Dirk Maxeiner / 17.04.2024 / 06:00 / Foto: Imago / 138 / Seite ausdrucken

Diesmal sind sie zu weit gegangen

Die Polizei-Blockade einer Konferenz prominenter europäischer Konservativer, darunter Viktor Orbán und Nigel Farage, ausgerechnet in Brüssel, ist der erste Skandal zur Europawahl – und ein Sockenschuss.

Während in Deutschland bis gestern Abend nur einige alternative Medien berichteten, zieht der Skandal um die National Conservatism Conference (kurz: NatCon), eine Jahreskonferenz europäischer Konservativer in Frankreich, Großbritannien und USA bereits weite Kreise. Die deutschen Abendnachrichten mieden das Thema auffällig, offenbar in Ermangelung einer amtlichen Deutung des Geschehens.

Wenn eine Konferenz unter Teilnahme konservativer europäischer Schwergewichte auf diese Art und Weise im „Kampf gegen rechts“ verhindert wird, dann läuft man womöglich selbst hierzulande Gefahr, sich auf das falsche Pferd zu setzen. Denn auch erklärte Feinde eines nationalkonservativen Weltbildes bezeichneten das Vorgehen der Verantwortlichen in einem offenen Brief als „ein Gräuel für eine freie und offene Gesellschaft“. Der belgische Premierminister raunzte die Brüsseler sogar an, ihr Vorgehen sei schlicht „verfassungswidrig“, und der britische Premier Rishi Sunak verurteilte „die Attacke auf die Meinungsfreiheit“.

Schließlich wurden hier die totalitären Anwandlungen, die der eine oder andere Redner auf der Konferenz in Sachen EU erst anprangern wollten, a priori live vorgeführt. Quod erat demonstrandum gewissermaßen, was man nur als politische Dämlichkeit ersten Ranges bezeichnen kann. Nigel Farage, der seinen Eröffnungsvortrag im Angesicht der anrückenden Polizei hielt, verwandelte diese Steilvorlage dann auch mit einem routinierten Elfmeter.

„Wenn mich etwas davon überzeugt hat, dass es richtig war, die Ideologie der Europäischen Union zu verlassen, dann sind es die heutigen Ereignisse“, sagte er. „Es ist ungeheuerlich – aber ich sage Ihnen, es hat mir einen Gefallen getan", sprach er über das versuchte Verbot der Veranstaltung und wies in Richtung der blauen Uniformen, die im Großaufgebot angerückt waren.

„Um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten"

Der Kampf um das Ausrichten der Tagung hatte schon Tage zuvor begonnen. Am Wochenende hatte der erste Veranstaltungsort nach Intervention des sozialistischen Bürgermeisters Philippe Close seine Zusage zurückgezogen. Am Montag hatte auch der Ausweichort das Treffen abgesagt, nachdem dieser Zuschriften von Leuten erhalten hatten, die im Europäischen Rat aktiv seien. Beim dritten Mal fanden die Tagungsgäste Zuflucht im Brüsseler Hotel Claridge, dessen tunesischer Besitzer sich zunächst nicht einschüchtern ließ. Nigel Farage ließ aber wissen, dass auch der Besitzer des Claridge von Brüsseler Beamten mit Boykott bedroht worden sei: „Er könne sein Hotel gleich schließen, wenn er diese Konferenz stattfinden lässt".

Als das nicht zog, wurde eine Sicherheitsbedrohung konstruiert. Der ortszuständige Bürgermeister Emir Kir erließ ein Veranstaltungsverbot, „um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten“. Es bestand demnach die Sorge des Bürgermeisters etwa in potenziellen „rassistischen oder homophoben" Äußerungen der Konferenzteilnehmer. Außerdem sei die „extreme Rechte" in Brüssel grundsätzlich nicht willkommen.

Gemeint waren damit Personen wie die ehemalige britische Innenministerin Suella Braverman, der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Brexiter Nigel Farage, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der französische Präsidentschafts-Herausforderer Eric Zemmour und aus Ungarn Viktor Orbán. Aus Deutschland standen unter anderem Hans-Georg Maaßen und Gloria Fürstin von Thurn und Taxis auf der Gästeliste. Achgut-Autorin Orit Arfa ist ebenfalls vor Ort und berichtete von chaotischen Verhältnissen. Teilnehmer wurden nicht in den Saal hineingelassen, wer den Saal verließ, konnte nicht mehr hinein, selbst die Verpflegung musste durch die Hintertür besorgt werden.

Praxis in der „alten Sowjetunion“

Nigel Farage verglich diesen Versuch eines „sozialistischen Brüsseler Bürgermeisters" mit der Praxis in der „alten Sowjetunion", in der „keine alternative Sichtweise erlaubt" sei: „Das ist ganz im Stil des alten Kommunismus: Wer nicht mit mir übereinstimmt, muss verbannt werden, er muss ausgeschaltet werden". Es gehe darum, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni nationale Stimmen zu unterdrücken, weil sie die globalistische Ideologie Brüssels infrage stellten und gegen eine „immer engere Union" seien. „Wir können sehen, dass legale Meinungen von Leuten, die nationale Wahlen gewinnen werden, hier in Brüssel – der Heimat des Globalismus – nicht mehr akzeptabel sind."

Francesco Giubilei, Präsident und Mitorganisator der Konferenz, schildert die Situation so: „Jetzt ist das Veranstaltungsgelände von der Polizei umstellt, die niemanden mehr hereinlässt, nicht einmal Eric Zemmour, der um 16 Uhr sprechen sollte.“ Und weiter: „Während wir mit ‚pro-europäischen Werten‘ prahlen, wird es uns verwehrt, eine Konferenz mit Gästen abzuhalten, darunter ein Premierminister, Europaabgeordnete, Parteiführer, Intellektuelle und Journalisten".

Eric Zemmour kommentierte: „Ich sehe, dass der Bürgermeister, der offenbar Verbindungen zu Erdogans Islamisten hat, die Polizei als private Miliz nutzt, um zu verhindern, dass sich Franzosen und Europäer frei äußern..., heute sehen wir, dass Belgien ein Land zwischen Scharia und Diktatur ist. Was für ein beschämendes Schicksal für ein so schönes Land".

Sie konnten die Redefreiheit nicht länger ertragen

Aus Italien meldete sich Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. „Was in Brüssel passiert, lässt uns ungläubig und bestürzt zurück." 

Die belgische Polizei habe die Konferenz frühzeitig nach zwei Stunden abgebrochen, erzählte Viktor Orbán süffisant, „ich schätze, sie konnten die Redefreiheit nicht länger ertragen. Das letzte Mal, dass sie mich mit der Polizei zum Schweigen bringen wollten, war, als die Kommunisten sie 1988 auf mich hetzten. Wir haben damals nicht aufgegeben und wir werden auch dieses Mal nicht aufgeben!“

Belgiens liberaler Regierungschef Alexander De Croo bezeichnete den Vorfall leicht peinlich berührt als „inakzeptabel“. Die kommunale Autonomie sei ein Eckpfeiler der belgischen Demokratie, könne aber niemals die belgische Verfassung außer Kraft setzen, die Freiheit der Rede und der friedlichen Versammlung garantiere.

Eine illustre Runde von Unterzeichnern, politisch eher anders gepolt als die Konferenz, formulierte noch gestern einen offenen Brief: „In der Tat glauben wir, dass der Nationalkonservatismus als politische und ideologische Bewegung sowohl empirisch als auch normativ an den meisten Fronten zutiefst falsch liegt", das ändere aber nichts daran, dass „der Einsatz von öffentlicher Autorität und Polizeigewalt, um friedliche Konferenzen und öffentliche Versammlungen zu schließen, ein Gräuel für eine freie und offene Gesellschaft ist... Wir sagen dies als Kritiker des Nationalkonservatismus, nicht als Verbündete".

Die ehemalige britische Innenministerin Suella Braverman sprach von der „Gedankenpolizei" und erklärte: „Ich bin hier mit gleichgesinnten Demokraten, demokratisch gewählten Politikern, führenden Persönlichkeiten und Experten auf ihrem Gebiet, und wir sind hier, um über die Themen zu sprechen, die für das britische Volk wichtig sind... die Sicherung unserer Grenzen, die Erhöhung der Sicherheit unserer Gemeinden, der Schutz unserer Länder". Und dann erinnerte sie an die Worte von Margaret Thatcher: „Je lächerlicher, weit hergeholter und extremer ihre Versuche sind, uns zum Schweigen zu bringen, desto mehr freue ich mich darüber" (siehe oben Nigel Farage).

Eine gut informierte Spitze konnte sie sich ebenfalls nicht verkneifen: „Was mich wirklich beunruhigt, ist die Tatsache, dass der Bürgermeister von Brüssel erst letztes Jahr den Bürgermeister von Teheran hier in Brüssel empfangen hat. Und doch scheint er ziemlich beleidigt zu sein über demokratisch gewählte Politiker, Menschen aus dem ganzen europäischen Kontinent, die Millionen von Menschen eine Stimme geben".

Ergänzung:

Mittlerweile wurde die Einschätzung des belgischen Premiers, wonach das Vorgehen gegen die Veranstaltung verfassungswidrig sei, bestätigt. Unter anderem die NZZ berichtet: „Am Mittwoch hob der Staatsrat die Polizeiverordnung auf, und der zweite Konferenztag begann ohne Zwischenfälle, dafür aber mit deutlich erhöhter medialer Aufmerksamkeit.“

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com

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Heiko Stadler / 17.04.2024

Die UdSSR war eine menschenverachtende Diktatur, aber sie war hundert mal besser als das “Friedensprojekt” EU, das den einheimischen Menschen den Boden unter den Füßen entzieht, um ihren Kontinent als Siedlungsgebiet für Glücksritter aus aller Welt zu verramschen.

Wilfried Düring / 17.04.2024

Die Wokisten zeigen offen ihre gewalttätige, totalitäte Fratze. DAS ist die schöne, neue Welt ala rot-gruen. Und in JEDER Stadt, JEDEM Dorf, JEDER Firma soll das durchgesetzt werden! Alle, die nicht auf Linie sind, sollen als Aussätzige ausgegrenzt werden - ohne die Chance auf eine Rückfahrkarte. Und nicht vergessen: Die schöne, neue Welt labelt unter dem freundlichen Begriff: ‘UNSERE Demokratie’.

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