Die Hunde von Tschernobyl

Als im April 1986 die Region um das Kraftwerk Tschernobyl evakuiert wurde, da durften die Haustiere nicht mitkommen. Was ist aus ihnen geworden? Wie ist es den Hunden ergangen, die dort seit 36 Jahren in verstrahlter Umgebung auf sich allein gestellt leben? Erstaunlich gut!

Nach dem Unfall wurden ca. 50.000 Bewohner aus der „Exclusion Zone“, einem Kreis von 30 km Radius um den zerstörten Reaktor herum, evakuiert, um sie vor den Auswirkungen der radioaktiven Strahlung in Sicherheit zu bringen. Das musste in höchster Eile geschehen, und es gab nur Raum, um das Allerwichtigste mitzunehmen. Die lieben Vierbeiner konnten nicht mitkommen; sie blieben, sich selbst überlassen, alleine zurück in der Sperrzone. Sie waren der Strahlung vom allerersten Tag an ungeschützt ausgesetzt, sie wurden dem absoluten Härtetest unterworfen. 

Was ist aus den armen Kreaturen geworden? Ein Team von Tierliebhabern hat sie kürzlich besucht und einen kurzen Film gedreht. 

Was als erstes auffällt: Sie sehen sich alle sehr ähnlich. Das sind keine Golden Retriever, keine Schäferhunde und keine Pudel mehr, man findet nur eine Mischung von alledem. Hat das die Radioaktivität aus ihnen gemacht? Hat die Strahlung die Gene gleichgeschaltet? Nein, es war der Ruf der Natur.

Immerhin sind die Tiere seit 36 Jahren auf sich allein gestellt, und es ist anzunehmen, dass Rüden und Hündinnen nach Erreichen der Pubertät, ohne die Aufsicht von Herrchen, gleich zur Sache kommen, wobei sie in puncto Rasse wohl kaum Vorurteile haben. Also sehen wir jetzt die zehnte oder zwanzigste Generation vor uns, genetisch perfekt durchgemischt und ausgesiebt nach Darwins gnadenlosem Prinzip: Survival of the fittest. Dabei herausgekommen sind ganz hübsche Kerlchen. Sie bilden jetzt die neue Rasse „Canis Czarnobyl“.

Auf das „Wie viel“ kommt es an

Wie haben die Tiere überlebt? Die Umstellung von mundgerecht serviertem Hundefutter auf die Jagd nach Ratten war nicht jedermanns Sache, und auch die mörderische Kälte im Winter, ohne Decke und warmen Kamin in Frauchens Wohnzimmer, war eine sehr harte Probe. Dazu waren im Sperrbezirk – etwa von der Größe des Saarlands – die Liquidators unterwegs, die den Tieren nicht immer freundlich gesinnt waren. Die sahen ja dem Wolf verdammt ähnlich und wurden in großer Zahl abgeschossen.

Die härtesten aber sind durchgekommen und man schätzt die heutige Population auf einige hundert Tiere, die sich in Rudeln ihres Daseins erfreuen.

Jetzt steht natürlich wie ein Elefant die Frage im Raum: Ist die radioaktive Strahlung also ungefährlich? Hätte man den Menschen die ganze Evakuierung ersparen können? Die Reporter berichten in ihrem Film ja, sie hätten keine Tiere mit zwei Köpfen gesehen oder solche, die im Dunkeln leuchten. Das ist schon mal eine erste gute Nachricht, aber schauen wir uns das genauer an.

Zunächst ein Vergleich.

Ist Elektrizität eigentlich gefährlich? Da hört man von Verbrechern, die in den USA auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet worden sind oder von Technikern, die bei der Arbeit an Überlandleitungen ums Leben kamen, und trotzdem legen wir Babys elektrische Plüschtiere mit eingebauten Batterien zum Spielen in ihre Bettchen.

Es kommt auf das „Wie viel“ an. Bei der Elektrizität ist es die Spannung, gemessen in Volt. Ein paar davon sind kaum wahrnehmbar, die 230 Volt aus der Steckdose sind unangenehm und darüber, bei Hochspannung, kann es echt gefährlich werden. Bei radioaktiver Strahlung kommt es auf die Dosis an, gemessen in „Sievert“. Wir Lebewesen dieser Erde sind einer durchschnittlichen Dosis von 2,4 Millisievert (mSv) pro Jahr ausgesetzt, die natürlichen Ursprungs ist. Die kann in bestimmten Gegenden um ein Vielfaches höher liegen, die Menschen dort sind aber deswegen nicht weniger gesund.

Hilft der Canis Czarnobyl gegen Atomangst?

Man könnte nun also die Dosis in der Sperrzone messen und mit den natürlichen Werten vergleichen, um eine potenzielle Gefährdung abzuschätzen. 

Aber das würde wenig Sinn machen, denn die Strahlung dort ist zu unterschiedlich verteilt. An Stellen, wo radioaktives Fallout vom Reaktor gelandet ist, an diesen „hot spots“, hätte man extrem hohe Strahlung, und noch dazu die Gefahr, dass solche Substanzen in den Körper aufgenommen werden. Das kommt bei natürlicher Radioaktivität nicht vor. Man kann also gar nicht von einer durchschnittlichen Dosis in der Evacuation Zone reden. 

Höchstwahrscheinlich haben Tiere radioaktiv kontaminierte Nahrung aufgenommen. Falls sie daran dann erkrankt sind, hatten sie in dieser ohnehin sehr schwierigen Umgebung keine Chance. Falls ihre Gonaden von Strahlung geschädigt wurden und sie krankhafte Veränderungen an Nachkommen weitergeben haben, dann haben die nicht überlebt. Genauere biologische Untersuchungen würden sicherlich sehr interessante Erkenntnisse darüber bringen, wie überlebbar die Strahlenbelastung war. 

Es soll an dieser Stelle aber keinesfalls bezweifelt werden, dass die Evakuierung der Bewohner notwendig war.

Das Kraftwerk in Fukushima übrigens war von anderer Bauart als das in Tschernobyl. Der Ablauf und die Folgen des Unfalls waren nicht vergleichbar. Die Evakuierung der Zone um das Kraftwerk war unnötig – und das wusste man bereits zum damaligen Zeitpunkt. Es wäre viel menschliches Leid erspart geblieben, hätte man damals logisch gehandelt.

Vielleicht hilft ja die Entdeckung des freundlichen Canis Czarnobyl dabei, die allgemeine Hysterie in Sachen Kernenergie etwas zu heilen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

 

Dr. Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig. Dieser Artikel erschien zuerst auf seinem Blog  Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Hinweis:

Empfehlenswert ist zur gleichen Thematik auch die arte-Dokumentation „Tschernobyl – Die Natur kehrt zurück“ von 2010.

Foto: Pinterest/Twitter/DeineTiere

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Leserpost

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Lucius De Geer / 07.02.2023

Wenn ich mir den Film ansehe, habe ich den Eindruck, dass diese Hunde in einer etwas heruntergekommenen, aber von Menschen belebten und in Grenzen gepflegten Großstadt leben. Wege sind frei von Laub, hier und da wächst etwas Gras aus den Fugen wie nach zwei, drei Jahren der Vernachlässigung, das war’s. In Randgebieten deutscher Großstädte sieht es nicht viel besser aus. Es gibt m.E. zwei Erklärungen dafür: 1. Die Aufnahmen sind in einer ganz normalen Stadt aufgenommen worden, oder die Region um Tschernobyl ist längst wieder besiedelt (wer sollte sich auch die Mühe machen, dieses Riesenareal bevölkerungsfrei halten?). Wer kann mich diesbezüglich erleuchten?

Gerald Pesch / 07.02.2023

Niemand in Deutschland hat offiziell ein Interesse an einer Untersuchung der Strahlung auf die Tierwelt in der Sperrzone. Das Resultat passte nicht zum Narrativ der tödlichen Strahlung, also wird das Thema nicht weiter behandelt. Man sendet statt dessen lieber eine neue Folge vom Traumschiff…..

Steffen Huebner / 07.02.2023

Die Ereignisse, vom Strahlungsausbruch bis zur Aufhebung der Rassengrenzen, hat durch den ständigen Anpassungsdruck offenbar die Evolution der Tiere beflügelt. Ob in eine Sackgasse, zum Guten oder Bösen wird sich noch herausstellen. Vielleicht können wir für unsere Experimente daraus lernen?

Ludwig Luhmann / 07.02.2023

“Das Kraftwerk in Fukushima übrigens war von anderer Bauart als das in Tschernobyl. Der Ablauf und die Folgen des Unfalls waren nicht vergleichbar.”—- Um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Unfälle beschreiben und verstehen zu können, muss man die beiden Unfälle vergleichen.

Curt Handmann / 07.02.2023

Liebe Achse, nur am Rande ... bitte nicht noch mehr Hundewerbung als man schon allerorts zu ertragen hat. Danke! Von dämlichen Viechern und noch dämlicheren “Besitzern” gibt es schon jetzt weit mehr, als es noch zu ertragen ist.

Xaver Huber / 07.02.2023

Vor jener Hunde-Dokumentation thematisierte eine andere Tiere in der Sperrzone im allgemein. Ergebnis: allen Kreaturen ging es nicht nur prächtig, sondern es gab auch Spezies, die in die von Menschen „befreite“ Zone zurückgekehrt waren. \\\ Ferner gibt es eine kurze Tagesthemen-Doku zum zwanzigsten(?) Tag der „Katastrophe“ mit einer etwa 90-jährigen Frau, die sich der Deportation widersetzt hatte. Während ihre Altersgenossen nach der Umsiedlung in den Altersheimen mehrheitlich gestorben seien, lebte sie mit der Unterstützung ihres über 60 Jahre alten Sohnes in ärmlichen („bescheidenen“), aber zufriedenen Verhältnissen seit Jahren in der Sperrzone ohne auffällige gesundheitliche Komplikationen.\\\2021 starben in Deutschland im Straßenverkehr 2.562 Menschen. Das unverantwortliche Experiment in „Tschernobly“ im April 1986 kostete direkt zirka 50 Menschenleben. Für diese Zahl „benötigt“ der deutsche Straßenverkehr eine Woche.\\\Insofern war die Evakuierung wie auch die von Fukushima allein Ausdruck von Hysterie.\\\Übrigens sind die genannten 2,4 mSv die durchschn. Strahlenbelastung in Deutschland/Europa. Insofern sollte der nachfolgende Satz unterstrichen werden.\\\ Es gibt übrigens heute Gebiete in der Schweiz, wo die wenigsten Leser aus finanziellen Gründen urlauben können, die eine höhere Strahlen“belastung“ aufweisen, als in unmittelbarer Nähe des Unglückreaktors.

Andrej Stoltz / 07.02.2023

Die werden natürlich regelmässig gefüttert. Anders ist das gar nicht zu erklären, denn wie besonders starke Jäger sehen die nicht aus. Und wenn sie von der Jagd leben müssten, dann hätten sie die Stadt auch schon längst verlassen. In der Tat sieht die Stadt sehr gepflegt aus. Wenn da 40 Jahre lang nichts mehr gemacht worden wäre, gäbe es kaum noch Zivilisationsspuren und nur noch Wildnis. Aber da ist ja sogar noch der Strassenasphalt makellos…..Zur Radioaktivität: Ist völlig überbewertet.  Es ist ein weiteres linkes Narrativ und Lügenmärchen, dass es nach einer Atomkatastrophe kein Leben mehr gäbe, gleich weltweit. Natürlich kannst du eine Reaktorkastastrophe oder auch einen Atombombenabwurf überleben, wenn man etwas Distanz dazu hat und das Ding nicht gerade auf dein Haus fällt. Dieses linke Narrativ “Atom = Alles tot” erfüllt gleich zwei Zwecke: a) Verhinderung der zivilen Kernenergienutzung, wie wir es gerade in Deutschland erleben und b) Verhinderung einer atomaren Abschreckungsbewaffnung, wie sie Adenauer. Franz Josef Strauß und in jüngerer Zeit noch Scholl-Latour forderten. Das linke Narrativ wird dann getarnt als Umweltschutz und “Friedensbewegung”, gesponsort von der Sowjetunion. Hätte Deutschland ein kleines nukleares Abschreckungpotential, ähnlich wie Israel mit seinen geschenkten dt. U-booten, hätte der Krieg in der Ukraine möglicherweise gar nicht stattgefunden. Oder zumindest könnten die Russen dann nicht ständig mit Atomeinsatz einschüchtern. Ganz einfach, weil Deutschland dann mehr diplomatisches Gewicht hätte. Gilt übrigens nicht nur für den Iwan, sondern auch für unsere westallierten “Freunde”, wie zB Frankreich.  Hätte Westdeutschland 1990 nur ein paar Raketen besessen, dann hätte Mitterrand mit seinem Hadès-Kurzstreckensystem den Kohl niemals zur Euroeinführung erpressen können. Und so erfüllt das linke Märchen “Atom = böse” seit vielen Jahren seinen Zweck zur Schädigung und Zerstörung Deutschlands.

Arthur Erhardt / 07.02.2023

@Gerard Doering: Die Radarstrahlung selbst ist - abgesehen von der thermischen Wirkung bei hohen Leistungsdichten, also wenn mensch davon über das unbedenkliche Maß hinaus erhitzt wird - unproblematisch. Die Radarquellen erzeugen aber (unerwünschte, aber je nach Technologie unvermeidbare) Röntgenstrahlung die ionisierend wirkt.

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