Ulli Kulke / 15.01.2020 / 06:17 / 135 / Seite ausdrucken

“Klimahysterie” Unwort des Jahres? – Die verflixten 13!

Gut einen Monat hat die Menschheit noch – dann ist alles zu spät, der Weltuntergang nicht mehr abzuwenden. Tschüss, schöne Erde. Das Datum steht fest: 23. Februar 2020. Offiziell verkündet von der Bild-Zeitung am 23. Februar 2007, vor dreizehn Jahren. Da zog sich nämlich eine große Schlagzeile über die ganze Titelseite: „Wir haben nur noch 13 Jahre… ...um die Erde zu retten.“  Im Beitrag hieß es dann: „Es bleiben nur noch 13 Jahre, um die Erde vor der Klimakatastrophe zu retten!“ Das enthülle der „noch geheime zweite Teil des UN-Klimareports“, und der solle dann im Mai 2007 auf der Weltklimakonferenz in Bangkok verabschiedet werden.

Der Report war offenbar so geheim, dass nicht einmal die Bild-Zeitung ihren Inhalt kannte, bevor sie Star-Schreiber Paul C. Martin damals auf das Thema ansetzte. In dem Papier selbst stand dann nämlich, dass die CO2-Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 weltweit halbiert werden müssen, um den Klimawandel in einem beherrschbaren Rahmen zu halten, ähnlich wie man das heute sieht. Auch wenn es sich salopp anhört, so kann man deshalb das Urteil der Wissenschaftler im Vergleich zum Bild-Szenario auch so bezeichnen: Alles halb so wild. Aber 2050, hätte das jemand von den Bild-Lesern interessiert? Nein, dann doch lieber „in 13 Jahren“. Die Dreizehn auch noch als Unglückzahl. Und 2020 war ja auch so schön nahe, das Blatt sollte sich ja verkaufen. Jetzt ist es so weit.

Nun könnte man eigentlich mit Fug und Recht den Tonfall der Bild-Zeitung als hysterisch bezeichnen, ja als Klimahysterie. Aber das geht seit Dienstag nicht mehr. Die von den allermeisten Medien des Landes als offiziös angesehene Jury für das „Unwort des Jahres“ hat verkündet: Ihr Unwort des Jahres lautet Klimahysterie. Als habe sie die Bild-Headline von damals auf Wiedervorlage gehabt, und gerade noch rechtzeitig einen Riegel davorschieben wollen. Nein, nicht vor den Weltuntergang, sondern davor, dass jetzt, zum großen Jubiläum dieser Schlagzeile – die schließlich landauf, landab aufgrund ihrer kompletten Haltlosigkeit eingerahmt an vielen Wänden hängt – jemand auf die Idee käme, das Naheliegendste festzustellen: „Ein klarer Fall von Klimahysterie“.

Das Kampfmittel der Klimahysterie

Übrigens: Der Spiegel hatte es damals bereits gerochen und nur wenige Wochen nach der Bild-Zeile dieselbe als Fall – eben von „Klimahysterie“ bezeichnet, die „ansteckender zu sein scheint als eine Grippeepidemie“. Spiegel-Autor Olaf Stampf hatte dies in seine erfrischend nüchtern aufgeschriebene Titelgeschichte zum Weltklima eingebaut. Manche Erkenntnis hat sich seither weiterentwickelt, aber: Klimahysterie bleibt Klimahysterie. Zumal, wenn sie in Millionenauflage mit dem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang daherkommt.

Und es ist schon ein wenig absurd, dass aus derselben Ecke, in der jene „Unwort“-Jury jährlich tagt und bei ihrer Auswahl stets mit absoluter Gewissheit ein Wort findet, an dem sich die grün-linke Szene reibt und deren eigene Stilblüten natürlich als erstes gleich mal aussortiert – dass aus ebendieser Ecke ständig dieser Vorhalt kommt: Das im Land so stark verbreitete Gefühl, man traue sich nicht mehr, alles sagen zu können, sei völlig haltlos. Und dann das Unwort küren, fällt denen da eigentlich nichts auf? Fehlt noch, dass sie das Wort „Tabu“ einmal auf ihren Schild heben – und sie würden es immer noch nicht merken, ich wette.

Komme mir jetzt keiner mit dem Argument, dass die Medizin das Wort „Hysterie“ inzwischen meidet (auch, weil es frauenfeindlich sei). Es geht hier nicht um eine Debatte aus der Pathologie, sondern um Worte und Argumentationsmuster kerngesunder Menschen, die sich lediglich verrannt haben oder meinen, zu Taschenspielertricks greifen zu müssen. Wie bitteschön anders als „Klimahysterie“ soll ich es denn bezeichnen, wenn die grüne Claudia Roth die Inseln, die sich nachweislich aus dem Meer erheben, untergehen sieht. Oder wenn sie das Menetekel einer anstehenden Sahel-Dürre an die Wand malt, obwohl die Wissenschaft unisono das Gegenteil feststellt, nur weil es ihr einfach in den Kram passt – und sie dafür was einsetzt? Genau: Das Kampfmittel der Klimahysterie.

Es will sich keiner ein Bild machen

Und, nochmal zu der im Spiegel völlig zu recht diagnostizierten Ansteckungsgefahr der Klimahysterie: So gut wie die gesamte Presse ist sich dieser Tage darüber einig, dass die Brände in Australien natürlich ein Zeichen des Klimawandels sind. Niemand kommt auf die Idee, hierfür mal ein durchaus vertrauenswürdiges – sicher nicht „klimaskeptisches“ – Online-Lexikon nur kurz zu konsultieren. Es macht sich doch – nein, es will sich keiner ein Bild machen, wie oft und wie verheerend solche Buschbrände in Australien auch früher schon waren (vorsorglich, da das Lexikon ständig bearbeitet wird: Stand 14.1. 08.00 Uhr).

Die Veränderung des Weltklimas, ja, auch die Erwärmung, ist sichtbar und sie gibt natürlich zu berechtigter Sorge und auch Vorsorgemaßnahmen Anlass, mit Betonung auf MASS(-voll). Einfach nur verdrängen, wäre leichtfertig. Ob, inwieweit die Sorge berechtigt war, wird sich erst später zeigen. Klimahysterie hilft denen, die hier einen vernünftigen Umgang von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft anstreben, am allerwenigsten. Dafür ist das Thema viel zu komplex, deshalb wäre das unsinnige, ja widersinnige, platte Wort „Klimaleugner“ der bessere Kandidat gewesen, aber da friert erst die Südsee zu, als dass einmal ein PC-Wort auf die Liste kommt.

Eine eindimensionale, nur scheinbar unumstößliche, nicht widerspruchsfähige Sicht kann schnell auch mal kippen. Schneller als ein offener Diskurs jedenfalls.

Wer jetzt grübelt, warum die Bild-Zeitung damals diesen haltlosen Blödsinn verkündet hat: Vielleicht liegt es ja an einer ganz besonderen Liaison, die in jenen Wochen die Medienwelt überraschte, und über die die „Zeit“ berichtete: Greenpeace, WWF und BUND saßen damals gemeinsam in einem Boot – mit der Bild-Zeitung.

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Matthias Tabek / 15.01.2020

In der Tat. Wenn schon, dann wäre das absurde Wort ‘Klimaleugner’ das ideale Unwort gewesen. Allein schon deshalb, weil es immer noch als Diffamierungsmittel eingesetzt wird. An den eigenen Ansprüchen der Jury gemessen, ist die Entscheidung für “Klimahysterie” ein Skandal. Die Betreiber der Aktion erweisen sich damit keineswegs als unabhängig und vorrangig als “Vermittler öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen”. Die viel höhere “kritikwürdige Intention” von ‘Klimaleugner’ ist für jeden halbwegs sprachbewussten Menschen sinnfällig. Stichwort “lügen”/“leugnen”. “Lügenpresse” (Unwort 2014) geht, ‘Klimaleugner’ geht nicht, weil es den falschen Leute dienen würde. Die Jury hat sich eindeutig zum Erfüllungsgehilfen einer jahrelang betriebenen politischen Agenda gemacht und fördert die ungebremste Hysterie in Klimafragen.

HaJo Wolf / 15.01.2020

„ Die Veränderung des Weltklimas, ja, auch die Erwärmung, ist sichtbar und sie gibt natürlich zu berechtigter Sorge und auch Vorsorgemaßnahmen Anlass…“ So? Ist das tatsächlich so? Müssen wir uns Sorgen machen? Nein, müssen wir nicht. Klima wandelt sich, das ist völlig natürlich, zu behaupten, der Mensch hätte darauf Einfluss, ist an Hybris nicht mehr zu überbieten. Das einzige, was wir „müssen“, ist den Klimawandel nutzen und uns anpassen. Survival of the fittest. Wer behauptet, der Mensch müsse Maßnahmen ergreifen, der ölt faktisch die Hysterie.

Isael Kocsis / 15.01.2020

Gutmensch war auch einmal Unwort und hat sich trotzdem gehalten. Klimahysterie wird die Diskriminierung auch überstehen. Sie ist zu sehr einfach Fakt.

Josef Gärtner / 15.01.2020

Irgend jemand muss mir mal erklären was das eigentlich konkret immer bedeuten soll - “Welt-Untergang”.  Beinah hätte ich, einem alten Werbespruch folgend, gesagt “die Erde ist so leicht, die schwimmt sogar in Milch”.  Und dass das immer an einem einzigen konkreten Tag eintreten soll,  ist schon für mich schon erstaunlich und klingt immer nach spontanem Zerplatzen der Erdkugel oder sowas. Ach und übrigens:  Das “die Welt” (nach BILD) am 23. Februar 2020 untergeht, also das passt mir gar nicht, - da hab ich Urlaub.

Heiko Engel / 15.01.2020

Wenn nun noch „Elder statesman“ und aus meiner Sicht eher Volltrottel Josef Fischer auf dieser Seite gegen links und für Konservative Demokratie ( Plutokratie in der BRD ) schreiben würde, reichte mir der Konformismus hier. Dann weiß ich endgültig: SIE sind jetzt auch hier angekommen. Man sollte sich nicht jedem Ex - Linken an den Hals werfen und dessen neue Erkenntnisse als das verkaufen was sie nicht sind: conjunctio oppositorum. Und das gilt selbstverständlich für die andere Seite exakt genauso. Keiner komme mir hier mit Schwachköpfen und Atlantikern ala Merz und Kurz etc.. Die bringen nichts nach vorne. Irgendwann erreicht es den Punkt an dem es heuchlerisch wird. Offener Diskurs ist wünschenswert. Und das Menschen Schritte tun und verstehen, ist wunderbar. Aber den Fratzen der Unterwanderung gilt es wachsam und aufmerksam entgegen zu treten und sie geschickt an die Hand zu nehmen. Ist die Redaktion dazu in der Lage ? Sind wir so aufmerksam ? CAVE !

dr. michael kubina / 15.01.2020

Klimahysterie geht meist einher mit Vernunftphlegmatismus. Pathologisch ein komplexes System nicht mehr kommunizierender Röhren.

Bertram Scharpf / 15.01.2020

Der Superlativ reizt zum Widerspruch, hat Bismarck gesagt. Aber halt: Den darf man ja inzwischen auch nicht mehr zitieren.

Bertram Scharpf / 15.01.2020

Man sollte fairerweise dazusagen, daß die Bild sich zwischenzeitlich von der fleischgewordenen Seichtheit Diekmann getrennt hat, der vielleicht größten Katastrophe der Verlagsgeschichte.

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