie in die Köpfe dieser Kinder gesenkt haben? Man muss sich auch fragen, ob hier die Politiker den Kindern oder die Kinder den Politikern als Vorbilder dienen.

So gesehen, passen Lauterbach und die F4F-Kinder vielleicht doch ganz gut zusammen, weil Ersterer in seiner alarmistischen Geschwätzigkeit und auch der Lächerlichkeit den „Jugend-Forscht-ein-Bisschen“ Zetteltipps der Kölner Kinder ähnelt. Was Letzteren noch fehlt – aber das wird schon noch kommen, wie das Geplapper von Frau Neubauer, der deutschen Viertelfürstin von F4F beweist – sind die vorangestellten Worte „Eine Studie hat eindeutig gezeigt…“, mit denen sich heute jede politische Diskussion wie mit islamischen Fatwas totschlagen lässt.

Imaginierte Kämpfe

Doch ich möchte die Kinder gern vom Haken lassen, schon weil sie Kinder sind. Außerdem deshalb, weil sie bei F4F und besonders durch „mitdemonstrierende“ Politiker wie Lauterbach und tertiäre Panik-Profiteure schon genug gebeutelt und vor deren Karren gespannt werden. Er gebe sein bestes, „Antworten zu finden“, schreibt Lauterbach und steht dabei unter einem Plakat, auf dem ein schmelzender Pinguin sich aus der Welt verabschiedet. Der Antarktis geht es zwar prächtig, aber solche Petitessen interessieren doch einen Politiker nicht, der sich als Multiplikator einer Gruppe Gleichgesinnter sieht, die schon das Richtige glauben – auf Details kommt es da doch gar nicht an. Ein Segen (und bitter nötig) wäre es jedoch, wenn die Kinder, statt einem geltungsbesoffenen Politiker als Geschmacksverstärker zu dienen, endlich wieder in die Schule gingen. Nicht nur in Deutsch, Biologie und Geografie gibt es Nachholbedarf, der dürfte nach einem Jahr Lockdown-Verdummung und Angstverbreitung überall bestehen.

Der kleine gelbe Zettel, den Lauterbach so stolz in die Kamera hielt, weist übrigens noch auf einen weiteren Krisengewinnler der Klimapanik hin. „Die Marke Ben u. [Jerrys]“ wird da als „Tipp“ erwähnt, und man fragt sich, wie es der Markenkapitalismus auf die Empfehlungsliste der Klimaretter schaffen konnte, wo deren Vorbeter sich die Weltrettung doch statt von der Marktwirtschaft eher von zentralistisch-planwirtschaftlicher Mangelverwaltung erhoffen. Immerhin brauchen die überteuerten Desserts jede Menge Energie bei Herstellung und Lagerung. Warum also ausgerechnet Ben & Jerrys? Wie kommt die Empfehlung zustande? Warum der kindliche Dispens ausgerechnet für solch ein Luxusprodukt, das sowas wie der SUV unter den Eiscremes ist? Nehmen die Kinder etwa die vollmundigen Klimaversprechen der Eisverkäufer für bare Münze?

Doch ein Blick auf die Internetseite der Eismacher zeigt, dass Kinder eben doch nicht per se das „dritte Auge“ haben, wenn es um die Rettung der Welt geht, sondern dass sie genauso beeinfluss- und manipulierbar sind, wie die Werbeindustrie es seit Jahren zu nutzen weiß. Im Web und in der aktuellen Imagekampagne schwindelt sich der Eisverkäufer mit der Israel-Phobie zum Vorkämpfer gegen den Klimawandel hoch und bedient sich dabei derselben phrasengesättigten Gaga-Sprache, die den Klimakindern abseits der Schulbank längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sogar im Ausdruck hat man sich auf das intellektuelle Niveau der bessereisschleckenden Kernzielgruppe hinuntergeschmolzen. Auf der Kampagnenseite von Ben & Jerrys lesen wir:

„Das Klima steigt immer weiter – und hat einen verheerenden Einfluss auf unsere Existenz.“

Das Niveau, auf dem man seine vermeintlich moralischen Pirouetten dreht, sinkt. Das Einzige was hier steigt, ist der Zuckergehalt einer Werbekampagne, mit der Ben & Jerrys die Bundestagswahl zur „Klimawahl“ hochfiedeln möchte und sich noch dazu darüber beklagt, dass in Deutschland zehn Millionen Menschen (ohne deutschen Pass) nicht wählen dürfen. Solche Ungerechtigkeiten empfinden die Deutschen zwar spätestens seit der US-Wahl 2016 für sich und ihr Gewissen als unerträglich, aber ob das ungeschürfte Wählerpotenzial in Deutschland wirklich auf rot-grüne Energiediät abfährt, darf bezweifelt werden. An Magerquark und Selbstverzwergung sind hierzulande doch vor allem das Juste Milieu um Lauterbach oder Baerbock interessiert. Alle anderen kommen mit dem zucker- und fetthaltigen Ben & Jerry-Kapitalismus, der die Weltretterei professionell vermarktet und als moralische Sticker in bunte Sammelalben klebt, besser zurecht. Deshalb zieht es ja mehr Menschen nach Köln als nach Karatschi.

Für Karl Lauterbach schließt sich hier der Kreis, und wenn der von seiner Partei erst verschmähte und nun hochgefiedelte Olaf Scholz nach seiner Krönung zur klimagerechten Umgestaltung der Wirtschaft schreitet, kann der Karl dem Kanzler einen Zettel zustecken, der belegt, dass Ben & Jerrys zu den Guten gehört. Das haben ihm die Kinder verraten!

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Hans-Peter Dollhopf / 25.09.2021

Es steht tatsächlich so auf der Webseite von Ben & Jerry’s: “Das Klima steigt immer weiter”! Könnte von Baerbock geklaut sein. War Luisa, stinkreiche Erbin aus einer nazianrüchigen Millionärsfamilie, früher nicht schon mal kurz zum Eisessen nach New York gevielflogen?  Sollte die Energiewende nicht eine Kugel Eis im Monat kosten? Wie hoch mag die Parteienspende des Israelhassers Ben & Jerry’s wohl gelegen haben?

armin_ulrich / 25.09.2021

Leider ist das Häagen-Dazs, dessen Name an das Verhalten der Dänen während des Massenmords erinnern soll, wässrig.

Johann-Thomas Trattner / 25.09.2021

Wenn die Generation „Du-kannst-alles-werden“ in das Alter kommt, in dem sie merkt, dass das nicht funktioniert, was wird dann wohl passieren? ……. Und die nächste Generation räumt sie dann einfach ab.

Emmanuel Precht / 25.09.2021

„Eine Studie hat eindeutig gezeigt…“ und eine andere das Gegenteil. Wohlan…

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