Ulrich Schödlbauer, Gastautor / 24.08.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Grönland kaufen oder die Welt retten?

Stephen Bannon, den in Deutschland niemand zitieren darf, ohne sich der üblichen Formeln des Exorzismus zu bedienen, durfte darüber seit längerem plaudern, jetzt zieht es peu à peu auch in die Köpfe deutscher Redakteure ein: Der "Handelskrieg" zwischen den USA und China, angeblich von Donald Trump zu Klamaukzwecken vom Zaun gebrochen, um seinen Anhängern ein Spektakel nach ihrem Geschmack zu bieten, ist offenbar bloß ein Gesicht jenes strategisch angelegten Krieges um die Vorherrschaft auf diesem Planeten, der lange im Kommen war (man erinnere sich an die Verlautbarungen des Project for the New American Century und die heftigen Reaktionen, die es hervorrief) und nun wirklich entbrannt zu sein scheint.

Das ist insofern merkwürdig, weil ein Teil des heftigen inneramerikanischen Widerstandes gegen Trump just dadurch motiviert wurde, dass er den amerikanischen Anspruch auf world leadership niedriger zu hängen schien. So tönte Anfang 2017 ein britisch-amerikanischer Wirtschaftshistoriker in der ZEIT:

"Das amerikanische Jahrhundert ist vorbei. Das merken wir nicht nur, weil die Amerikaner einen lächerlichen Präsidenten gewählt haben, sondern auch, weil Trumps Ambitionen bei allem nationalistischen Prahlerei so bescheiden sind. Schließlich strebt er nur danach, Amerika wieder groß zu machen. Damit wird nicht nur der verfallene Zustand Amerikas anerkannt. Es stellt die Präsidentschaft von Trump auf die gleiche Stufe mit Leuten wie Erdogan und Putin.... Das amerikanische Jahrhundert in seinem Pomp wurde nicht von Größe, sondern von Überlegenheit erleuchtet, der Gewissheit, von der Bestimmung, göttlich oder weltlich, berufen zu sein, eine Rolle zu spielen, die nicht nur einzigartig war, sondern über allem stehend. Das ist die wörtliche Bedeutung einer Botschaft, die sich im Laufe des Jahrhunderts von Woodrow Wilson über FDR, Kennedy, Reagan, Bush Junior und Obama bis hin zu Obama fortsetzte."

Amerika ein Staat unter anderen, womöglich auf einer Stufe mit den von ihm bislang ins Glied verwiesenen notorischen Bösewichtern der Weltpolitik? Das durfte nicht sein. Nun zeigt sich: Amerika spannt seine Muskeln, nachdem es von der Illusion der einzigen verbliebenen Supermacht Abschied genommen hat. Trumps Realismus, den die Zurückgebliebenen unter den hiesigen Medienschaffenden noch immer lächerlich zu machen sich anstrengen, verpasst dem von Obama in internationale Plattformen investierten american exceptionalism einen neuen Anzug.

Nicht zufällig erinnert er an ältere Moden der Weltgeschichte. Kein in seine Gesetzgeber-Posen verliebtes (und zusehends verlorenes) Amerika, sondern die heißlaufende Rivalität zwischen der aufstrebenden Weltmacht China und dem Platzhirsch USA bestimmt das neue Format. Die Rivalität der Supermächte beherrscht die Welt, indem sie die Spielräume der anderen Staaten verengt und verändert. Wer hier am Drücker ist, dominiert nicht nur den Gegner, sondern auch den Rest der Staatenwelt, gleichgültig, ob es den regionalen Platzhirschen passt oder nicht.

Gegenstrategie buchstäblich in die Luft gebaut 

Augenscheinlich scheint Putins Russland mit dieser Wendung der Dinge besser zurechtzukommen als Deutschland, das in einer mit sich zerfallenen EU Deckung gegen den zum fremden Freund mutierten Hegemon zu finden hofft, während der Abgang Großbritanniens das schiere Gegenteil ankündigt: die Marginalisierung Deutschlands und der mühsam zusammengehaltenen Rest-EU im Spannungsfeld von Mächten, die über die Kontrolle der Rohstoffe und Handelsrouten samt Kapitalflüssen dem Globus ein neues Gesicht verpassen.

Europas Gegenstrategie, soweit erkennbar, ist buchstäblich in die Luft gebaut. Die Kontrolle des "Erdklimas", sprich der globalen Industrieproduktion durch "gemeinsame Anstrengungen" zur Reduktion "klimaaktiver" Abgase setzt viel guten Willen, sprich: verdeckten Eigennutz auf Seiten aller Beteiligten voraus, und es bleibt abzuwarten, ob sie die erstbeste handfeste ökonomische Krise unbeschadet übersteht. Verdrängt wird auch, dass andere Player mit ähnlichem oder größerem Geschick auf diesem Feld zu punkten versuchen könnten – obwohl der Verlauf der Dieselkrise bereits die Folterinstrumente aufgezeigt hat, die hier jederzeit zum Einsatz gelangen können.

Während Deutschland sein Geld – vermutlich vergebens – in die Erhaltung des arktischen Eisschildes investiert, bereitet sich Russland auf eisfreie Gewässer an seiner Nordküste und die dadurch mehr als wahrscheinlich werdende Umpolung der Weltschifffahrtsrouten vor, und Trumps Amerika klopft vorsorglich bei den Dänen an, um zu erkunden, ob vielleicht die Zeit für einen Besitzerwechsel in Sachen Grönland gekommen sei: wichtige Puzzlestücke im Spiel um ökonomische und militärische Vorteile, bei denen die verfügbare Landmasse samt Küstenlinien, wie zu Zeiten der klassischen Politik, neben Bevölkerung und Militärmacht zum Schlüsselfaktor aufrückt.

Dagegen gefährdet Europas weicher Unterleib im Verbund mit den ungelösten Problemen im Umgang mit seinen östlichen Nachbarn auf Dauer den Zusammenhalt und den Wohlstand des Kontinents und lässt die Konturen einer scheinselbstständigen Schwund-EU hervortreten, die sich als Vollzugsorgan vorher bestellter UN-Beschlüsse eine Art Welt-Bedeutsamkeit attestiert, an der außer ihr niemand so recht interessiert ist, es sei denn einige davon profitierende Klienten-Staaten in Afrika und anderswo.

Das muss nicht schlecht sein. Vor allem dann nicht, wenn es endlich gelingt, die hausgemachten Probleme im institutionellen Bereich, sprich: das leidige Demokratiedefizit mit den gebotenen Mitteln anzugehen. Wer glaubt, es könne gelingen, die nationalistische Versuchung, sprich: den galoppierenden Abfall der nationalen Bevölkerungen vom europäischen Projekt mit sprach- und informationspolitischen Finessen zurückzudrehen, der muss am Ende allzu viele allzu vieles glauben machen. Das kann nicht gutgehen. Dass dergleichen schon heute nicht gutgeht, zeigt neben dem Verfall der westlichen Öffentlichkeit der Verfall der im Zeitalter der Wissensgesellschaft wichtigsten gesellschaftlichen Institution: der Wissenschaft.

Was noch vor wenigen Jahren sich unangefochten brüsten durfte, die Welt mit dem Stoff zu versorgen, aus dem die Zukunft der Menschheit hervorgeht, es sei denn, sie zöge den Absturz in Chaos, Hunger und die finale Katastrophe vor, steht heute im Verdacht, sein eigenstes Betriebsmittel, den freien Gedankenaustausch und die Freiheit des Denkens selbst dem identitätspolitischen Phantasma zu opfern, das da lautet: Was immer du sagst, forschst, lehrst, ist nichtig und verdient es, eliminiert zu werden, wenn es die Befindlichkeiten von Gruppen stört, die den Campus, mit politischer Billigung, als ihr ureigenstes Gelände entdeckt und okkupiert haben.

Welche Gruppen das sind, weiß alle Welt. Niall Ferguson, der Historiker, brachte es für die angelsächsische Universität auf einen speziellen Punkt: "In diesem Regime sind Professorinnen von Gendergeschichte gefragt, ein neuer Professor für – sagen wir – Militärgeschichte ist im Gegenzug undenkbar geworden." (NZZ v. 20. 3. 2019)

Dieser Beitrag erschien in einer längeren Fassung zuerst auf Globkult

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D.Lorenz / 25.08.2019

Die Welt dreht sich auch ohne Deutschland weiter, nur scheinen die Deutschen diese simple Weisheit nicht zu kennen. Eine Landespolitik wird nicht von einer einzigen Figur gemacht, sondern eine einzige Figur wird verantwortlich gemacht für den ganzen Beraterstabsunsinn, der um sie herum veranstaltet wird. Nur ist dieser Unsinn bei dem Beispiel USA keineswegs so groß, wie unsere Spaßpresse das uns glauben lassen will und auch China und Russland sind gegenwärtig auf Höchstdrehzahl. Die Veränderung der Weltlage, sprich auch des Klimas, läßt völlig neue Möglichkeiten in der eigentlich festgeschriebenen Örtlichkeit der Länder entstehen. Deutschland ist von solcher Denkweise meilenweit entfernt. Bei uns dominieren Kindergesichter, völlig verdummte Journalisten und schwachbrüstige Politiker. Unsere brandaktuellen Themen sind Enteignung, Mobilitätsrückbau, Energieverknappung, Schleuserbandenbeihilfe und Mobilisierung gegen “rechts”. Wobei “rechts” neuerdings alles ist, was nicht links-grünem Schwachmatikertum entspricht. Dieses Entrücken gegenüber der tatsächlichen Weltpolitik wird uns noch in allergrößte Schwierigkeiten bringen. Die Lage Deutschlands in Europa ist viel zu interessant, um nicht Begehrlichkeiten bei “Freunden” zu erwecken, die Deutschland gegenwärtig als handlungsunfähig betrachten. Und “handlungsunfähig” ist dabei noch geschmeichelt:  Eine völlig versagende Regierung, ein desolates Militär, unsinnig vor den Kopf gestoßene Verbündete und der wiedererwachende Größenwahn des Dritten Reiches, am “deutschen Wesen soll die Welt genesen” läßt rings um uns Äußerungen der Abneigung gegenüber Deutschland wieder erschallen.

S. Marek / 24.08.2019

Lieber Herr Schödlbauer wie durch verschieden US Medien festgestellt, Herr Trump nicht der erste Präsident ist, der Interesse an Grönland bekundet hat. Das Wall Street Journal, das die Geschichte von Herrn Trumps Interesse an Grönland brach, stellt fest, daß das Außenministerium bereits 1867 eine Untersuchung darüber einleitete, nicht nur Grönland, sondern auch Island zu kaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bot Präsident Truman im Jahr 1946 an, Grönland, ein dänisches autonomes Gebiet, für 100 Millionen Dollar in Goldbarren zu kaufen. Heute entspreche das 3,4 Billionen Dollar. Anfang 1940, so ein Nachkriegsbericht in der New York Times, begannen die Weisen des Council on Foreign Relations, sich um Grönland zu sorgen. Im März veröffentlichte eine Studiengruppe des Rates einen Bericht, in dem sie darauf hinwies, daß Deutschland Dänemark überfallen könnte und damit auch Grönland beanspruchen könnte. Deutschland fiel im folgenden Monat in Dänemark ein. Drei Tage später erklärte die FDR auf einer Pressekonferenz, daß, wie ein Bericht es umschreibt, “Grönland gehörte zum amerikanischen Kontinent”. Der dänische A.-Minister in Washington stimmte dem zu. 1941, lt. einem Bericht der New York Times von 1946, nahm das A.-Ministerium die Position ein, daß sich Grönland bis dahin im “Bereich der Monroe Doctrine” befand, die sich dem europäischen Kolonialismus in der westlichen Hemisphäre widersetzte. Nach dem Krieg schloß Amerika ein Abkommen mit Dänemark, das die Dänen verpflichtete, die amerikanische Flagge Seite an Seite mit der dänischen an verschiedenen vereinbarten Sicherheitszonen zu setzen. Amerika wurde eine enorme Macht eingeräumt. In Anbetracht dieser Geschichte scheint Herr Trump denjenigen voraus zu sein, die ihn verspotten. So fällt uns auf, daß die Dänen etwas zu schnell waren, um das diplomatisches Manöver von Herrn Trump zu verspotten. Vor allem, wenn man sich den Wert ansieht, der der einheimischen Bevölkerung Grönlands zugute kommen könnte.

Wolfgang Kaufmann / 24.08.2019

Inzwischen ist Deutschland sogar auf europäischem Niveau irrelevant. Unsere „Elite“ hat sich in einem infantilen Wolkenkuckucksheim eingerichtet und ist völlig unempfänglich für den weiteren Gang der Geschichte. Sie senden nur und sind unfähig zu empfangen; als notorische Narzissten beschäftigen sie sich mit dem Wichtigsten auf der Welt und das sind sie selber. Zu Recht sagt Krugman: Die Welt hat ein Deutschland-Problem. – Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer gar den Startschuss verpennt, hat den Darwin Award verdient.

Hjalmar Kreutzer / 24.08.2019

Freies Denken vs. von Deutschland bei der EU und von der EU bei der UNO bestellte Richtlinien, Gesetze, Verordnungen, Abkommen, Pakte - cui bono? Den Völkern Europas oder dem Selbstzweck und Machterhalt einschl. hochdotierter Posten und Versorgungsansprüche der EU- und UNO-Beamten? Was in der EU „gelingen kann“, interessiert von den normalen europäischen Steuerzahlern mit Verlaub kein Schwein mehr.

J.P. Neumann / 24.08.2019

Die Nordostpassage wird den Welthandel nachhaltig ändern, denn die Russen werden in der Mitte der eisfreien Passage einen Hafen bauen in dem Handelsschiffe Öl und Gas bunkern können.  Keine Reederei lässt sich die Kombination aus kürzerer Route plus billigen russ. Treibstoffen entgehen. Das wiederum bedeutet , dass die überschüssige Bevölkerung Afrikas/Arabiens nicht mal mehr mittelbar am Welthandel hängt.  Die EU wird gar nicht mehr in der Lage sein, die Welt zu retten, denn sie wird Ziel einer Völkerwanderung unvorstellbaren Ausmasses sein.  Allein Ägypten hat 100 Mill. Einwohner und wird ohne Suezkanal-Gebühren sofort zusammenbrechen.  (Syrien ist ein Kleinstaat und alle Syrer haben im Merkelstaat dauerhaftes Beiberecht.  Gesamt Afrika ist eine ganz andere Hausnummer).

Marc Blenk / 24.08.2019

Lieber Herr Schödlbauer, Deutschland fehlt es an Argumenten und Überzeugungskraft. Es meint, die Welt würde sich für seine heroische Selbstaufopferung - und Wiedergutmachungspolitik, für die es sogar die Wohlfahrt, die Identität und Sicherheit des eigenen Volkes herschenkt, tatsächlich interessieren. Deutschland führt sich auf wie ein Rumpelstilzchen auf Kaptagon und Moralin. Nur juckt es die Welt nicht. Die Menschen haben sich nur selten gerne Selbstmördern und Selbstzerstörern hingezogen gefühlt. Deutschland schämt sich für seine eigenen Stärken und will sie ad acta legen. Auch das beindruckt den Rest der Welt nicht. Logisches Denken, Rechtstreue, Bildung, eine ruhige Hand bei allen Aktivitäten. Augenhöhe. Kenntnisreichtum. Vertrauen in die Sinnhaftigkeit technischer Entwicklung… Das alles möchte Deutschland unter dem Bann gegenwärtiger Herrschaft und Ideologie als lästige Sekundärtugenden abstreifen um stattdessen als Bettelmönch durchs Völkerleben und durch die Welt zu wandeln und mit diesem Beispiel den Planeten zu retten. Staunend vermerkt es der anbetroffene Herr. Was sagte Hitler? “Wer ein Volk retten will, kann nur heroisch denken”. Heute sind wir eine Stufe weiter und haben “Volk” durch “Welt” ersetzt.

Dr. Gerd Brosowski / 24.08.2019

Wären doch nur die Russen so klug gewesen, die Krim und ein paar Zugangswege von der Ukraine zu kaufen! So führen sie einen endlosen unerklärten Krieg, und mit der halben übrigen Welt haben sie unerfreuliche Auseinandersetzungen.  Mit dem Angebot einer ordentlichen Menge an Erdgas und mit diplomatischer Unterstützung der Garantiemächte des Bukarester Abkommens USA, Großbritannien und Frankreich hätte der Deal zustande kommen können.

jochen selig / 24.08.2019

Spitzen-Text, der die Weltlage nüchtern beschreibt. Wohin das alles führen soll?

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