Markus C. Kerber, Gastautor / 01.11.2022 / 06:00 / Foto: Imago / 61 / Seite ausdrucken

Madame Ratlos und der Bilanzbetrug auf höchstem Niveau

Der Kurswert der Anleihekaufprogramme der EZB müsste dringend nach unten korrigiert werden. Das geschieht aber nicht. Dies ist Bilanzbetrug auf höchstem Niveau. Aber die EZB ist ein notorischer Rechtsbrecher. Die Frage ist allerdings, wie lange dieses Spiel noch währen wird, ohne dass die Bürger revoltieren.

Um 14:45 Uhr am 27.10.22 versuchte die zunehmend unsicher wirkende EZB-Präsidentin Lagarde, die geldpolitische Entscheidung des EZB-Rates zu erläutern, wonach alle drei Zinssätze um 0,75 Prozent erhöht werden. Diese Nicht-Nachricht – die Märkte hatten eine solche Erhöhung bereits vorweggenommen – verbirgt das immer größer werdende Problem der EZB: dass sie bei den „gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften“ (TLTRO-III) das Versprechen an die Banken, die ausgeliehenen Kredite durch besondere Entgelte zu bonifizieren, nicht länger einlösen will.

Bereits 2019, in der dritten Phase des technisch schwer verständlichen TLTRO-Geschäfts, waren Stimmen laut geworden, die angesichts der überschwappenden Liquidität eine zentrale Anreizsteuerung der Kreditvergabe durch bonifizierte Kredite der EZB ablehnten. Heute steht die EZB vor dem schwer zu kommunizierenden Problem, dass TLTRO-III für die Banken zu einer maßgeblichen Ertragsquelle geworden ist, die nunmehr abgestellt werden muss. Das von der EZB ermöglichte Geschäftsmodell war ganz einfach: Die Banken nahmen niedrigverzinslich-TLTRO Kredit auf und legten das Geld seit der Zinswende bei der EZB/Eurosystem wieder an, weil die Einlagezinsen dort 0,5 Prozent betrugen. Diese windfall profits – von Madame Lagarde lange Zeit gar nicht entdeckt – wurden zunehmend von der Fachöffentlichkeit problematisiert.

Während also die EZB-Chefin in Sommer-Interviews bei Boulevard-Medien über kulturelle Diversität und ihren Glauben an die Menschen räsonierte, nahmen sich die sachkundigeren Mitarbeiter ihres Haus der TLTRO-Gefahrenlage an. In der Pressekonferenz am 27.10. im Nachgang zum EZB-Rat wollten die Entscheider innerhalb der EZB Madame Lagarde mit Erklärung des TLTRO-Kurswechsel nicht überfordern. Daher wurde kurz nach der Konferenz das Ende des TLTRO-Programms in der gegenwärtigen Form als „technische Erklärung zur Rekalibrierung“ veröffentlicht.

Wie lange wird dieses Spiel noch währen?

Ganz und gar unverständlich sind die Entscheidungen zur Fortführung der Wiederanlage der Anleihenkaufprogramme, die dreistellige Milliardenbeträge in die Bilanzen der Banken spült und den Markt mit Liquidität zu einem Zeitpunkt flutet, in dem liquiditätsabsorbierende Maßnahmen angesichts der Inflationsrate von über 10 Prozent für Oktober angemessen wären. Auch hier steht die EZB im Widerspruch zur Realität und vermag ihrer Rechtfertigungspflicht nicht nachzukommen. 

Das entscheidende Problem der EZB bleibt natürlich bei den dilettantischen Erklärungen von Frau Lagarde unerwähnt. Durch die jetzt folgenden Zinserhöhungen mindert sich der Kurswert der etwa 5 Billionen betragenden Anleihen im Euro-System. Bei einer Wertminderung von schätzungsweise 400 Milliarden Euro pro einem Prozentpunkt zusätzlicher Zinsen müsste die EZB beziehungsweise das Euro-System erhebliche Verluste ausweisen, die sogar die Eigenkapitaldecke der nationalen Zentralbanken – ganz zu schweigen von der eigenen Kapitaldecke – aufzehren. Hierüber verliert Frau Lagarde kein Wort, denn die EZB hat sich selbst ermächtigt, die einmal erworbenen Anleihen zum historischen Anschaffungskurs in Zukunft fortzuführen.

Dies ist Bilanzbetrug auf höchstem Niveau. Aber die EZB ist nicht nur ein souveräner Diktator, sondern auch ein notorischer Rechtsbrecher. Die Frage ist allerdings, wie lange dieses Spiel noch währen wird, ohne dass die Bürger revoltieren. Denn die Notenbanken gehören dem jeweiligen Volk, nicht anonymen Technokraten in Brüssel. Dies gilt auch für die Bundesbank. Dr. Joachim Nagel, ihr Präsident, sollte sich schnellsten daran erinnern. 

Foto: Imago

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Leserpost

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Steffen Huebner / 01.11.2022

Unlösbar: Einerseits müssten die Zinsen durch die EZB mindestens auf das Niveau der Inflation angehoben werden, um diese in den Griff zu bekommen - am besten sogar noch etwas darüber. Das lässt sich nicht durchsetzen. Dann wäre Lateineuropa pleite und die Konjunktor stürzte ab.  Belässt man die Zinsen aber auf dem derzeitigen Niveau bzw. unter der Inflationsrate, dann wiederholt sich 1923. Die Rechnung wird fällig: Pest oder Cholera ist die Qual der Wahl. Target 2 = 1,2 Billionen deutsche Wirtschaftsleistung können endgültig abschrieben werden = verschenkt gegen Nichts. Hätten wir lieber mehr Urlaub gemacht, statt Exportüberschüsse…

Thomin Weller / 01.11.2022

@Markus Knorr “Dann kann ich auch davon ausgehen, dass mein 10 Jahre altes Auto immer noch so viel wert ist wie am ersten Tag.” Es geht noch besser, ihr 10 Jahre altes Auto verdoppelt seinen Wert. Die Magna Carta ermöglichte eine demokratische Mitbestimmung neben dem Königshäusern, Grundvoraussetzung war Domestizierung und im Grundbuchamt eingetragen. Damit zahlte man für die “demokratische” Mitbestimmung. Heute nennt sich das Lebensmittelpunkt. Ohne dem kein Kredit, Leasing etc. Analog zum altem Auto, dass einzig was in dieser gigantischen Betrugsökonomie immer wertvoller wird, ist die Immobilie obwohl nichts, absolut nichts verändert wurde. Jeder Mieter müsste normalerweise jedes Jahr weniger Miete zahlen! Solche Gedanken, Inhalte sind Teufelszeug, Blasphemie. Beton Brut, die betonierte Würfehustenarchitektur in den Großstädten wird es zukünftig zeigen. Haltbarkeit maximal 50 Jahre. Genau so spekuliert die Hochfinanz und aktuell mit Turbo die grüne Pest, SPD. Die Folgen der Grundsteuerreform wird noch lustig.

Thomas Brox / 01.11.2022

Die TLTRO-Programme wurden installiert, um die ruinösen Folgen der kriminellen EZB Politik für die (privaten) Geschäftsbanken abzumildern. Das inflationäre Gelddrucken der EZB bei gleichzeitig erzwungenem Leitzins von Null hat das übliche Geschäftsmodell der Banken (Geld gegen Zinsen zu verleihen) in Schwierigkeiten gebracht. Laut NZZ funktioniert TLTRO so: Die Banken können sich langfristig sehr günstig Geld von der EZB leihen und es sehr kurzfristig zu höheren Zinsen wieder bei der EZB anlegen, siehe [NZZ: Zufallsgewinne in Milliardenhöhe – Europas Grossbanken profitieren von üppigen Geschenken der EZB]. ++ Der Betrug der EZB besteht in dem inflationären Gelddrucken zur Staatsfinanzierung (Aufkauf von Staatsanleihen) bei einem gleichzeitig viel zu niedrigen Leitzins. Z.B. entsprach 2020 das Volumen der von der EZB gekauften Euro-Staatsanleihen 95,5% der neu ausgegebenen Schuldtitel der Euro-Mitgliedsländer. Zwischen 2015 und Anfang 2022 hat die EZB für 5050 Milliarden Euro Geld “gedruckt”, fast ausschließlich zum Aufkauf von Staatsanleihen. Ein gigantischer Raubzug am wertschöpfenden (oder ehemals wertschöpfenden) Bürgertum. Gewinner sind die aufgeblähten, parasitären Staatsapparate (z.B. Beamtenapparate, Pensionäre) inclusive der unfähigen Planwirtschaft des EU-Beamtenapparats (z.B. Green Deal, Next Generation EU), und monströse, parasitäre Sozial-Asyl-Öko-Sektoren (Korrumpieren von Wählern). ++ “Ganz und gar unverständlich sind die Entscheidungen zur Fortführung der Wiederanlage der Anleihenkaufprogramme, ... ” Das Aufkaufen von Staatsanleihen mit frisch “gedruckten” Geld geht unvermindert weiter (Programm TPI). Die Bilanzsumme der EZB, die mittlerweile 65% des BIP der Eurozone erreicht, wird NICHT reduziert, sondern steigt weiter. Der Raubzug am produktiven Bürgertum geht weiter. ++ Die amtliche(!) Euro-Inflationsrate ist auf 10,7% gestiegen, die reale Inflationsrate ist viel höher. Zum Vergleich: Japan 3%, Schweiz 3,3%, China 2,2%.

Timo Leary / 01.11.2022

Die Zentralbanken gehören dem Volk? Wer glaubt denn so etwas. Die Schweizer Nationalbank ist zur Hälfte im Privatbesitz und die US-FED zu 100%. Die EZB gehört niemandem so recht - offiziell den nationalen Zentralbanken des EURO-Raumes.

Bernhard Ferdinand / 01.11.2022

Die Bürger werden nie revoltieren, denen kann man alles erzählen und ihnen “gehört” auch keine Notenbank. Die Fiskal- und die Monetärpolitik gehört inzwischen nach Brüssel und ist in den Händen der dort regierenden unkontrollierten Apparatschik. Die ECB in Frankfurt mit ihrer vorbestraften Chefin führt aus, z.B. den “Corona-Wiederaufbaufonds”, den sollen noch die UrUrUrEnkel abzahlen! Revoltieren werden aber sehr bald die internationalen Finanzjongleure und Rohstoffverkäufer, denn die wissen, dass der € nicht nur “out of thin air” ist, sondern nur noch “hot air” ist, den man als Zahlungsmittel höchst ungern akzeptieren wird, und wenn doch, dann mit saftigem Preisaufschlag - soviel zur Wahnsinnsidee price cap auf Gas und Öl. Nix gibt’s, das internationale Kapital wandert schon lange aus EU ab, angespornt auch durch die Zinspolitik der FED. Aber jeder richtige Kapitalist war extrem davon beeindruckt, wie widerstandslos und ohne ein winziges Wimmern die EU, vor allem deren ökonomische Pfeiler, Deutschland, sich das ökonomischen Fundament der Pipeline haben wegbomben lassen, und sich ihrem Schicksal ergeben. Die Europäer sind lasch, schwach, hilflos, desorientiert, im Endstadium autodestruktiv, die Energie und das Gas ist verpufft. dorthin fließt kein ausländisches Kapital mehr. Der europäische future value wird Mangel sein, uncontrolled demolition, Abriss statt Prosperität. Und je mehr money durch die ECB geschaffen werden muss, um die Transferleistungen der europäischen Staaten zu finanzieren, desto wertloser wird es - ein Teufelskreis.

Ulrich Bohl / 01.11.2022

Die EZB ist lediglich Erfüllungsgehilfin der EU-Kommission. Der Bürger ist lästige Nebensache. Die von niemand gewählte U.v.d.Leyen agiert in Gutsherrenart. Die Situation in der diese EU geschaffen wurde zwingt zum Weitermachen damit das Kartenhaus nicht zu schnell zusammenfällt. Neben den vom Verfasser genannten Problemen ist die Weichwährung Euro ein weiteres Problem. Das Ver- sprechen der Euro wird so hart wie die D-Mark konnte nicht funktionieren bei der wirtschaftlichen Ungleichheit in der EU. Alles was gemacht wird ist nicht im Interesse der Bürger sondern nur Lebenselixier für die Politiker die ihre kapitalen Fehler nie zugeben werden. Das ist Demokratie wie sie sich Politiker wünschen, der Bürger kann sie sich im eigenen Interessse nicht wünschen.

Roland Müller / 01.11.2022

Die Bürger revoltieren erst dann, wenn sie so tief im Dreck stecken, dass sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskommen.  Bis dahin halten sie jeden Missstand und jedes Chaos für das Problem von anderen. Und selbst dann lassen sie sich nach dem Vorbild der Nazis einen Unbeteiligten als Sündenbock verführen, weil eigenständiges Denken nicht zu den verbreiteten Stärken in Deutschland gehört.

Gerhard Schweickhardt / 01.11.2022

Der Dumm Michel schaut der Vernichtung seines Sparvermögens sei Jahren zu. Sollte er aufmucken steht schon die BW und GSG9 und Polizei parat, Sieht BVerG Harbarth die Möglichkeit Oppositionelles zu erschießen? Ist das wahr, sollte es zum Bürgerkrieg kommen?

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