Draußen: Regen. Drinnen, im Computer: Hoffnung. Für die meisten Obdachlosen und Menschen in Not haben wir bestenfalls ein mitleidiges Lächeln. Hingeworfen, im Vorübergehen. Aber eigentlich gucken wir lieber weg. In New York drückte jetzt eine Managerin einem Obdachlosen statt ein paar Münzen ihre Kreditkarte in die Hand. Die gute, die Platinkarte. Vielleicht kannte sie Luthers Zitat: „Wer Gutes tun will, muss es verschwenderisch tun.“
Der Mann hätte es krachen lassen können. Kaum eine Stadt auf der Welt eignet sich besser dafür als New York. Ein Whisky und eine Runde in der Bar des Soho-Grand (in diesem Hotel lässt es sich auch vorzüglich übernachten), ein richtig gutes Essen statt dem, was man sich als Obdachloser erlauben darf, vielleicht neue Schuhe, ein neuer Pulli. Nichts von alledem hat der Beschenkte getan. Er hätte sich vermutlich auch, wenn er schnell und schlau gehandelt hätte, einen kleinen Spontanreichtum zulegen können. Und danach, adieu, bloß nicht mehr blicken lassen im Kiez.
Am anderen Tag gab er der Frau ihre Kreditkarte zurück. Er hatte sich nur ein paar Zigaretten und ein paar Toilettenartikel gekauft. Ein Deo, Seife, Zigaretten, Wasser- das nötigste. Es sind Dinge, die bei uns im Bad stehen und über deren Wert wir so gut wie nie nachdenken. Der Obdachlose ist ein ehemaliger Immobilienmanager, der vor zwei Jahren arbeitslos wurde. Vermutlich war auch er dereinst im Besitz einer Kreditkarte. Er weiß, wie die Welt, insbesondere die in New York sein kann: unerbittlich hart, aber auch beinahe unermesslich schön. Und jetzt, der Regen draußen, über den heute via Facebook Dutzende jammern- eigentlich gar nicht schlimm. Ist nur Wetter! Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de