Ich kann nicht sagen, was mich heimlich davon überzeugt sein lässt, “der Autor” sei im tiefen Inneren eine Autorin, eine Altlinke obendrein. Dafür, wie das Bedürfnis nach Kult zustande kommt, ist doch der Prof. Wolf zuständig. Kult ist der evolutionäre Einstieg in die Kultur. Es ist beileibe nichts, was dem Menschen mit seinem hoch entwickelten Gehirn vorbehalten ist. Jahrelang habe ich gewöhnliche Ameisen bei kultartigen Bestattungsprozeduren beobachtet, wie sie ihre Verstorbenen an einen bestimmten Ort schleppen. Meterweit, oft in die Nähe zu Spalten oder Löchern, die in die Tiefe der häuslichen Fundamente führen, aus denen in der Nacht gespenstige Kleinlebewesen heraufsteigen, Spinnen, Tausendfüßler, Staubläuse, Asseln, das große Krabbeln sozusagen, um die Leichen zu beseitigen oder die letzten nährenden Bestandteile aus ihnen heraus zu saugen. Manche von den Bestatter-Ameisen klettern dazu mit der Leiche huckepack 20cm an einer senkrechten Steinwand nach oben, um den Körper in die dort befindlichen, kaum sichtbaren Gewebe von kleinen Spinnen einzuhängen. Das ist, wenn man sich in die Perspektive der kleinen Tiere hineindenkt, eine gewaltige Anstrengung. Auf diesen Friedhöfen der Ameisen liegen hunderte solche tote Körper und die Reste davon. Ich habe mich oft gefragt, warum tun die Tiere das, welchen Sinn könnte es haben? Ich vermute, dieser Kult verhindert, dass Leichen von toten Ameisen im Ameisenbau die Vertilger dieser Reste anlocken. Ich nenne es Kult, weil die Kulte der Menschen letztlich auch nur selten für logische Erklärungsversuche taugen. Wer am Kult teilhat, er gehört auch zur Gemeinschaft, wer über den Bischof mit seinem Räuchertopf lacht, der gehört nicht dazu, so einfach ist es. Andere Interessierte haben sicher noch andere Beispiele.
Cora Stephans “Betroffenheitskult” steht hier seit 1993 – immer wieder mal gelesen – im Regal, neben anderen kritischen Titeln (u. a. Groth: “Die Diktatur der Guten”). — Das Frustrierende ist, daß kaum etwas von dem, was wir heute erleben, sich nicht schon vor Jahrzehnten angekündigt hätte. Nur ist die Masse derer, die es wollen oder tolerieren, einfach zu groß zur Abwehr des Unheils.
Ich kann es nicht mehr sagen, bei wem ich es gelesen habe, ich zitiere es dennoch: Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz, wer mit 40 noch links ist, hat keinen Verstand. Wir wollen, sollen nicht erwachsen werden.
Die 68er und dann die Grünen der 80er beklagten das Fehlen von Empathie in der Politik und innerhalb der Gesellschaft ganz allgemein. Diese Empathie, sie ist mittlerweile angekommen. Und das mit Zuschlag, man könnte meinen, überproportioniert. Sie ist mehr als nur salonfähig geworden. Wenn es nicht mit Gefühl zugeht, zählt es nicht. Gefühle über alles. Ich lieb dich und du liebst mich. Rationalität? Von gestern. Total rechts. Vollkommen ewiggestrig. Flower-Power allgegenwärtig. Lass uns kuscheln. In Gesellschaft und Politik. Zumindest auf der Oberfläche. Fürs Gemüt. Was hinter dem Vorhang passiert, darüber reden wir nicht. Ach, ich bin so betroffen …
Mit dem Betroffenheitskult kann man ja so wunderschön uns Europäern das Geld aus der Tasche ziehen. Stichwort Unterentwickelte Länder: diese führen diesen Zustand immer noch auf den Kolonialismus zurück, hatten sie den nicht 50 -60 Jahre Zeit sich zu entwickeln, ihre politischen Systeme in Ordnung bringen. Stichwort Klimaflüchtlinge: Redet da irgendeiner mal über die exorbitant hohe Geburtenrate in gewissen Ländern? Die jungen Leute sind ja regelrecht gezwungen auszuwandern, haben doch in ihren Heimatländern keine Chance einen Job zu kriegen.
Ich kenne zwar das Buch “Der Betroffenheitskult. Eine politische Sittengeschichte”” nicht, aber der Diagnose der Autorin C.Stephan stimme ich zu und kann mich sogar tlw. damit identifizieren. Ich bin gegen Krieg, gegen Faschismus und gegen die Dauerbesetzung unseres Landes durch “angebliche Freunde” - nur betroffen bin ich nicht. Dies hat aber nichts mit Gleichgültigkeit oder Gefühlskälte zu tun, sondern ist mehr der Erfahrung einiger Lebensjahrzehnte geschuldet. Das beste Beispiel zeigten die von der Flut betroffenen Bewohner des Ahrtals - wer hat diese Leute im Stich und bis heute hängen lassen und wie haben sie dann im September 2021 gewählt ? Die meisten lernen es einfach nicht, nicht mal aus Katastrophen. Würde nächsten Monat die Ampelregierung platzen, würden die meisten Schwarz/Grün wählen. Jede Wette. Wie ganz zu Anfang im Artikel ausgeführt, “alter Wein in neuen Schläuchen.”
Die zentrale Aussage ist: “...fehlte es der BRD an nationaler Identität.” Die dringend gebotene Forderung lautet “mehr Nationalismus wagen”. Leider gilt bereits das Aussprechen des Wortes “Nationalismus” als Gotteslästerung. Erstens der Zusammenhalt in der Familie und zweitens der Zusammenhalt als Nation könnte die ausufernde Dekadenz beenden. Beides gilt aber als rechtsextrem.
„Betroffenheitskult“ wurde mittlerweile verfeinert in “Schuldkult” . Schuld lädt schon auf sich , wer Nebenstehende nicht sofort zurechtscholzt oder auf sein Demonstrationsrecht verzichtet aufgrund Aluhutalarm . Mündet dann in Jakobinismus und endet im Guillotinismus .
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