Die gute Nachricht: Die Wirtschaftskrise ist vorüber! Wenn ein Biergarten zehn Euro Eintritt nehmen kann, kann ein Land nicht darben. In der „Luise“ in Berlin liegen die „Luise-WM-Regeln und Infos“ auf den Tischen aus:
1. Aufgrund der hohen Nachfrage können Sie für die Deutschland-Spiele im Biergarten Tische reservieren für 13 Euro pro Person (davon 3 Euro Verzehrgutschein).
2. Der Eintritt bei den Deutschlandspielen ohne Reservierung beträgt 8 Euro (davon 5 Euro Verzehrgutschein).
3. Die Kellner sind verpflichtet sofort zu kassieren (Wenn ich Gastronom wäre, würde ich das auch versuchen- bevor die Gäste auf die Idee kommen könnten, sich gegen diesen Unsinn zur Wehr zu setzen.)!
Weitere Regeln, kurz gefasst: Gäste sollen keine Feuerwerkskörper mitbringen (vernünftig!), nicht über die Zäune klettern, den Kinderspielplatz nicht als Sitzplatz für Erwachsene benutzen und in den Gängen weder sitzen noch stehen. Die TV-Geräte sind nicht zu verstellen(Lautstärke etc.) oder zu verschieben. Wo kämen wir denn da hin, wenn alle versuchten, die Plasmabildschirme zu verschieben. Ordnung muss sein!
Die Betreiber der „Luise“ zeigen, wie die Gaststätte der Zukunft aussehen könnte. Wir haben noch ein paar gute Ideen, wie man Gäste an das Unternehmen binden könnte: 13 Euro Eintritt sind eine hübsche Idee, aber erst ab 100 Euro Eintritt bekommt man das Gefühl, einem elitären Abend beizuwohnen. Und das ist es doch, was Menschen wollen: Exklusivität. Außerdem sind 100 Euro eine schöne, runde Summe, die jeder dabei hat und die man problemlos abkassieren kann. Die Gäste sind an den Stühlen festzuketten. Dies hat für das Personal folgenden Vorteil: Die im Grunde störenden Besucher können bei einem Tor nicht jubelnd aufspringen und mit ihrer Lebensfreude am Ende die KellnerInnen stören. Zuerst werden die Boulevardblätter empört darüber berichten, aber das legt sich erfahrungsgemäß, spätestens dann, wenn herauskommt, dass als nächste Regel das Händchenhalten verliebter Gäste strikt untersagt wird (Begründung: zu romantisch).
Renitente Gäste, die sich nicht an die neue Vorschrift des Festkettens halten wollen, müssen im Gastgarten, Abteilung Starkstrom, Platz nehmen. Sobald sie aus Übermut oder weil sie dem Personal zu winken versuchen, um etwas zu bestellen, den Stacheldrahtzaun berühren, bekommen sie einen Stromschlag. Eine kleine, harmlose erzieherische Maßnahme. Es wird Gäste geben, die das gern haben, die anderen werden sich daran gewöhnen. Aus versicherungstechnischen Gründen müssen Gäste darüber informiert werden, wie stark die Stromschläge sind und ob es sich um Atomstrom oder Strom aus Windkraft handelt.
Das Herbeiwinken des Personals soll schrittweise abgeschafft werden. Das ständige Pinkeln der Gäste ist bis Ende 2010 ebenfalls schrittweise, aber konsequent, abzuschaffen. Dies könnte man so erreichen: Erst ab dem vierten Getränk darf man auf die Toilette (dies wäre derzeit von großem Vorteil, da von fünf Damentoiletten in der „Luise“ derzeit zwei defekt sind, was zu Wartezeiten führt), die Pinkel-Regelung wird von bewaffnetem Spezialpersonal überwacht. Idealerweise geht der Gast überhaupt nicht aufs Klo, dies wird mit einer Verzehr-Gutschrift von 27 Cents belohnt. Ab 270 Cents gibt es eine halbe Salzbrezel. Gäste, die lachen, müssen damit rechnen, dass ihnen davon umgehend 23 Cents abgezogen werden. Sollten Gäste sich mehrfach amüsieren, erhalten sie Lokalverbot.
Im Idealfall fungieren Biergärten und andere Gaststätten künftig als Stiftungen oder karitative Einrichtungen. Das Geld wird per Dauerauftrag überwiesen- der Gast bleibt zu Hause und verzehrt, was der Kühlschrank hergibt. Vom Sofa aus kann er auch problemlos seine liebgewonnenen Feuerwerkskörper abschießen.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de