Max Zimmer, Gastautor / 07.11.2019 / 06:08 / Foto: Netflix / 77 / Seite ausdrucken

“Die Welle” auf der falschen Welle

Netflix hat eine neue deutsche Serie im Sortiment. Mit „Wir sind die Welle“ will sie aktuelle politische Themen aus der Perspektive von Jugendlichen aufarbeiten. 

Hierzu hat man sich für ein Remake des Films „die Welle“ aus dem Jahr 2008 entschieden, der auf dem gleichnamigen Buch von Morton Rhue basiert und sich mit der Entstehung kollektivistischer und totalitärer Bewegungen auseinandersetzt. Das Buch aus dem Jahre 1981 wurde von einem Experiment an einer amerikanischen High School inspiriert, bei dem der Geschichtslehrer Ron Jones von seinen Schülern mit der Frage konfrontiert wurde, wie die Konzentrationslager überhaupt möglich waren und warum die deutsche Bevölkerung so etwas zuließ.

Um den Schülern zu demonstrieren, wie kollektivistische Systeme funktionieren, führte Jones ein Experiment durch, bei dem er eine Art faschistische Jugendorganisation gründete und seine Schüler bewusst manipulierte. Nach einer Woche waren aus den anfänglich etwa 90 beteiligten Schülern bis zu 200 geworden, die sich der Bewegung anschlossen. Jones brach das Experiment daraufhin abrupt ab, indem er den Schülern die Parallelen zu nationalsozialistischen Jugendorganisationen aufzeigte.

Es ist wohl kaum zu bestreiten, dass jenes Format, ähnlich wie Orwells „1984“, vor allem als Warnung zu verstehen ist, und ein Bewusstsein dafür schaffen will, wie schnell Ideologien in Kombination mit einer Gruppendynamik zur Entstehung von Diktaturen führen können.

In der Neuauflage von Netflix wird diese eigentliche Moral im wahrsten Sinne auf links gedreht. Die Bewegung, um die es hier geht, entsteht nicht im Rahmen des Unterrichts oder auf Betreiben von Lehrern, sondern kommt von den Schülern selbst. 

Eine Karikatur, ein Propagandabild

Die Themensetzung verrät dabei recht schnell, aus welcher politischen Richtung hierbei der Wind weht: Es geht um Umweltverschmutzung, Rechtspopulismus, steigende Mieten und um eine antikapitalistische Jugendbewegung, die sich der Themen annimmt. Das ursprüngliche Konzept der „Welle“-Bücher und -Filme wird dabei mehr oder weniger über den Haufen geworfen. In „Wir sind die Welle“ stilisiert man eine Welt des Bösen, von rassistischen Mitschülern über ausbeuterische Firmenbesitzer, Miethaie und ignorante Archichtekten bis hin zur „NfD“, der blauen Partei mit dem roten Pfeil, die den Faschismus wieder einführen will. Gegen all das wehrt sich nun eine Gruppe von Freunden, die sich aus dem intelligenten Einzelgänger und ehemaligen Autonomen Tristan, der Oberschichtenschülerin Lea, dem dicklichen Umweltaktivisten Hagen, dem Deutsch-libanesen Rahim und der unbeliebten Zazie zusammensetzt. 

Die Serie wirkt bei der Erzählung alles in allem extrem gestaged, alles ist auf ein sehr linkes Gesellschaftsbild zugeschnitten. Eine Karikatur, ein Propagandabild einer Gesellschaft, die es so gar nicht gibt. 

Von den ausländerfeindlichen Jungen im Gymnasium über die Dialoge mit Lehrern, „NfD“-Politikern oder dem Fabrikbesitzer wird vor allem ein Klima erzeugt, das ein klassisches Gut-gegen-Böse-Schema schafft. 

Aus der ursprünglichen Idee der „Welle“, die die Manipulierbarkeit junger Menschen thematisiert, wird eine linksgrüne Filterblase, die eine fiktive Gesellschaft porträtiert, die der Wirklichkeit nicht wirklich gerecht wird. So wird öfter gezeigt, wir der arabische Junge Rahim von deutschen Schülern gemobbt wird, was vor allem den Effekt schaffen soll, eine rassistische Drohkulisse aufzubauen, die Sympathien beim Zuschauer für die anti-rechts-Rhetorik weckt. Guckt man sich die Realität in westdeutschen Großstädten an, ist dies – vorsichtig formuliert – aus der Luft gegriffen. Wir haben eine Jugendkultur in Deutschland, die maßgeblich von den arabischen und türkischen Jugendlichen geprägt wird, ob Rap, Shisha-Bar oder Sprache. Wer jemals an einem westdeutschen Gymnasium oder einer Gesamtschule war, kann nicht behaupten, Araber würden von Deutschen systematisch gemobbt.

Verhetzung des Publikums

Tatsächlich ist es in der echten Welt oft andersherum, auch wenn das nicht in das Weltbild jener Interpretation der „Welle“ passt. Die Realität? Wie gesagt: Auf Links gedreht. Dieser Stil ist symptomatisch für die gesamte Serie, das ursprüngliche Konzept wird ad absurdum geführt, und anstatt klar und deutlich die katastrophalen Auswirkungen kollektivistischer Ideen und Gruppendynamiken zu thematisieren, wird die schwammige Frage in den Raum gestellt, wie „weit man für seine Ideale gehen“ darf. Hierbei wird bewusst ein „künstlerischer Interpretationsspielraum“ gelassen, ohne eine eindeutige Antwort zu liefern. Das geht selbst so weit, dass der zum Faschisten stilisierte „NfD“-Lokalpolitiker vergiftet wird, ein klarer Bezug zur AfD, und eine gefährliche, wenngleich bewusste Verhetzung des Publikums stattfindet, die keinerlei Grenzen mehr kennt. 

Ohne eine im Laufe der Sendung aufkommende klare Darstellung einer aus dem Ruder gelaufenen Bewegung wird das Gut-gegen-Böse-Muster durch die Serie hinweg porträtiert, die politische Intention der Jugendlichen soll als positiv und richtig dargestellt werden, und lediglich die Radikalität wird als Frage in den Raum gestellt. 

„Wir sind die Welle“ kann als eine mehr als fragwürdige Neuauflage des alten Stoffs betrachtet werden, in dem zwar derselbe Prozess der Radikalisierung dargestellt wird, jedoch in einem sehr suggestiven und nahezu positiven Deutungsrahmen, der die ursprüngliche Lehre des Buchs entkernt. „Wir sind die Welle“ ist der Versuch von Netflix, ein linkes, urbanes und vor allem junges Publikum anzusprechen, ohne dabei tiefgründiger die Ideale jener Menschen anzugreifen. Das ursprüngliche Werk sollte Gefahren aufzeigen – diese Serie scheint „Welle“-Bewegungen eher als eine Chance zu begreifen.

 

Max Zimmer, 17, ist Schüler aus Münster und schreibt auch für den Schüler- und Jugendblog Apollo-News.

Foto: Netflix

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Leserpost

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Thorsten Helbing / 07.11.2019

@Karl Auerbach: Besser! Ich habe Interviews von Teilnehmern der Freitagsdemos gesehen, wo pupertiernde Milchbubies und trotz Farbe im Gesicht sichtbar den Hormonen geschuldete verpickelte junge Frauen der Meinung waren, das CO2 würde Bäume und Pflanzen TÖTEN. Warum dann in Gewächshäusern CO2 eingeleitet wird und warum das Gemüse dadurch erst mal so richtig Gas gibt, diese Frage wurde leider nicht gestellt.

Sabine Lotus / 07.11.2019

Also eines können wir schonmal festhalten: Sollte man wie der “Friedensnoberlpreisträger” trotz weltweitem Klimaalarm eine Villa am Strand kaufen wollen, ist es ratsam, sich ein Kloppivolk wie die Deutschen vorzunehmen und die mit Netflix à la Nazi zu füttern. Bei dem Rubel, der da rollt sind auch 14mio$ verzichtbare Peanuts. Oder weiß er etwa etwas, was wir nicht wissen? Ohhhh…

Thorsten Helbing / 07.11.2019

Produzierte Serien bei Netflix stecken voll mit Propaganda der hier beschriebenen antikapitalistischen Art. So sehr ich zum Beispiel die deutsche Netflix-Serie “Dark” vom Set und vom Thema her mochte, so sehr war auf sehr durchsichtige Art Propaganda der heutigen Zeit eingewebt. Als würde 1983 eine Frau im PKW zu ihrer minderjährigen Tochter so etwas wie “Die Ewiggestrigen werden noch begreifen das eine Frau es ebenso kann” erbost zurufen und die Serie Discovery im Star-Trek Universum schaffte es sogar in einer Folge die zwei Themen Migration, bzw Asyl mit der Umweltverschmutzung zu kombinieren. Selbstverständlich der Hinweis, das dieser Alien-Migrant - mittlerweile wertvoller Brückenoffizier - für immer und ewig Dankbar sein wird, aus in seiner Heimat herrschenden misslichen Lage herausgeholt worden zu sein. Das was in Deutschland geschieht - es geschieht weltweit. Mangels neuartiger Produkte wie seinerzeits der PKW oder vor kurzem das Smartphone welche die Verschuldung und das Rad weiter drehten, wird nun weltweit der “Umweltschutz” zu einem Business. Aus denselben Gründen. Und da ist man auch bei Netflix nicht vor gefeiht, sich dieser Propaganda aussetzen zu müssen.

Werner Baumschlager / 07.11.2019

Ich kann die Kritik nicht ganz nachvollziehen. Die Serie handelt ja genau davon, wie auch eine linke Bewegung entarten und bösartig werden kann. “Die Welle auf links gedreht” ist also schon durchaus korrekt. Der Grundton hier ist aber fast, als ob man sich eine Wiederauflage der “Welle” gegen rechts gewünscht hätte.

Thomas Schmidt / 07.11.2019

Auch das Ursprungsexperiment von “die Welle” krankt ja daran, dass das deutsche KZ Beispiel verwendet wird. Tatsächlich waren KZs aber von Profis (Soldaten) betriebene Lager, ähnlich wie Guantanamo, die der normalen Bevölkerung sehr wenig bekannt waren und keinesfalls von hormongesättigten Wellendynamiken getragen waren. Das waren Soldaten im Krieg deren Job es war Lager zu bewachen, und die naturgemäß (und zwangsläufig) ihre Tötungshemmung verloren hatten, wie das bei allen Soldaten aller Kriegsparteien eben so ist. Ruanda wäre ein viel besseres Beispiel gewesen. Dort hat wirklich ein Genozid durch die normale Bevölkerung stattgefunden, da haben sich Nachbarn auf grausamste Art massakriert, in einer dynamischen Welle von aufgestautem Hass.

Heiko Loeber / 07.11.2019

Ganz wie Oliver Welke kämpft die netflixsche Welle gegen einen selbsterschaffenen Strohmann. Die Cosplay-Jugendlichen sollten sich mehr alternative Medien zu Gemüte führen - und dabei Menschen wie Broder oder Lengsfeld kennen- und schätzen lernen und vielleicht sogar begreifen, dass “die Nazis/Klimaleugner” viel mehr an Facettenreichtum zu bieten haben als Höcke, Gauland und ihr volkstreu ergebener Hutbürger zusammen.

Michael Hillmann / 07.11.2019

Der Artikel hat das Problem dieser „Produktion“ PERFEKT auf den Punkt gebracht.  Kein Wunder, das dieser Mist mit 1.500.000 Euro von der deutschen Filmförderung, und damit vom Steuerzahler gesponsert wurde! Schliesslich versteht man unter Sponsoring die Förderung von Einzelpersonen, einer Personengruppe, Organisation, oder ein kommerziell orientiertes Unternehmen in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen, MIT DER ERWARTUNG, eine die eigenen Kommunikations- und Marketingziele unterstützende Gegenleistung zu erhalten. Et Voila, liebes Blockparteienkartell! Max Zimmer, diesen Namen muss man sich merken! An dem Artikel hat mich alles beeindruckt! Unglaublich, das ein noch so junger Mensch wie Herr Zimmer, so aufgeklärt, so rational, einen Sachverhalt wie diesen so durchblickend ausdrücken kann. Chapeau!!! Sie sind genial.

Karl Krumhardt / 07.11.2019

Lieber Herr Zimmer, vielen Dank, dass Sie das für uns gesichtet haben! Das zeugt von großer Tapferkeit und Leidensbereitschaft. Herzlich Karl Krumhardt

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