Bernd Zeller / 12.12.2009 / 22:02 / 0 / Seite ausdrucken

Kriterium der Verlogenheit

Perlentaucher verweist gestern auf die Süddeutsche Zeitung: Die Schweiz, findet der Publizist Navid Kermani in seinem Feuilleton-Aufmacher zum Minarettverbot, hat ein Fundamentalistenproblem. Aber kein islamisches: „Wenn die größte und dank ihres Vormanns auch finanzstärkste Partei der Schweiz mit Plakaten wirbt, die die Bildersprache des Stürmers explizit aufgreifen, wenn sie auf ihre offizielle Internetseite ein Online-Spiel stellt, bei dem man Imame abschießen kann, wenn ehemals liberale Blätter die Argumentationsstruktur und manche Stereotypen der nationalsozialistischen Propaganda auf Muslime anwenden, wird klar, dass nicht nur der Islam ein Problem mit Hasspredigern hat. Die westliche Spielart des Fundamentalismus als einer kulturellen statt religiösen oder ethnischen Ideologisierung ist zu einer innereuropäischen Herausforderung geworden, wie das Erstarken rechtspopulistischer Parteien auch in Ländern wie Österreich, Italien, Dänemark oder den Niederlanden zeigt.“
Stöhn. Hat aber gedauert, bis die Süddeutsche den Aufmacherplatz freigemacht hat für das Konglomerat geprantlter Versatzstücke, die offenbar immer noch nicht automatisch zu einem Text montiert werden können, sondern erst noch von einem Autor mit Kompetenzherkunft gezimmert werden müssen. Doch den Text als geistlosen Schwachsinn abzutun, wäre verfehlt; er ist

schlichtweg verlogen. Es ist das gute Recht der Süddeutschen, ihre Leser zu verblöden, aber man hat nicht das Recht, sich anlügen zu lassen.
Die Verlogenheit eines solchen Textes ist genau dann gegeben, wenn der Verfasser nicht die Erwiderung einer Auffassung liefert mit unberücksichtigen Fakten oder besseren Schlussfolgerungen, sondern gegenrechnet und Motive behauptet, die der angegriffenen Auffassung zugrunde liegen sollen, weshalb sie nicht mehr widerlegt zu werden bräuchte, üblicherweise: Fundamentalismus gibt es auch auf der Gegenseite und da ist er rassistisch, wogegen der angewandte Islam nichts mit dem Islam zu tun hat.
Den Lesern der Süddeutschen Zeitung kann man das verkaufen, die sind froh, sich nicht anstrengen zu müssen, was sie müssten, wenn die Sache anders wäre als im Feuilleton propagiert.
Nicht verlogen wäre es zu sagen: Wir überlassen die Islamkritik nicht den Rassenfeinden – ohne rassistische Motivation bleiben folgende Probleme des Islam, welche folgendermaßen anzugehen sind. Fundamentalismus gibt es hier wie dort, und dieses tue ich dagegen auf islamischer Seite. Ehrenmord hat nichts mit Islam zu tun, und ich mache diese These unter den Moslems bekannt. Die Taliban legen den Koran falsch aus, wovon sie auf folgende Weise abzubringen sind. Osama bin Laden ist nicht unser Mann, und wir hören auf, Terroristen und subhumane Mörder wie Samir Kuntar als Freiheitskämpfer zu feiern.
Geht nicht? Dann eben nicht, aber dann kann von Fundamentalismus westlicherseits nicht die Rede sein, wenn die Süddeutsche so was groß ’rausbringt. Fundamental ist nur die Dummheit, diesen Widerspruch nicht bemerken zu wollen.
Man möchte nur gern die Gesichter der SZ-Leser sehen, wenn sie erfahren, dass sie als Antirassisten die Islamkritik an sich ziehen müssen.

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