Ein Kanzler-Wort für Sonneberg?

Im thüringischen Sonneberg wurde der erste AfD-Landrat gewählt. Was haben alle anderen Parteien und fast alle Medien nicht alles getan, um das zu verhindern. Sie alle haben sich verkalkuliert. Als in Thüringen eine Ministerpräsidentenwahl "falsch" ausging, ordnete die damalige Kanzlerin das Rückgängigmachen an. Das jetzige Wahlergebnis ist auch eine Folge solcher Missachtung des Wählerwillens. Und jetzt? Gibts wieder ein passendes Kanzler-Wort?

Es ist geschehen, trotz eindringlicher Warnungen aus fast allen Parteien, ihrer mit Steuergeld finanzierten Vorfeldorganisationen, von jedem Staatsvertragssender und beinahe jeder größeren Zeitung: In Sonneberg wurde Deutschlands erster AfD-Landrat gewählt. Ist das wirklich trotz all dieser Warnungen geschehen oder haben sich die vielleicht eher als Wahlkampfhilfe für den neuen Landrat Robert Sesselmann erwiesen?

Es ist ja gar nicht so lange her, da wurde es allenthalben noch zur rechten Verschwörungstheorie erklärt, wenn AfD-Politiker sagten, dass es einen Allparteienblock der sogenannten Altparteien gäbe, gegen den nur die AfD als einzige wirkliche Oppositionspartei stünde. In Sonneberg stand nun der CDU-Kandidat mit der Unterstützung aller etablierten Parteien einschließlich der SED-Erben gegen den AfD-Kandidaten in der Stichwahl. Eine ähnliche Konstellation gab es in den letzten Jahren schon in etlichen Städten und Landkreisen, in denen es ein AfD-Kandidat in die Stichwahl schaffte. Nur die Parteizugehörigkeit des überparteilich unterstützen Gegenkandidaten variierte. 

Bislang herrschte dann am Ende solcher Wahlsonntage in Politik und Medien allgemeine Erleichterung darüber, dass das Bündnis von allen gegen die eine Partei tatsächlich gewonnen hat und die AfD-Machtübernahme in der Provinz verhindert werden konnte. Bis gestern. Da ging die Rechnung plötzlich nicht mehr auf. Die Wähler spielten nicht mit.

Vor diesem Sonneberger Wahlsonntag machten sich die dem Allparteienbündnis zugeneigten Meinungsbildner in den Medien noch Hoffnung. Zwar hätte der AfD-Kandidat Sesselmann schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit beinahe erreicht, hieß es, aber die Wahlbeteiligung sei auch niedrig gewesen. Ein Umstand, den die meisten Kollegen leider immer nur dann entdecken, wenn ihnen das Wahlergebnis nicht gefällt. Aber natürlich ist eine Wahlbeteiligung von nicht einmal der Hälfte ein ernstes Legitimationsproblem, egal wie die jeweilige Wahl ausgeht. Viele aus dem Kommentariat (der Begriff ist so schön, ich musste ihn mir jetzt bei meinem Kollegen Claudio Casula einfach mal ausleihen) verbreiteten die Hoffnung, dass eine Mobilisierung von Nicht-Wählern zur Verhinderung eines AfD-Wahlsiegs führen könnte. 

Mehr Wahlbeteiligung half dem AfD-Kandidaten

Nun ist genau das Gegenteil geschehen. Die Wahlbeteiligung stieg von 49,1 auf 59,6 Prozent. Allerdings nutzte das dem AfD-Kandidaten Robert Sesselmann, der mit 52,8 Prozent der abgegebenen Stimmen zu Deutschlands erstem AfD-Landrat gewählt wurde.

Vor allem die überregionalen Warner vor der Wahl des AfD-Landrats fragen sich nun, wie das nur passieren konnte, dass die Sonneberger Wähler diese vielen Warnungen mehrheitlich einfach in den Wind schlugen? Eigentlich gibt es da gleich eine ganze Reihe von Erklärungen, nur muss man dazu bereit sein, die Wirklichkeit wahrzunehmen, auch wenn die nicht zur eigenen Ideologie passt.

Zum einen ist es der Punkt, der auch für das gegenwärtige Umfragehoch der AfD sorgt. Die de facto mit lockender Sozialversorgung geförderte und weitgehend ungesteuerte Asyl-Zuwanderung, mehrheitlich in die Sozialssysteme, oder die wohlstandsbedrohende "Energiewende" und die geplanten vormundschaftlichen Regeln und Verbote im Zeichen der sogenannten Klimarettung wird von keiner der einst und/oder jetzt regierenden Parteien wirklich überzeugend infrage gestellt. Wenn ein Bürger auf einem dieser Gebiete mit der herrschenden Politik nicht einverstanden ist und das mit seiner Wählerstimme mitteilen möchte, wen kann er da wählen? Welche Angebote gibt’s denn da im demokratischen Spektrum?

Natürlich war die Sonneberger Wahl eine Landratswahl, in der es eigentlich nicht um Themenfelder gehen müsste, die nicht in die Kompetenzen eines Landrats fallen. Nur wenn man überregional in schrillem Ton vor Mehrheiten für einen AfD-Landrat warnt, als ginge es darum, stellverstretend für die Vorfahren vor 90 Jahren eine NS-Machtergreifung zu vehindern, darf man sich nicht darüber beschweren, wenn nicht mehr übers Lokale diskutiert wird. Dabei ist es völlig egal, ob der AfD-Kandidat damit angefangen hat, solche Themen zu plakatieren. Man hätte ihn dann im Wahlkampf mit Landkreisthemen stellen können. Aber vielleicht brennt auch vielen Sonnebergern anderes mehr unter den Nägeln.

Vielleicht spielt in Thüringen auch eine Rolle, dass die Wähler im kleinsten Freistaat um ein versprochenes Wählervotum geprellt wurden. Außerhalb kann man sich ja vielleicht noch daran erinnern, dass im Februar 2020 der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen von CDU, AfD und FDP zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt wurde. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel dekretierte bekanntlich aus Südafrika, dass diese Wahl rückgängig gemacht werden müsse, woraufhin Kemmerich quasi zum Rücktritt genötigt wurde, auch von Berliner Parteifreunden. Die CDU sollte die Rolle des Mehrheitsbeschaffers für eine weitere von der Linken geführte rotrotgrüne Regierung spielen. Und damit sich die Thüringer Wähler, die die rotrotgrüne Landesregierung zuvor klar abgewählt hatten, sich nicht durch deren Fortsetzung völlig verschaukelt fühlen, wurden ihnen Neuwahlen nach einem Jahr versprochen. 

Wird man dem AfD-Landrat die Amtsausübung erschweren

Die Neuwahlen gab es nicht, die CDU spielte trotz einiger Spiegelfechtereien ihre Rolle als Mehrheitsbeschaffer für eine rotrotgrüne Landespolitik brav weiter und wird dies wohl auch bis zum regulären Landtagswahltermin im nächsten Jahr tun. Eine Legislaturperiode lang sind die Thüringer dann von einer 2019 abgewählten Regierung regiert worden. Ist es verwunderlich, wenn das manch ein Bürger für einen Systemfehler in einem demokratischen System hält? Und dass das manche Wähler bei einer stattfindenden Wahl – und sei es eine Landratswahl – der Obrigkeit auch mit ihrer Stimmabgabe mitteilen wollen?

Als die AfD im Jahr 2016 bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt aus dem Stand 24,3 Prozent der Stimmen bekam, reagierten weite Teile von Politik und Medien höchst aufgeregt. Natürlich fragten sich alle, wie das nur hat passieren können. Nur die Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte vergleichsweise gelassen. Auf die Frage, ob ein solches AfD-Ergebnis nicht Anlass für politische Kursänderungen sei, hatte sie das abgelehnt und darauf verwiesen, dass doch fast 80 Prozent der Wähler nicht die AfD gewählt hätten. Bewusst hat sie die Ursachen für die Protestwahl vieler Bürger ignoriert. Und was macht jemand, dessen Rufe nicht gehört werden? Resigniert er achselzuckend oder ruft er lauter und entschiedener?

2020 kam nach der Kemmerich-Wahl die schon erwähnte Forderung danach, die Wahl rückgängig zu machen. Und jetzt? Kommt jetzt auch ein Kanzler-Wort zu Sonneberg? Wird in Staatskanzleien schon überlegt, wie man einem AfD-Landrat die Amtsausübung erschweren kann? 

In einer Demokratie kann niemand die Interessen eines signifikanten Teils von Bürgern auf Dauer erfolgreich wegignorieren. Aber der Versuch, es zu tun, kann die Demokratie beschädigen. Das tut eine mangelnde Vielfalt im parteipolitischen Angebot ebenso. Zumindest solange ein nur auf Parteien fokussiertes Verhältniswahlrecht entscheidend ist.

Foto: Anaconda74 via Wikimedia Commons

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Peter Petronius / 26.06.2023

Die internationale Dimension der Wahl von Sonneberg wurde bislang nicht berücksichtigt. Die Reaktionen meiner angeheirateten Verwandtschaft in Österreich sind total gespalten. Das SPÖ-Lager in Panik, das FPÖ-Lager in Vorfreude, daß jetzt wieder über einen Anschluss abgestimmt werden könnte. Mit der Feststellung, daß Deutschland zu ordnungsgemäßen Abstimmungen in deutschen Gebieten, über die es die Kontrolle verloren hat, z.B. Berlin, absolut unfähig ist, habe ich die einen beruhigt und die anderen enttäuscht.

Rolf Wächter / 26.06.2023

@Antwort an Jacob Gröning. Ich nahm an, jeder weiß was vernünftige Wirtschaftspolitik ist. Die Wirtschaft wieder international wettbewerbsfähig machen: Steuern senken, (alles grüne Zeug wie EEG usw weg), Strompreis senken (Kraftwerke statt Energiewende), CO2-Quatsch reduzieren bzw. ganz weg. Und Bürokratieabbau, Vermögensbildung fördern, KI und Digitalisierung vorantreiben (USA und Asien und manche Länder in Europa sind Deutschland weit voraus). Bildungsniveau heben (Deutschland hat hier den Anschluss an die Weltspitze verloren), Infrasruktur wieder verbessern. Der von Ihnen erwähnte Sozialabbau ist das Ergebnis der jetzigen rotgrünen Politik: Steigende Armut aber Millionen von “Flüchtlingen” ohne Gegenleistung großzügig versorgen, Heizungsunsinn usw.

M. Buchholz / 26.06.2023

Da wird mit Sicherheit im demokratischsten Deutschland aller Zeiten auf Herrn Sonnemann schraf mit politischen Mitteln geschossen. Millionen linksgrüner aus dem ‘Kommentariat’ suchen und stöber. Und in der Tat wird er schon einmal eine Fliege gegen ihren Willen erschlagen haben.

B. Zorell / 26.06.2023

Ingo Minos / 26.06.2023   Ihre Szenerie mag stimmen. Wenn sie so kommt, um so schlimmer für die Altparteien.  Stoff für die Reden von Frau Weidel und Co. Und wem glauben die Wähler eher? Für die Altparteien ist es ein Ritt auf der Rasierklinge. Gut, daß eine Frau Petry und/oder Herr Meuthen nicht mehr in der AfD sind. Chrupalla, Weidel und Co werden den Rücken von Sesselmann stützen. Ich bin gespannt, welche Medien jetzt fair sind oder werden.

Wilfried Düring / 26.06.2023

T. Schneegaß: Ich denke der MDR ist unterm Strich deutlich besser als der Rest der Öffis, besondere wenn ich als leidgeprüfter Vorpommer an das Reschke-Fernsehen Nord denke. Also ich denke, MDR aktuell und FAKT IST! kann man schon mal gucken. Und auch den Kommentar des Guido Fischer kann man differenzierter sehen. Versuchen wir mal die Substanz aus dem Propaganda-Knust herauszuschälen und als ‘erfahrene Diktatursozialisierte’ noch ein bisschen zwischen den Zeilen zu lesen. Was findet wir?:  ’ ... Diese Allparteienallianz (!) hat vermutlich Sesselmann mehr geholfen als geschadet.  ... Auch wenn der Kreis Sonneberg auf den ersten Blick wirtschaftlich ganz gut dasteht - Gründe für Frust gibt es genug. Für Frust sorgen die anhaltenden Krisen, von denen Sesselmann profitiert hat. Die Corona-Krise hat das Land entzweit. ... Viele bezweifeln, dass es richtig ist, immer mehr Waffen in die Ukraine zu schicken. Die Energiepreise sind für Privatleute und vor allem für die Wirtschaft eine immense Belastung. Es gehen wieder existenzielle Ängste um. Ganze Industriezweige wie die regional bedeutende Glasindustrie stehen vor dem Aus. ... Die Menschen interessieren keine Kooperationsverbote aus Parteizentralen und ideologische Grabenkämpfe der 90er-Jahre. Sie erwarten, dass Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht und schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden. Sie erwarten, dass Menschen, die kein Bleiberecht haben, schnell abgeschoben werden. Eltern erwarten, dass in den Schulen genug Lehrerinnen unsere Kinder unterrichten. Unternehmer und Arbeitnehmer hoffen auf finanzielle Hilfen gegen die hohen Energiepreise. Die Menschen auf dem flachen Land brauchen bessere ÖPNV-Angebote und eine gute medizinische Versorgung. ...’ Ja, wie kann denn dieser ‘MDR-Lümmel’ in dieser ‘kritischen Phase’ sowas nur schreiben? Die Genossen von der Sicherheit würden sagen, daß ist ‘Versöhnlertum’ pur! Versteht der MDR das unter ‘Flagge zeigen’? Als grüner Gebührenzahler wäre ich erschöttert!

T. Schneegaß / 26.06.2023

@Gerd Quallo: “Bin mit vielem nicht einverstanden, was die AfD angeht,.... ” Zum Glück, Herr Quallo, geht es Ihnen wie mir. Wenn es anders wäre, wären wir erbärmliche Lemminge. Die Schnittmenge muss größer sein als mit anderen, das genügt vollkommen. Wenn ich den Schon- und Schmusekurs der sächsischen AfD gegenüber dem Kretschmer-Regime sehe (sie lehnt es z.B. bis heute ab, einen UA zu dessen Terrormaßnahmen und den polizeilichen Schläger-Orgien während Corona auch nur zu beantragen), könnte ich k… Trotzdem wähle ich sie. Wen denn sonst?

Gunther Laudahn / 26.06.2023

Wählt AfD, oder wählt euren Untergang.

T. Schneegaß / 26.06.2023

@Wilfried Düring: Habe auch gerade mal beim Kretschmer-Funk reingeschaut. Zwei Beispiele aus dem Kommentar eines Herrn Guido Fischer: “Mit Robert Sesselmann wurde ausgerechnet ein loyaler Gefolgsmann des gefährlichsten Rechtsextremisten innerhalb der AfD, ihrem Thüringer Landes-Chef Björn Höcke, zum Landrat gewählt.” Verständlich, hatte doch Höcke gerade Fischers Frau vergewaltigt und seine Kinder gefressen. Und weiter im Hetz-Jargon: “Was hat Sesselmann als bisheriger Landtagsabgeordneter dagegen (von mir ergänzt: gemeint ist die verbrecherische Politik von rotgrün) unternommen? Nichts.” Das ist der Gipfel von Demagogie, einem Abgeordneten einer Partei, der man offen bescheinigt, sie praktisch im Parlament nicht wahrzunehmen und jede Zusammenarbeit mit ihr und jeden Vorschlag von ihr abzulehnen, Nichtstun vorzuwerfen. Nur noch ekelhaft.

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