Die Fußball-WM birgt beeindruckende Erkenntnisse: Zum einen haben wir gelernt, dass man Tintenfischen trauen kann. Zum anderen müssen wir über den Pulli reden. Es gibt Frauen, die finden Jogi Löw sexy und seinen Pulli auch. Zu denen gehöre ich nicht. Den Mann finde ich langweilig, den Pulli ein bisschen aufregender.
Ich weiß, dass ich mit meinen Jogi-Pulli-Ansichten zur absoluten AußenseiterIn werde, aber da muss ich durch. Immerhin 800 Männer stehen derzeit angeblich auf der Warteliste für den Strenesse-Pulli aus Kaschmir, der 199 Euro kostet. Eine Warteliste, für Pullis! Die bei Strenesse haben wirklich alles richtig gemacht. Das ist Luxus-PR auf allerhöchstem Niveau. Besser kann man die Verknappung einer Ware nicht demonstrieren. Die könnten jetzt auch 2000 Euro für den Pulli verlangen. Es stehen jeden Tag Menschen auf, die bei solchen Kapitalismus-Spielchen mitmachen.
Die bei Nivea werden neidisch sein. Dort macht Jogi Löw nämlich Werbung; von einer Warteliste für Herrendeos haben wir allerdings noch nichts gehört. Mich wundert das nicht, aber dazu später. Hoffentlich hat Jogi genügend Achselduft eingepackt, denn er hat in den letzten Tagen verkündet, dass er seinen blauen Glückspulli immer tragen und zwischendurch nicht waschen will. Manchmal bedauere ich, dass Geruchsfernsehen noch immer nicht erfunden ist, diesmal ist’s ein Glück. Hoffentlich brechen in München oder Düsseldorf jetzt keine Unruhen aus. Nicht wegen Jogi. Wegen der Kaschmirware. Wenn jetzt alle Männer auf die Idee kommen, den blauen Pulli haben zu wollen- natürlich nur um all jene Frauen zu betören, die Jogi nicht erobern können – könnten sich in der Sommerhitze Aggressionen ihren Bahn brechen.
In Berlin ist das nicht zu befürchten. Ich befürchte, dass es da bestenfalls eine Handvoll Männer gibt, die den blauen Kaschmirpulli ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt haben. Wo es doch auch Pullis für fünf Euro gibt! Fährt man in der Hauptstadt Bus oder U-Bahn, so ist’s oft ein ernüchterndes Erlebnis. Viele Menschen riechen, als zählte Duschen nicht zu ihren morgendlichen Ritualen. Zu den abendlichen auch nicht. Benebelt steigt der geduschte Mensch aus oder um, aufs Fahrrad. Erstaunlich, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, bei „Wetten, dass…?“ Berliner U-Bahnlinien blind an ihrem Geruch erkennen zu wollen. Als Wettpaten schlage ich Paul vor.
Die Idee einer Warteliste für Deo erscheint in Berlin jedenfalls aberwitzig. Ich wäre manchmal schon froh, wenn Hauptstädter eine Seife benutzen würden, an ein Deo wage ich da gar nicht zu denken. Jogis Pulli soll nach der WM versteigert werden. Für einen guten Zweck, wofür auch sonst.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de