Markus C. Kerber, Gastautor / 10.03.2021 / 15:00 / Foto: Imago / 24 / Seite ausdrucken

Hinter der Maske des Parlaments organisiert sich der Parteienstaat

Unabhängig von der strafrechtlichen Würdigung durch die zuständige Staatsanwaltschaft dürften die Maskengeschäfte der Abgeordneten Georg Nüßlein und Nikolas Löbel als ein vorläufiger Tiefpunkt des deutschen Parlamentarismus angesehen werden. Es ist bezeichnend für das politische Selbstverständnis dieser beiden Bundestagsabgeordneten, dass sie zwar ihre Fraktion verlassen, aber ihr Mandat, mit dessen Hilfe sie erfolgreich von der Pandemie profitiert haben, nicht sofort zurückgegeben haben. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf ein System politischer Legitimation, das auch im Falle von offensichtlicher Delegitimierung eines Bundestagsmandats außer Stande ist, Parlamentsmitglieder des Hauses zu verweisen. 

Die relative Sanktionslosigkeit des Fehlverhaltens liegt auf einer Linie mit dem ungebrochenen Selbstbewusstsein des Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor, der trotz der Lobbyarbeit für das Unternehmen Augustus Intelligence nunmehr zum Spitzenkandidat der Partei in Mecklenburg-Vorpommern avanciert ist. Ganz zu schweigen von der Dinnerparty des Jens Spahn zur Einsammlung von Parteispenden im Oktober 2020. Sie predigen Wasser, doch heimlich trinken sie Wein….

Individuelles Fehlverhalten hat es auch im Parlament immer gegeben. Hin und wieder wurde es entdeckt, stets wurde es camoufliert und als Ausnahme eines im Regelbetrieb anständigen Parlaments dargestellt. Doch jetzt im Superwahljahr 2021, also in einem Moment starker politischer Verunsicherung der Bevölkerung ob der Handlungsfähigkeit der Regierung, könnte dieses Ausmaß an Fehlverhalten die Parteienherrschaft ernsthaft gefährden. Armin Laschet, ein fröhlicher Rheinländer, der keine Gelegenheit auslässt, um deutlich zu machen, wie nahe er den Menschen ist, erkannte sofort die Gefahr für das Parteiensystem:

Der Selektionssystem der Parteien muss versagt haben 

„Dies ist nicht hilfreich für Wahlkämpfer“, kommentierte er das Fehlverhalten seiner Parteifreunde. Dabei sah er gewiss die Delegitimierung des gesamten von Parteien beherrschten parlamentarischen Regierungssystems als Folge der Skandale. Denn erst Parteien machen aus einem Bürger einen Wahlkandidaten und nur durch die Macht der Parteien kann ein Wahlkandidat entweder durch Direktmandate oder sogenannte Listenplätze den Einzug in den Bundestag feiern. Bei der Auswahl der Abgeordneten Amthor, Löbel und Nüßlein muss also das interne Selektionssystem der Parteien vollständig versagt haben. 

Andernfalls ließe es sich nicht erklären, dass es Geschäftemachern und Krisengewinnlern ohne jegliche politische Anliegen gelungen ist, ins deutsche Parlament einzuziehen, um dort unbeobachtet ihren Geschäften nachzugehen. 

Es könnte sehr gut sein, dass die Fälle Philipp Amthor, Nikolas Löbel und Georg Nüßlein nur die Spitze eines Eisbergs sind und die Freude der nichtchristlichen Parteien über die peinlichen Vorgänge in der Christenunion verfrüht ist. Dann wäre der Zeitpunkt gekommen, um über die Legitimation der Abgeordnetenwahl grundsätzlich nachzudenken und die Vetomacht der Parteien gegenüber den freien Bürgern verfassungsrechtlich zu beschneiden.

Brauchen wir weiterhin ein Parteienprivileg gem. Art. 21 GG, das den Parteien für ihre Vorauswahl von Parlamentskandidaten auch noch staatliche Subventionierungen sichert? Sollen Parteien die Möglichkeit haben, auf Landeslisten den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Kandidaten nach ihrer Präferenz vorzusetzen?

Wollen die Bürger dieses Landes es weiterhin ertragen, dass Abgeordnete, einmal ins Parlament gewählt, als Lebensversicherung im Falle misslungener Wiederwahl, den Partei-Stiftungen 500 Millionen Euro  zur Verfügung stellen, um sie wieder aufzufangen? 

Der wackere Publizist Manfred Hettlage bekämpft seit Jahren das herrschende Wahlrechtssystem und setzt sich für ein Mehrheitswahlrecht ein. Über Modalitäten kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Aber eins ist sicher: Wir brauchen ein Mehrheitswahlrecht, um die adverse Kandidaten-Selektion durch die Parteien zu verhindern. Denn der Bürgerwille muss entscheiden.

Markus Kerber ist Dr. jur. Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, Gründer von www.europolis-online.org,

Foto: Imago

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Leserpost

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Karla Kuhn / 10.03.2021

Matthias Popp,  “WIRKLICH helfen würde nur ein Losverfahren wie für Schöffen.” Um Gottes Willen, dann würden wahrscheinlich die Losbuden von den roten-linken “Kevins”, den rrg “Roths”, den rotsschwarz grünen “Spahns”, den mittlerweile grün-schwarzen “Scheuers” und den “ehrenvollen” Mitgliedern der Ndrangheta gestürmt werden und was dann, ?? Noch mehr kompetenzlose “Überflieger?”  Wolfgang Gruber “Wir brauchen neue Strukturen!” ABSOLUT treffend ! Aber die Politikersuche NUR AUßERHALB der POLITBLASE !! Und an strenge Kriterien gebunden !! Vor allem MUß - wie weiß ich zwar nicht wie aber es muß eine Lösung her !!-  DRINGEND dafür gekämpft werden, daß KEIN KANZLER jemals wieder so lange am Sessel festklebt wie die ehem. AGITPROPSE, zweites müssen die GESINNUNG, die EIGNUNG, die INTELLIGENZ und die GESUNDHEIT streng geprüft werden. Diäten nur als MINDESTLON, jeder weitere Pfennig ( denn auch der Euro muß weg) muß selbst verdient werden. Wer GEGEN die Interessen des Souveräns agiert, fliegt ! Ich habe noch jede Menge Schmankerl in meinen Politköcher. Es MUß mit eisernem Besen gekehrt werden, damit die gesamten Merkelschen Anhänger und natürlich sie selber ENDLICH das erhalten, was sie sich in den fast 16 Jahren “redlich verdient” haben ! VOLKSENTSCHEIDE wie in der Schweiz sind DRINGEND geboten und Taschenvollstopfer sofort an den Pranger ! Loser erhalten mindestens fünf Jahre einen geeigneten Probe-Arbeitsplatz in der Schwerindustrie, anschließend eine feste Anstellung. Das ganze könnte natürlich auch abgekürzt werden, in dem Putin seine Antonow bereitstellt für einen “kleinen Ausflug. ”  Von einer zweiten Chance halte ich absolut nichts ! “Denn “auf einen groben Klotz, gehört ein grober Keil” Luther, der auch so was feines wie “Aus einem verzagten Arsch, kommt kein fröhlicher Furz” gesagt haben soll. Der, die ,das Kandidat, auf den das passt wie der “A… auf den Nachtopf”, hat sich den Spruch schwer erarbeitet in den Quatschrunden.

Hans-Peter Dollhopf / 10.03.2021

Die Parteienherrschaft hat die Demokratie als Geisel genommen. Bei einem Befreiungsversuch würde sie sie kaltblütig töten.

Charles Brûler / 10.03.2021

Ein wichtiger Aspekt. Mit Demokratie und Grundgesetz hat das nichts zu tun. Aber wie soll man das ändern? Eine Partei müsste eine Änderung sich in ihr Partei- und Wahlprogramm schreiben.

Bernd Maier / 10.03.2021

“Bei der Auswahl der Abgeordneten Amthor, Löbel und Nüßlein muss also das interne Selektionssystem der Parteien vollständig versagt haben” Das glaube ich nicht. Ich glaube (und habe meine Gründe dafür), daß das Selektionssystem der Parteien deckungsgleich mit dem Selektionssystem der freien Wirtschaft ist. Und das bedeutet, daß die wichtigste Qualifikation die Herkunft (insbesondere das Elternhaus) und die zweitwichtigste Qualifikation Beziehungen zu Leuten mit der richtigen Herkunft sind. Echtes Können ist nicht viel wert und zuviel davon auch unerwünscht.

Hans Walter Müller / 10.03.2021

Die Macht der Parteien könnte eingeschränkt werden, wenn jeder Abgeordnete nur 2 oder maximal 3 Legislatur-Perioden verbleiben dürfte. Ebenso dürften Regierungsmitglieder incl. Kanzler und Minister auch nur in Summe max. die Zeit von 2 Amtszeiten verbleiben - egal welchen oder wieviele Posten sie in der Zeit innehaben. Auch dürften Regierungsmitglieder (Exekutive) nicht gleichzeitig Abgeordnete (Legislative) sein und schon gar nicht aus einer der Funktionen später in Bundes-Richterschaft (Judikative) wechseln können. Das grundsätzliche Problem ist aktuell nur: Die entsprechenden Änderungen müssten die Abgeordneten selbst beschließen. Oder eben das Volk direkt mittels Volksentscheid/Volksbegehren - nur dieses müssten wiederum zunächst die Abgeordneten mittels eines Gesetzes beschließen. Ich denke, dass das Grundgesetz hier Schwächen hat. Und um nach der Wiedervereinigung nicht die eigentlich vorgesehene Verfassung neu zu beschließen - nach allen sich sicher ergebenden Diskussionen - , haben die Parteien seinerzeit beschlossen, dass das Grundgesetz die Verfassung ist. Damit hatte man jegliche Diskussion vermieden und die Parteien konnten und können ihre Machtposition sichern bzw. ausbauen. Das sieht man auch am Umgang mit der AfD, die mit allen Mitteln bekämpt wird, weil Gefahr drohte, sie könnte sich bürgernah entwickeln und die Pfründe der bisherigen Parteien gefährten.

R. Bunkus / 10.03.2021

Im Grunde genommen ist es egal, was die da oben treiben. Es gibt keine wirksame Opposition, keine reelle Alternative zur Regierung, im Zweifel bildet sich ein Konglomerat im Kampf gegen Rechts, in dem eine Hand die andere wäscht. Eine Mehrheit der Bürger will es so oder ist wahlweise ignorant oder naiv. Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht, und das geschieht erst, wenn eine Mehrheit durch die Misswirtschaft, Selbstbeweihräucherung und -bereicherung verarmt und in ihrer Existenz bedroht ist. Wer nicht rechtzeitig lernen will, muss fühlen.

Kurt Engel / 10.03.2021

Nach dem GG hat der Bundestag 598 Mitglieder. Die Hälfte direkt gewählt, die andere über die Liste. Das macht Sinn, aber nur so lange, wenn der Sinn des GG beachtet wird. Daß derzeit die größere Hälfe, nämlich 410 Mitglieder über Listen, Überhang und Ausgleich reingekommen ist, ist ein Skandal. Warum wird der prozentuale Anteil von Stimmen nicht auf die gesamte Republik umgelegt? Dann können nur weitere 299 Sitze verteilt werden. Landeslisten müssen abgeschafft werden, denn sie dienen nicht dem sog. Souverän, sondern den Parteien. Und gerade das wollten der Parlamentarische Rat nach den Erfahrungen der Weimarer Republik mit dem GG verhindern.

H. Meier / 10.03.2021

Die Schweiz zeigt uns seit Generationen wie echte Demokratie zum Wohl der Bevölkerung funktioniert und gefährliche Diktaturen erfolgreich verhindert. Die Opposition, die in Deutschland mehr direkte Demokratie fordert, wird durch die Kanzlerin und ihre Schergen verteufelt. Wenn wir keine betrügenden Kleptokraten-Politiker hätten, von denen jetzt einige Ungeschickte peinlich aufgefallen sind, weil sie sich nicht mit einer anonymen LLC-Berater-Briefkasten-Gesellschaft (mal googeln) eine wasserdichte Tarnung versehen haben, dann bleibt die Normalität der Altpolitiker der Altparteien leider weiter unentdeckt. Wer hat die Solar- und Wind-Lobby ins Milliarden-Gewinn-Programm gebracht? Wer verschiebt zig Milliarden in die Migranten-Branche usw. Die Mehrzahl in Merkels Unrechts-System die ihre Macht stützen sind Profiteure, die sich schamlos bereichern, um mitzuspielen. Die organisierte Wirtschafts-Kriminalität ist nicht verschwunden, sie hat für ihre Gewinne professionellere Vertreterinnen und Repräsentanten im Bundestag sitzen, von denen viele die permanenter Immunität benutzen, um nicht als Gangster geröntgt zu werden.

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