Teile Italiens litten erst an Trockenheit, dann traf den Norden eine Flutkatastrophe. Und verantwortlich in allen Fällen ist – glaubt man den meisten deutschen Medien – der Klimawandel. Vielleicht sollte man aber erst einen Blick in die jüngste Vergangenheit werfen.
Auch das Jahr 2017 war in der Emilia Romagna sehr trocken, der Po füllte nicht einmal die Hälfte seines Bettes aus. Ich fragte den Wirt unseres Agriturismo, etwa 10 km vom Po entfernt gelegen, wie er mit der Trockenheit zurecht käme. Unser Wirt lachte nur, und erklärte, dass sei kein Problem: Er brauche nur gut einen Meter tief zu bohren und erreiche bereits das Grundwasser.
Große Flächen des Po-Deltas liegen unterhalb des Meeresspiegels. Erste Versuche, die sumpfigen Ebenen urbar zu machen, macht Herzog Alfonso II De´Este, Herzog von Ferrara, ab 1580. Erst in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts gelang es mit Hilfe dampfbetriebener Pumpen, die Poebene großflächig zu entwässern, bewohn- und bewirtschaftbar zu machen. Insbesondere der Reisanbau in der oberen Poebene ist auf eine Feinsteuerung von Ent- und Bewässerung angewiesen.
E-Autos in Quarantäne
Um in diesem hydrogeologisch schwierigen Gelände dauerhaft die Balance zwischen austrocknen und versumpfen zu halten, bildeten sich die sogenannten Consorzii di bonificazione, Anstalten öffentlichen Rechts, finanziert durch Abgaben. Diese sind zuständig für die Ewigkeitsaufgabe der Pflege und des Ausbaus von Dämmen, Gräben, Rückhaltebecken und Pumpanlagen. Diesen öffentlichen Einrichtungen ist in den letzten Jahren die Arbeit schwer gemacht worden: Gesichtspunkte des Tier- und Naturschutzes wurden in den Vordergrund geschoben und haben die Pflegearbeit der Consorzii praktisch zum Stillstand gebracht.
Der Bürgermeister von Ravenna, Michele de Pascale, erklärte, es seien in den letzten Jahren unsinnige Prioritäten gesetzt worden. Man habe z.B. dem Schutz der Nutrias, die Löcher in die Deiche graben, Vorrang gegeben. Und man habe weitgehend auf das Zurückschneiden des Bewuchses verzichtet. Die entsprechenden Verwaltungsvorschriften, so der Bürgermeister “…schützen mehr die Bäume und die Nutrias als die Menschen”.
De Pascale fordert mehr Macht und neue Mittel, um wieder das Notwendige im Sinne der Bonificazione tun zu können.
Eine Vorsorgemaßnahme der Kommune Ravenna betraf E-Fahrzeuge. Nachdem ein feucht gewordenes E-Auto in Brand geraten war, hat die Kommune angeordnet, dass E-Fahrzeugbesitzer ihren Wagen 15 Tage lang, der öffentlichen Sicherheit wegen, nicht nutzen dürfen. Die Autos müssen im Freien abgestellt werden, in einer Entfernung von mindestens 5 Meter zu anderen Fahrzeugen oder zu Gebäuden.
Politische Verantwortung oder moralische?
Gibt es einen politisch Verantwortlichen für die Überschwemmungskatastrophe? “Piove – governo ladro / es regnet, Diebesbande Regierung” ist ein Spruch, der die italienische Neigung karikiert, für jedes Übel die Regierung verantwortlich zu machen. Die Regierung in Rom ist erst acht Monate im Amt, das wird schwierig mit der Verantwortungszuschreibung. Obwohl es Hardcore-Linke gibt wie Roberto Saviano, der ehemalige Mafia-Jäger, die auch das versuchen und die Regierung dafür anklagen, bisher den Klimawandel nicht aufgehalten zu haben.
Die Emilia Romagna ist allerdings, wie die Toskana, seit Kriegsende fest in der Hand der Linken, früher des PCI, heute des Partito Democratico. Die alte Linke hatte früher den Ruf, saubere Verwaltungsarbeit zu leisten. Die neue Linke ist auch in Italien woke und ökosozialistisch. Wichtiger als die Pflege der komplexen Be- und Entwässerungssysteme der Poebene und wichtiger als der projektierte, aber bisher nur zum Teil realisierte Bau neuer Rückhaltebecken ist der Kampf gegen den Klimawandel. Und das bedeutet in Italien vor allem, Photovoltaikanlagen zu installieren. Wenn der Klimawandel schuld auch an der letzten verheerenden Flut ist, müssen diese Anlagen folglich der beste Schutz vor weiteren Überschwemmungen sein.
Der für das Thema Klimarisiken bei der italienischen Gesellschaft für Umwelt-Geologie zuständige Geologe Massimiliano Fazzini erklärt in einem Interview, dass der politische Druck in Richtung Klimaschutz in der Regionalregierung der Emilia Romagna so massiv war, dass in den letzten zehn Jahren in Sachen Infrastruktur nichts geschehen sei. Fazzini: “Man kann nicht zu allem nein sagen, sonst sind wir in 10 Jahren ruiniert."