Michael W. Alberts, Gastautor / 04.11.2020 / 13:00 / Foto: Pixabay / 24 / Seite ausdrucken

Fantastisch – der Lockdown funktioniert rückwirkend!

Die aktuellen Zahlen im täglichen RKI-Lagebericht vom Montag zeigen eines nur zu deutlich: Die von Bundeskanzlerin Merkel vorangetriebene, mütterlich strenge Politik ist ganz offensichtlich erfolgreich in der Bekämpfung der Pandemie. Sie ist sogar – und das lässt mich geradezu bewundernd zurück – rückwirkend erfolgreich: Die strenge Lockdown-Politik von Bund und Ländern, wirksam seit gestern, hat es vermocht, das Infektionsgeschehen im nachhinein abzumildern!

Wie schon häufiger erläutert, gibt es einen und nur einen zentralen zahlenmäßigen Kennwert, der – sofern zuverlässig errechnet – eine rationale Abschätzung erlaubt, wie stark sich der Krankheitserreger noch in der Bevölkerung verbreiten könnte, nämlich die „Reproduktionszahl“ R: Wie viele weitere Personen wird jemand durchschnittlich anstecken, der selbst infiziert wurde und die Krankheit durchmacht, mit Symptomen oder ohne? Wenn man Testergebnisse und den daraus abgeleiteten R-Wert ernstnimmt, die Bundeskanzlerin tut dies ja, dann lohnt es sich, die R-Lage ein wenig genauer anzuschauen.

Nehmen wir also alle montäglichen R-Werte des RKI seit Anfang Oktober. (Es gibt zwei Berechnungsvarianten, nämlich für 4 bzw. 7 Tage. Der Unterschied liegt darin, wie groß die Zeiträume sind, die miteinander verglichen werden, nämlich jeweils die letzten zurückliegenden „Ansteckungstage“, sozusagen eine Ansteckungs-Generation früher. Der 4-Tage-Wert reagiert kurzfristiger, aktueller, aber er leidet unter dem unterschiedlichen statistischen Verhalten zwischen Wochenende, Wochenanfang, im Laufe der Woche. Der 7-Tage-Wert ist daher stabiler und gibt besser den zugrundeliegenden Gesamttrend wieder. Ihn wollen wir also nun Revue passieren lassen.)

Folgende 7-Tage-R-Werte hat das RKI veröffentlicht: 1,08 am 5. Oktober // 1,25 am 12. Oktober // nochmals 1,25 am 19. Oktober // 1,30 am 26. Oktober // und nun, wirklich etwas überraschend: 1,04 am 2. November.

Nur unter erheblicher Verbiegung der deutschen Sprache

Im aktuellsten Bericht vom ersten November-Montag schreibt RKI dazu: „Die berichteten R-Werte liegen seit Anfang Oktober stabil deutlich über 1.“ (Seite 7 oben) Das ist, nebenbei gesagt, schon interessant, denn damit ist auch ein Wert von 1,08, wie vom 5. Oktober, in der Wahrnehmung des RKI „deutlich über 1“. Obwohl das 95%-Wahrscheinlichkeitsintervall für den statistisch nicht ganz exakt feststellbaren Wert zwischen 0,97 und 1,21 lag, offiziell, und damit sogar ein Stagnieren der Virus-Ausbreitung ohne weiteres möglich war.

Nun ist der Wert aber zuletzt auf 1,04 abgerutscht, und sogar dem RKI schwant irgendwie, dass sich das mit dem „deutlich über 1“ nur unter erheblicher Verbiegung der deutschen Sprache und jedes mathematischen Grundverständnisses halten ließe. Daher versteht man sich nun zu folgender Formulierung: „In den letzten Tagen hat der R-Wert leicht abgenommen, liegt aber weiter über 1. Das bedeutet, dass die Anzahl der neuen COVID-19-Fälle weiterhin zunimmt.“

Hui, das ist ja gerade noch mal gutgegangen. Allerdings: Diesmal liegt das „95%- Prädiktionsintervall“ zwischen 0,93 und 1,15 – das heißt etwas vergröbert, dass wir eine ungefähr Drittel-Wahrscheinlichkeit haben, dass die Ansteckungsumfänge gegenwärtig stagnieren oder sogar zurückgehen. Und das, obwohl sich die Test-Labore alle Mühe geben, weiterhin möglichst gefährlich wirkende Positiv-Testzahlen auf die Beine zu stellen, wie im aktuellen Beitrag von Dr. Gunter Frank erläutert. (Wobei viele davon vermutlich gar nicht mehr auf das ursprüngliche China-Virus ansprechen, sondern auf mutierte oder ähnliche Corona-Viren.)

Aber nehmen wir zugunsten einer auf höchste Vorsicht gestimmten Prognose an, die aktuelle Reproduktionsrate liege nicht nur bei 1,04, sondern nahe am oberen Grenzwert der Bandbreite, bei 1,1. Selbst das heißt nichts anderes, als dass – rein mathematisch gesprochen – die weitere Ausbreitung des Virus von einer rein linearen Entwicklung praktisch kaum unterscheidbar ist. 

Das eigentlich Wundersame an der Politik der Bundesregierung

Selbst wenn R über acht Generationen hinweg bei 1,1 bleiben würde, was anzunehmen eigentlich nicht sauber begründbar scheint, wäre das Ergebnis nur wenig mehr als eine Verdoppelung der Infektionen. Da das Gesundheitswesen im realen Alltag von Praxen und Krankenhäusern gegenwärtig „business as usual“ schiebt – angesichts der ungemütlichen Jahreszeit – und die meisten Ärzte das Virus immer noch nur aus dem Fernsehen kennen, wäre das definitiv keine Gefahr.

Nehmen wir hingegen den tatsächlich angegebenen Wert von 1,04 und unterstellen für diesen ebenfalls gleichbleibende weitere acht Generationen, dann würde sich die Zahl der Ansteckungen gerade noch um ein gutes Drittel ausweiten. (Und übrigens, da das RKI die Lage so empfindet, als habe R nur „leicht abgenommen“: Würde noch R von eine Woche früher gelten, nämlich bei 1,3 liegen, dann würde sich über weitere acht Generationen ungefähr eine Verachtfachung der Infektionen je Woche ergeben, anstelle eines Zuwachses um ungefähr ein Drittel. Dieser Unterschied zwischen wahlweise Faktor 8 und Zuwachs nur bei 35% ist also für RKI „leicht abgenommen“. Nun ja.)

Das wesentliche an diesen Zahlen beziehungsweise an der Zahl von Anfang dieser Woche ist natürlich, dass die entsprechenden Meldungen von Positiv-Test-Ergebnissen irgendwann vor dem Wochenende reingekommen sind und dass die Ansteckungen noch einmal weiter zurückliegen, nämlich um die mittlere Inkubationszeit; also zum Teil schon in der vorletzten Woche.

Und das ist eben das eigentlich Wundersame an der Politik der Bundesregierung, dass nämlich der in der panikbeherrschten Diskussion drohende Lockdown, den wir nun seit dieser Woche in Aktion haben, schon ungefähr 10 Tage vorher das Virus so verschreckt hat, dass es seine Ansteckungstätigkeit massiv eingeschränkt hat. Da kann man sich vor der Kanzlerin nur verneigen, bei solchem durchschlagenden Erfolg. Eine Seligsprechung dürfte damit wohl bald bevorstehen.

Foto: Pixabay

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s.andersson / 04.11.2020

Sind das nicht eigentlich schon Straftaten?? Und es geht doch jeden Tag noch etwas Blöder…. ich dachte wir hätten den Zenit der Gehorsamen Dummheit schon erreicht .... aber nee .... geht weiter: Wo bleiben jetzt die Gerichte die den Zauber beenden .... endgültig und wo bleiben die Menschen die auf die Strasse gehen und der Gurkentruppe zeigen wo der Hammer hängt. So langsam muss man das Spektakel sportlich sehen und den zivilen Ungehorsam raus holen .... sehr viel Schnaps trinken (das tötet den Weltgefährlichsten Feind- Zitat ende) .... evtl hat man dann eine faire Chance ein kleines bischen von den Rhetorischen Durchfall zu verstehen… Prost

Andreas Rühl / 04.11.2020

Als die Diskussionen um Tempo 50 innerorts viral gingen in den 50er Jahren sank die durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit in den Städten. Die tödlichen Unfälle wurden bereits weniger. Das war unabhängig vom Inkrafttreten der neuen Regelung. Nach dem Beginn von Tempo 50 sanken die Zahlen dann noch ein wenig weiter, ein paar Monate lang, um dann in kürzester Zeit wieder den alten Wert zu erreichen. Von daher kann es schon sein, dass die Lockdowndiskussion etwas “bewirkt” hat. Eher sollte man aber mal versuchen, die Durchschnittstemperaturen im Land mit den “Infektionszahlen” in eine Korrelation zu setzen. Ich vermute, dass wir dabei etwas lernen können darüber, warum man Infektionen mit derartigen Viren, die glimpflich verlaufen, “Erkältungen” nennt,

Petra Wilhelmi / 04.11.2020

Der R-Wert würde ja nur bei einem Test funktionieren, der eine wirkliche Infektion entdeckt. Da der Test das nicht kann, ist auch der R-Wert irrelevant. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Frances Johnson / 04.11.2020

Gemeldet nach JohnHopkins für gestern, Dienstag, den 3.11.20: 7.500 CV+, 48 Verstorbene an/mit. In einem einzigen Tag ist ein Rückgang beider Zahlen nicht durch Lockdown erklärbar, da die Ansteckungszeit mit 2-14, meistens zwischen 2 und 5 Tagen angegeben wird. Von dem R-Wert halte ich sehr wenig, da er, wenn angeblich 75% der Kontakte nicht auffindbar sind, schwer ermittelbar ist. Die Ablebenden dagegen liegen in ihren Betten. Falls die Zahlen weiter zurückgehen oder so bleiben, wird natürlich behauptet werden, es hätte am Lockdown gelegen. Somit ist hier dokumentiert, dass das nicht der Fall sein kann, nicht nach einem Tag, bei Verstorbenen ohnehin nicht..

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