Moritz Mücke, Gastautor / 10.11.2019 / 16:00 / 19 / Seite ausdrucken

Gefangen im Greta-Mem

„Wenn wir keine Grenzen haben, dann haben wir kein Land.“ Was Donald Trump auf den Punkt brachte, ist nur scheinbar ein lakonischer Spruch. Tatsächlich hat er philosophische Qualität. Was fehlt einem göttlichen Wesen, das allwissend ist, allmächtig und allgegenwärtig? Die Antwort: Begrenzung. Ohne Begrenzung kein Dasein.

Was Trumps Satz jedoch besonders macht, ist weniger sein Inhalt als seine rhetorische Form. Er ist ein sogenanntes Enthymem, welches Aristoteles einst als die mächtigste Form der Überzeugungskunst anpries. Ein Enthymem ist ein absichtlich unvollständiger Schluss, der eine Information, die eigentlich notwendig ist, zurückbehält. Trumps Spruch baut logisch auf der Voraussetzung auf, dass Länder sich zumindest teilweise über ihre geographischen Grenzen definieren. Nur so macht er Sinn.

Das Enthymem besitzt eine magische Überzeugungskraft. Es macht den Zuhörer zum Komplizen. Wer Trumps Aussage hört, kann gar nicht anders, als die Idee, dass Grenzen Länder machen, automatisch mitzudenken. Allein dadurch schafft es der Präsident, auch in den Köpfen seiner politischen Gegner den Takt anzugeben. Er zieht sie mental in sein Argument hinein und nötigt ihnen seine eigene Prämisse ab. 

In der Rhetorik liegt auch der Schlüssel zum Erfolg der Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihrer besonders in Deutschland erfolgreichen #FridaysForFuture-Bewegung. Diese hat auf Überzeugungstechnik gesetzt, indem sie das freitägliche Fernbleiben vom Schulunterricht zum Kernstück einer multimedialen Marketingkampagne münzte. Auch wer der Aktion (wie ich) kritisch gegenübersteht, erkennt schnell das Geschick ihrer Ausführung.

Kernkompetenz eines Kindes ist nun mal das Kindsein

Schon der eingängige Name ist eine rhetorische Figur, eine Alliteration, bei der alle Wörter mit demselben Buchstaben beginnen. #FFF nistet sich im Gedächtnis ein und bleibt kleben. Zudem ist ein Schulboykott ein idealer mentaler Anker, da er hinreichend kontrovers, aber ethisch gerade noch plausibel ist. Die einen nennen es „Schwänzen“, die anderen „Aktivismus“ – aber alle reden darüber. In der modernen Welt sozialer Netzwerke ist Aufmerksamkeit die Leitwährung. Greta und ihre Mitstreiter scheinen das verstanden zu haben. 

Der Gipfel der Überzeugungskunst ist jedoch das Enthymem, das sich im Schulboykott verbirgt. Es ist so elegant und effektiv platziert, dass nicht an einen Zufall zu denken ist. Es dürfte sich vielmehr um das Werk professioneller Marketing-Experten handeln. Dabei sind die konkreten Ziele der Bewegung zunächst zweitranging. Vielmehr baut das Enthymem auf der weitgehenden Vorhersehbarkeit aller Einwände gegen den Schulstreik auf, die sich nämlich geschickt in die eigenen Argumente einweben lassen.

„Du bist noch zu jung,“ ist so ein Einwand, den viele streikende Schüler dieses Jahr von ihren Eltern gehört haben. Politisches Engagement passe nicht zu einem Lebensalter ohne Wahlrecht. Aber damit wird die erste Prämisse schon zugestanden, denn die Kernkompetenz eines Kindes ist nun mal das Kindsein. Wenn es etwas für sich beanspruchen kann, dann die Betroffenheit von möglichen Klimaveränderungen, die sich über besonders lange Zeiträume entfalten. Das Enthymem nimmt Form an.

Die Eltern sind zu Komplizen geworden

„Du sollst in die Schule gehen, weil du lernen musst,“ ist der nächste Einwand. Er kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber jedes Widerwort wird zu einem weiteren Pfeil im Greta-Köcher. Denn wofür soll gelernt werden, wenn nicht für die Zukunft? Genau die trägt die Bewegung ja schon im Namen! Eleganter kann man einem Rhetoriker seine Prämisse nicht liefern. Das Enthymem ist vollendet, die Eltern sind zu Komplizen geworden.

Nachdem die Teenager ihre Eltern rhetorisch entwaffnen, bleiben letzteren nur politische Argumente übrig. Von denen ist bekannt, wie schnell sie ins Persönliche abdriften. Spätestens da verfangen sie nicht mehr, denn wer möchte dabei ertappt werden, sich gegenüber einem Teenager zu übernehmen, insbesondere, wenn bei ihm, wie bei Greta Thunberg, das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde? Ein englischer Kritiker, Douglas Murray, hat das unlängst richtig erkannt: „Sie wurde auserwählt und erhoben, gerade weil es unmöglich ist, sich ihr entgegenzustellen. Zumindest, ohne dabei als Monster verstoßen zu werden.“ Die beste rhetorische Position ist die unangreifbare.

So wird das Enthymem zum Gretamem und perfektes Marketing zur Zeitgeschichte. Man sollte #FridaysForFuture“ und Greta Thunberg unbedingt ernst nehmen, auch unabhängig von politischen Inhalten. Denn ihnen gelingt in der modernen Medienwelt die Einlösung eines alten Spruchs des französischen Philosophen Fontenelle: Die echten Komplimente sind nur solche, die man anderen abnötigt. Das wusste schon Aristoteles, und Donald Trump weiß es auch.

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Leserpost

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Andreas Rühl / 10.11.2019

Bei uns hieß das no future. Nix neues. Gaeeehn

Marcel Bernard / 10.11.2019

@Martin Landner: “Seit Extinction Rebellion hat sich Greta erledigt. Um FFF oder die Grünen fertig zu machen, muss man einfach nur möglichst viel über Extinction Rebellion reden, schon ist das gut gepflegte Image im Eimer. Die Typen haben erzählt “Milliarden von Menschen” würden in den “nächsten 6 Jahren” sterben, sie haben offen zugegeben, dass das eine absichtliche Lüge ist, sie wollen die Demokratie bekämpfen. Einfach nur über XR sprechen, schon sind die Grünen tot.” XR habe ich exakt auch so wahrgenommen, kam nur nie auf die Idee, es so wie Sie zu sehen. Sie haben vermutlich recht, das ist ermutigend, danke!

Rolf Lindner / 10.11.2019

Eltern, die ihre jugendlichen, opponierenden Kinder mit Argumenten überzeugen wollen, können sich wahrscheinlich nicht an ihre eigene Jugendzeit erinnern. Vielleicht waren sie immer lammfromm. Im speziellen Fall hilft nur Leben nach den selbst gewählten Prämissen. Fängt an mit Smartphone-Entzug, Zwang zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder des Fahrrades, Drosselung der Heizung im Kinderzimmer, kein Fleisch, keine Wurst ... Haben einige Eltern schon erfolgreich praktiziert und das Ergebnis veröffentlicht.

Rolf Mainz / 10.11.2019

Thunberg ist bewusst ausgewählt und alles andere als ein Zufall. Ein ganz geschickt von PR-Profis und deren Auftraggebern konstruiertes “Trojanisches Pferd” zwecks Platzierung bestimmter ideologischer Inhalte. Man bedient sich einer besonderen Art von “Kindchen-Schema”, wenn man so will - sogar eines “Kranken Kindchen-Schemas” als verschärfter Form. Und wer mag schon einem geistig kranken, jungen Mädchen entschlossen entgegentreten? Wer würde es wagen, die Wahrheit auszusprechen und die “Klimapanik” Gretas womöglich auf deren geistige Erkrankung zurückführen? Eben. Bis hin zur “Marke” “FFF”, der Idee der vermeintlich spontanen freitäglichen “Schulstreiks”, den ständigen Slogan-Wiederholungen in den Medien usw. - da ist nichts zufällig, da ist nichts amateurhaft, das ist gekonntes Marketing, professionell organisiert, gesteuert und üppig finanziert. Nun mag manche(r) denken: “na und, dient doch einer guten Sache”. Aber: erstens: tut es das wirklich? Und zweitens: was, wenn die nächste “Greta” ganz andere “Panik” haben sollte, z.B. vor politisch Andersdenkenden? Oder vor freien Wahlen beispielsweise? Würden dann womöglich Donnerstage ebenfalls schulbestreikt und die geeigneten Hebel zur Erreichung jener Ziele ebenfalls in Bewegung gesetzt? Würden sich dann regierende Parteien auch daran anbiedern? Übertrieben? Hoffentlich, ja. Aber unrealistisch? Leider nein.

A. Ostrovsky / 10.11.2019

Seltsam, Gretas Schulbesuch ist doch nichts, was irgend jemandem nützt, außer ihr selbst, vielleicht. Warum reden da alle darüber? Also Greta ist nur wichtig, weil sie einen einprägsamen Namen hat und jeden Freitag nicht zur Schule geht. Dabei ist es absolut unwichtig, ob sie überhaupt zur Schule geht. Wenn sie es ein Bischen übertreibt, gilt ihr Aspberger Syndrom als Behinderung und dann muss sie überhaupt nichts mehr lernen, weil eine Gemeinschaft es sich angewöhnt, diejenigen stillschweigend zu alimentieren, die nichts lernen können, wollen oder dürfen. Der Schulbesuch dieses Kindes hat keine, in Worten KEINE, Bedeutung. Fehlt mir da irgendwie die Intelligenz oder die Erleuchtung, dass ich die Wichtigkeit dieses Mädchens mit dem einprägsamen Namen nicht erkenne? Wenn ich das vergleiche mit der Idee, dass ich vielleicht Freitags einfach nicht mehr in die Arbeit gehe, ist Gretas Schulanwesenheit ein Fliegenschiss dagegen. Aber selbst das hätte keine Bedeutung, weil ich dann nach der ersten Woche da rausfliege und an meiner Stelle zehn Asylbewerber eingestellt würden. Es hat keine Bedeutung und wenn schon meine Arbeitsleistung gar keine Rolle in der. Welt spielt, was hat es dann mit dem Schulbesuch dieses doppelköpfigen Kindes? Wieso muss man da Aristoteles oder Sensoren bemühen, um zu begreifen, dass kein Hahn danach kräht, ob Greta zur Schule geht. Das ist alles nur eine hysterisch aufgeladene Propaganda-Aktion von Leuten, die ebenfalls keine Bedeutung haben. Bitte lasst uns damit in Ruhe! Bevor wir erst selber hysterisch werden müssen!

Martin Landner / 10.11.2019

Seit Extinction Rebellion hat sich Greta erledigt. Um FFF oder die Grünen fertig zu machen, muss man einfach nur möglichst viel über Extinction Rebellion reden, schon ist das gut gepflegte Image im Eimer. Die Typen haben erzählt “Milliarden von Menschen” würden in den “nächsten 6 Jahren” sterben, sie haben offen zugegeben, dass das eine absichtliche Lüge ist, sie wollen die Demokratie bekämpfen. Einfach nur über XR sprechen, schon sind die Grünen tot.

Wilfried Cremer / 10.11.2019

Ich sehe es andersrum. Nur das Vollkommene kommt ohne Grenzen aus. Denn: Aus der Sicht des Lichts ist alles Licht; aus der Sicht des Schattens sind Licht und Schatten. Grenzen abzulehnen ist also überheblich.

Marcel Bernard / 10.11.2019

Schöne Schwärmerei für ein abstoßendes, perfides und in Teilen illegales, ja gar kriminelles Verhalten dieser sektenartigen Endzeitbewegung inklusive planender und bezahlender Hintermänner. Und es wird im Artikel nicht einmal ein Ansatz für einen Ausweg aus dieser Bedrohung herausgearbeitet. Was wollen Sie uns mit Ihren Zeilen sagen, Herr Mücke? Dass wir keine Chance haben und uns besser diesem irren Schicksal fügen sollten? Oder habe ich etwas überlesen? Entschuldigen Sie bitte, aber mir gefällt dieser entmutigende Text jedenfalls ganz und gar nicht.

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