Ich liebe es, Nachrufe zu schreiben. Zum einen kommen sie meinem Hang zur Melancholie sehr entgegen, zugleich erlauben sie mir, mich gedanklich zurück in glücklichere Zeiten zu begeben, also in Zeiten, in denen vieles besser war. Ich denke, ich muss keine Beispiele dafür aufzählen, die werden Ihnen auch ohne meine Hilfe zu Dutzenden einfallen.
Wenn dieser Text hier kein Nekrolog ist, sondern ein Geburtstagsständchen, muss es dafür gewichtige Gründe geben. Und die gibt es, und nicht zu wenig. Und zwei Tage später darf man auch noch gratulieren, besonders an einem 1. April.
Am 29. März 1943, also in dieser Woche vor 77 Jahren, wurde Eric Idle im britischen South Shields am River Tyne geboren. „Im selben Hospital wie meine Mutter“, erzählt Idle und beeilt sich mit der Ergänzung „aber nicht im selben Jahr“. Er teilt dieses Geburtsdatum mit vielen weiteren wichtigen Personen. Ernst Jünger wurde an einem 29. März geboren, auch Castruccio Castracani, Zaccaria Dolfin, Tshülthrim Gyatsho, Reginald Goss-Custard und Nana Addo Dankwa Akufo-Addo taten da ihren ersten Schrei, wenn auch nicht im selben Hospital, ja nicht einmal im selben Jahr. Nur bei Ernst Jünger findet man eine bemerkenswerte Koinzidenz: Die Königsberger Zellstoff-Fabrik wird gegründet, nicht nur am Tag, sondern sogar im Jahr seiner Geburt.
Zurück nach England. 1943 herrschte Krieg, nicht ohne Folgen: Baby Idle wurde ernsthaft traumatisiert, woran er sich lebhaft erinnert: „Ich bekam einmal eine Micky Maus Gasmaske übergezogen. Seitdem habe ich mein Leben lang Angst vor Gummimasken und Micky Maus.“
Eric Idle ist – auch wenn er vieles andere in seinem Leben gemacht hat – den meisten aus seiner Zeit beim Monty Python Flying Circus bekannt. Dass er heute, mit 77, im Vergleich mit den anderen Pythons (jedenfalls den noch lebenden) besonders zerknittert ausschaut, liegt weniger an einem ungesunden Lebenswandel als vielmehr daran, dass er Ende der 1960er Jahre, als Monty Python bei der BBC für die politische Unkorrektheit sorgen durfte, gerade mal Mitte 20 war und über ein dementsprechendes jugendliches Äußeres verfügte. Da fällt der Unterschied zu heute natürlich mehr auf.
Idle beließ es bisher bei zwei Ehen
Für Monty Python Verhältnisse lebte und lebt Idle ein erstaunlich unspektakuläres Leben. Weder ruinierte er sich finanziell durch zahlreiche Ehen wie John Cleese, noch ging er bei Dreharbeiten tagelang verloren wie Graham Chapman, der stets auf der Suche nach knackigen Jungs und Alkoholika war. Idle beließ es bisher bei zwei Ehen – beide mit Frauen – und war geradezu unanständig solide. Als die Monty Python Truppe einmal von Hugh Hefner in dessen legendäres Playboy Mansion eingeladen wurde, brachte Idle seine Ehefrau mit.
Dennoch liebten ihn seine Kollegen heiß und innig. Was mehrere Gründe hatte. Er schrieb, im Gegensatz zu den Anderen, seine Sketche alleine und nicht im Team, was für die Vermeidung von Streit untereinander eine wichtige Rolle spielte. Stets war Idle zur Stelle, wenn es galt, sich nützlich zu machen. So beantwortete er, zumindest in der Anfangszeit der Monty Python Serie, persönlich die eintrudelnden Zuschauerzuschriften. Einmal, so erzählt er, habe es eine Beschwerde von einer bibelfesten Dame gegeben. Es sei ihr zu Ohren gekommen, dass einer der Pythons homosexuell sei, und Schwule, das stehe in der Bibel, müssten gesteinigt werden. Idle schlug die entsprechende Stellen nach, sah, dass die Zuschauerin recht hatte und antwortete ihr, man sei der Sache nachgegangen, habe den Sünder entlarvt und umgehend gesteinigt.
Mit den anderen Mitgliedern der Truppe teilte Eric Idle die beeindruckende Wandlungsfähigkeit. Häufig trat er in Frauenkleidern auf, was dank seiner jugendlichen Erscheinung für den Maskenbildner weitaus leichter zu bewerkstelligen war als bei John Cleese, Graham Chapman, Michael Palin, Terry Jones oder Terry Gilliam (womit ich alle genannt habe). Man denke nur an seine Darstellung der Rita Fairbanks, Sprecherin der Batley Townswomen's Guild, die eine Nachstellung der Schlacht von Pearl Harbor aufführt. Selbst den verschämten Augenniederschlag einer im ländlichen England lebenden Dame bekommt er so perfekt hin, dass selbst Lady Diana davon noch etwas hätte lernen können. Ich vermute allerdings, dass die spätere Princess of Wales diese Sendung nicht sehen wollte oder durfte; im zarten Alter von 8 Jahren war sie vermutlich mehr mit dem Striegeln von Pferden und dem Gassigehen mit ihrem Dobermann beschäftigt als mit albernen Fernsehsendungen.
Die Verkörperung von Schmierlappen
Zu Idles legendären Frauenrollen gehört auch die der protestantischen Ehefrau, die in „The Meaning of life“ ihrem Mann dezent Paroli bietet, als dieser schnauft, die Katholiken hätten so viele Kinder, weil die Frauen bei jedem Geschlechtsverkehr schwanger würden. „Das ist doch genau wie bei uns“ sagt sie. „Wir haben zwei Kinder.“
Neben der Darstellung von Frauen (oder Männern, die Frauen sein wollen) beherrschte Eric Idle ganz besonders gut die Verkörperung von Schmierlappen, seien es Showmaster, Moderatoren, Bartverkäufer, Nachrichtensprecher, Kneipenbekanntschaften oder philosophische Kellner.
Nach dem Ende von Monty Pythons Flying Circus und dem Abdrehen einiger abendfüllender Spielfilme mit seinen Kollegen betätigte er sich weiterhin solo in vielerlei Gewerken, als Schauspieler, Drehbuchschreiber, Buchautor, Musicalkomponist, Synchronsprecher. Und was weiß ich sonst noch. Ach ja, die großartige Fakedoku „The Rutles – All you need is Cash“ ist ebenfalls auf seinem Mist gewachsen
Vor allem aber – und deshalb schreibe ich dieses Geburtstagsständchen mit großer Freude – ist Eric Idle für eine beeidruckende Anzahl großartiger Songs verantwortlich. Sei es der „Galaxy Song“, sei es das feierliche „F*** Christmas“, sei es der „Penis Song“ im Stil von Cole Porter.
Eric Idles musikalisches Meisterstück ist ohne Zweifel „Always Look at the Bright Side of Life“, die Hymne aller Optimisten und laut meinen Informationen eines der beliebtesten Beerdigungs-Lieder, zumindest im angelsächsischen Raum. Dieser Song, erstmals vom gekreuzigten Idle aufgeführt im Film „Das Leben des Brian“, besitzt Gültigkeit für alle Zeiten, auch wenn seine Botschaft („If life seems jolly rotten / There's something you've forgotten! / And that's to laugh and smile and dance and sing“) nicht immer ohne Weiteres umzusetzen ist. Aber wenn man sich ein wenig Mühe gibt, klappt das schon.
Alleine für dieses Lied hat Eric Idle diesen Geburtstagsgruß verdient, auch wenn ich eigentlich viel lieber Nekrologe schreibe. Aber er hat es mehr als redlich verdient! Und so: „Happy Birthday, old Chap! Es lebe der 29. März! An diesem Tag jährt es sich zum 50. Mal, dass die deutschen Fernsehzuschauer erstmals bei ARD und ZDF die Nachrichten in Farbe empfangen konnten!“
Eric Idle über seine wichtigsten Rollen:
Eric Idle singt live „Life will get you in the end“
Eric Idle als Loretta im Leben des Brian
Eric Idle „I like Chinese“
The Rutles - Piggy in the Middle
John Cleese and Eric Idle's Secrets To A Perfect Marriage
Always look at the bright side of life