Peter Grimm / 07.05.2024 / 10:00 / Foto: Pixabay / 55 / Seite ausdrucken

Warten auf das deutsche Wohnungs-Wunder

Die Zahl der Wohnungssuchenden wächst und wächst, die Zahl neu gebauter Wohnungen sinkt und sinkt – da verspricht die Regierung, die Wohnungsnot bis 2030 zu überwinden. Wie? Mit neuen Verwaltungen.

Ich bin ja kein Freund billiger DDR-Vergleiche, doch in meinen Gedanken kann auch ich bei mancher aktuellen Nachricht nicht vermeiden, dass mir eine Erinnerung an den längst verblichenen SED-Staat in den Sinn kommt. Beispielsweise wenn mir der Pressedienst des Deutschen Bundestags folgende Überschrift präsentiert: „Wohnungslosigkeit soll bis 2030 überwunden werden“.

Sofort kam mir in den Sinn, von welchen Verheißungen der SED-Politik ich als Heranwachsender so in der Schule hörte. In den siebziger Jahren hieß es nämlich, dass mit dem neuen Wohnungsbauprogramm der DDR das Wohnungsproblem bis 1990 gelöst würde. In den achtziger Jahren relativierte die SED das Versprechen etwas und sprach von der Lösung des Wohnungsproblems als sozialem Problem. Stattdessen wurde bekanntlich rechtzeitig zum Jahr 1990 das Problem der SED-Herrschaft gelöst. Bis dahin hatten die sozialistischen Stadtplaner viele neue Plattenbauviertel entstehen lassen, gaben allerdings Altstädte und Altbauviertel gleichzeitig großflächig dem Verfall preis. Deshalb konnte es mit der Lösung des Wohnungsproblems nichts werden.

Natürlich ist heute alles ganz anders, also auf eine ganz andere Weise absurd. Der Wohnungsmangel hat ein etwas anderes Gesicht. Es wird eine anscheinend stets wachsende Zahl von Menschen angelockt, sich hierzulande anzusiedeln und deutsche Sozialleistungen zu genießen. Die treffen auf einen Wohnungsmarkt, auf dem eigentlich nur Top-Verdiener ohne nennenswerte Probleme eine neue Wohnung finden können. Die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte deshalb schon vor geraumer Zeit festgestellt, dass 400.000 Wohnungen jährlich neu gebaut werden müssten, um irgendwann Abhilfe bei der Wohnungsnot zu schaffen. Dieses Ziel wird aber bei Weitem nicht erreicht, stattdessen erreicht der Wohnungsneubau neue Tiefststände. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie soll davon ausgehen, dass im laufenden Jahr nur 220.000 bis 230.000 Wohnungen fertiggestellt werden.

In sechs Jahren ohne Obdachlose?

Der Zuwachs an Menschen, die hier eine Wohnung bekommen möchten, hält hingegen ungebremst an, und diese Regierung scheint auch nicht willens, ihn zu drosseln. Da mutet es schon etwas verwegen an, wenn gestern auf der Website des Bundestags zu lesen war:

Bund, Länder, Kommunen und alle weiteren Beteiligten wollen gemeinsam daran arbeiten, dass jede wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Person bis 2030 ein passendes Wohnungsangebot erhält. Dies sieht der von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/11200) vorgelegte Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit 2024 vor.“

Also in sechs Jahren soll es in Deutschland keine Wohnungs- und Obdachlosen mehr geben, obwohl deren Zahl gerade stetig wächst? Wie macht das die Genossin Geywitz? Oder gibt es andere Experten, die sich darum kümmern, dass Deutschland in sechs Jahren ein Wohnungs-Wunder erlebt? Offenbar, denn in der Bundestags-Mitteilung heißt es weiter:

Zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit wird die Bundesregierung als gemeinsames Dach ein Nationales Forum gegen Wohnungslosigkeit einrichten. In dem Nationalen Forum werden Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände sowie interessierte Institutionen an der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans arbeiten. Auf Bundesebene soll zudem beim Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Kompetenzstelle zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit eingerichtet werden. Damit werde das Ziel verbunden, mittelfristig eine bundeseigene Institution gegen Wohnungslosigkeit zu etablieren. Der Lenkungskreis des Nationalen Forums Wohnungslosigkeit soll über Jahresprogramme beraten, die sich aus den Leitlinien des Nationalen Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit und den Beiträgen der beteiligten Akteure ergeben.“

Also es werden zwar nicht gleich mehr Wohnungen gebaut, aber ein „Nationales Forum“ gegründet und in einem Bundesamt eine neue Kompetenzstelle eingerichtet, um „mittelfristig“ eine neue „Institution gegen Wohnungslosigkeit zu etablieren“. Der Wohnungsmangel wird also zunächst viel besser verwaltet als bisher. Und die Verwaltung soll natürlich über mehr Möglichkeiten zur Lösung des Wohnungsproblems nachdenken, als nur über den schnöden Wohnungsneubau.

„Alle angemessenen und verhältnismäßigen Maßnahmen vom Wohnungsbau bis zur Akquise von Wohnungen müssten dazu beitragen. Bund, Länder und Kommunen sollen prüfen, ob die Bestimmungen ihrer Wohnraumförderung die Zielgruppe der wohnungslosen Menschen ausreichend berücksichtige. Als wichtiger Bestandteil der lokalen Hilfe- und Unterstützungssysteme werden spezialisierte Präventionsstellen genannt – wie zum Beispiel kommunale Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, die es bereits in zahlreichen Kommunen gebe. Mit Wohngeld und anderen Leistungen würden zudem Maßnahmen der frühen Prävention bestehen.

Dass es nun der künftigen „Institution gegen Wohnungslosigkeit“ gelingen wird, die Wohnungsnot in sechs Jahren wegzuverwalten, ist unwahrscheinlich. Aber das ist ja auch nicht so wichtig, denn die Politiker, die jetzt den „Nationalen Aktionsplan“ beschlossen haben, werden bis dahin sicher nicht mehr in ihren Ämtern sein.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 07.05.2024

@ Roland Müller - “weil die Zuwanderungswelle deutlich größer ist.” - In Süditalien, Regionen Spaniens und des ländlichen Frankreichs sollen ganze Dörfer verlassen sein und leer stehen. Also einfach die ankommenden Ströme dorthin umleiten, ein Brüsseler Organissationsproblem, nicht mehr und nicht weniger. Ich würde selbiges mit einem Federstrich entsprechend lösen, also her mit dem EU-Lukrativ-Job. Und wem es nicht paßt - er weiß doch, wo er herkommt.

Wolfgang Richter / 07.05.2024

“Mit neuen Verwaltungen.” - Ist schon mal einer der politisch Verantwortlichen danach gefragt worden, daß er bitte belegen möge, daß weltweit auch nur ein “Verwaltungshansel” auch nur 1 Quadratmeter Wohnraum erstellt hat? Ein weiteres Beschäftigungsprogramm für ansonsten “unbrauchbare” Parteihanseln und Freunde, nicht mehr und nicht weniger. Und sehr schön in meiner direkten Nachbarschaft zu sehen, wo die Gemeindehanseln zum Erstellen dringend benötigter Sozialwohnungen den Bebauungsplan nach allen Regeln der Kunst verbogen haben. Und nachdem der Bau steht - oh Wunder - keine einzige Sozialwohnung, die Mieten höher als im umliegenden “Altbestand” und nebenbei noch 2 Doppelhäuser erstellt. Und das von den selben Leuten zu verantworten, die beim “Eigenheimer” nebenan die Vorschriften milimetergenau “beachten”. Und wer dann über selbige den berühmten “dicken Hals” bekommt und sich ihnen gegenüber nicht “netiquette-mäßig” äußert,  darf dann auch noch ggf. wegen “Beleidigung” dieser dann Sensibelchen beim Kadi antreten. Und für ein solches Land soll man sich noch einsetzten? Die Antwort gibt die Frage vor. Weder hier vor Ort noch irgendwo im Osten.

Roland Völlmer / 07.05.2024

Je weniger Politiker von einer Materie verstehen, um so mehr lässt sich versprechen. Und je mehr sie versprechen, um so mehr Stimmen bekommen sie. So lange bis 1989 wieder kommt.

Horst Jungsbluth / 07.05.2024

Wohungsprobleme werden von unseren ach so sauberren Politikern entweder nur behauptet oder selbst durch falsche Massnahmen oder unterlassene Massnahmen verursacht. Wir Berliner haben schlimme Erfahrung damit, aber leider sind die Medien wie eigentlich immer, wieder einmal auf der falschen Seite. Damals, nämlich 1989 wurde die Wohnungsnot aus krimineller Eingebung nur behauptet, ich habe das bereits oft beschrieben und die AL (Grüne) forderte als Senatspartei die sofortige Einstellung des Flugverkehrs vom Flughafen Tempelhof, die   Bebauung mit Wohnungen und Verhandlungen mit der DDR aufzunehmen, um den Flugverkehr nach Westberlin über den DDR-Flughafen Schönefeld abzuwicklen. Jetzt ist das Tempelhofer Feld eine innerstädtische Öde mit drei Schnellbahnlinien erreichbar und die gleiche Partei hat den Volksentscheid aktiv unterstützt,  dass dort k e i n e Wohnungen gebaut werden dürfen. Auch das ist nicht neu, denn damals hat man zwar die nicht existierende Wohnungsnot hysterisch beklagt, aber Bauwilligen einschließlich Genossenschaften die Baugenehmigungen versagt. In Kreuzberg wurden gar Bauwilligen mit Morddrohungen davon abgehalten, was die grüne Baustadträtin als “Bubenstreiche” abgetan hat. Was muss in diesem Land eigentlich noch passieren, damit endlich etwas passiert?

gerhard giesemann / 07.05.2024

@Bernd Sch.: Wenn die Impfe wenigstens dazu taugte ... . Aber nicht mal das, porca ... .

gerhard giesemann / 07.05.2024

Der Nachschub aus dem globalen Süden ist schier unerschöpflich, nicht zuletzt auch wegen “Kinderehen” beim XY. Obwohl jedes Jahr ein Fürth (das bei Nürnberg) hinzu kommt, scheinen die Wohnungen nicht zu reichen, Porca miseria. Fasse es, wer kann.

Roland Müller / 07.05.2024

Auch 400.000 Wohnungen jährlich sind definitiv zu wenig, weil die Zuwanderungswelle deutlich größer ist.

L. Luhmann / 07.05.2024

@“Günter H. Probst / 07.05.2024 Diese ganzen Pläne sind nur noch lächerlich. Die europäische, und schon gar nicht die deutsche Politik, hat keinen Zugriff auf das Wachstum der Bevölkerung in den armen Staaten und die dadurch ausgelöste verstärkte Zuwanderung. In den nächsten 6 Jahren wird die Weltbevolkerung um 400 Millionen Menschen wachsen, davon werden mindestens 3 % in D landen.(...)” - In online abrufbaren Artikeln der UNO sind für verschiedene Länder verschiedene Szenarien hinsichtlich der zukünftigen möglichen Bevölkerungszahlen entworfen worden. Wenn ich mich recht entsinne, dann könnte Deutschland im extremsten Szenario über 200.000.000 millionen Migranten zusätzlich aufnehmen.

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