@Dr.Freund, ein Unterschied zwischen modernen Kampfflugzeugen und Passagierflugzeugen ist, daß es für Kampfflugzeuge keinen Stallzustand gibt, bei dem alleine die Triebwerke nicht schon zumindest theoretisch einen Absturz verhindern könnten. Steht der Jet senkrecht, gibt es überhaupt keine nach oben wirkende Kraft außer dem Antrieb. Der Jet wird zur Rakete, die nicht herunterfällt, sondern nach oben schießt. Mit genügend starkem Antrieb kann jedes Brett ohne Profil zum Flugzeug werden. Die Erfordernis einer ausgeklügelten Elektronik ergibt sich aus der enormen Antriebskraft (bei kleinem Gesamtgewicht), aufgrund der die Kampfflieger sehr schnell sind und daher auch sehr schnell die Flugzustände wechseln können. Ein menschlicher Pilot wäre alleingelassen nicht mehr reaktionsschnell genug. Bei Passagierflugzeugen ist das Verhältnis Schubkraft zu Gesamtgewicht ganz erheblich kleiner. Eine Elektronikunterstützung alleine aus Gründen unzureichender menschlicher Reaktionsschnelligkeit ist bei ihnen nicht prinzipiell notwendig.
Vielen Dank Herr Hofmann-Reinicke, Sie haben die dramatischen Ereignisse sehr unterhaltsam beschrieben. Ja, irgendwann ist die Schraube eben überdreht. Das Beispiel aus der Automobilindustrie mit VW 1972 ist hier durchaus passend. Es geht eben nicht immer billiger UND leistungsfähiger. Bezahlen muss es immer jemand. Aktuell bei Boeing eben die Passagiere der beiden Unglücksflüge und die mindestens so unglücklichen Crews. Demnächst die Mitarbeiter von Boeing. Die Idee mit den Riesen-Triebwerken an dem schmächtigen Flugzeug musste doch bei vielen Boeing-Mitarbeitern bereits während der Entwicklung Widerwillen hervorgerufen haben. Nicht nur bei ausgebildeten Ingenieuren. Aber irgendjemand hat den Deckel draufgehalten bis hoch in die Administration. Mir sieht das schon nach mutmilliger Zestörung aus, was bei Boeing in den letzten Jahren passiert ist. Andererseits sieht man ähnliche Muster aktuell weltweit, nicht nur in Unternehmen - könnte also am Zeitgeist liegen. Und ganz unabhängig von möglichen Bedienungsfehlern der Piloten in den beiden Unglücksmaschinen ist eine reine Softwarelösung ohne Pilotennoteingriff für die den Einsatzbereich schlicht untauglich. So ganz verstehe ich eh nicht, warum Boeing nicht die 767 weiterentwicklelt hat, um den 737-8xx/9xx Strecken ab 500 Meilen und mehr abzunehmen.
Interessante Gesamtübersicht des Vorgangs durch den Autor. Auf den Vorwurf, “die Piloten hätten die „Trim Cutout Switches“ nicht betätigt, also die Schalter, mit denen man dem unheilvollen Mechanismus einfach den Strom gekappt hätte” gibt`es eine einfache Antwort: die Piloten haben wegen der fehlenden Typschulung von der installierten MCAS-Software nichts gewußt und konnten sich dadurch das eigentümlich Flugverhalten technisch nicht erklären. Es soll auch keine Hinweise in den Betriebsanleitungen gegeben haben. Wie schon geschrieben, eine Kette von Fehlentscheidungen und Vertuschungsversuchen des Herstellers aus Profitgründen. Vermutlich hat der Typ MAX für alle Zeiten seinen Stempel weg - wer will da noch als Passagier mitfliegen?
“Dass dieses Thema mehr ist als eine rhetorische Warnung für neue Piloten, das zeigte sich auf tragische Weise im Juni 2009. Ein Airbus 330 der Air France geriet auf seinem Flug von Rio nach Paris in einen Stall, und die Piloten waren nicht in der Lage, die Nase des Fliegers nach unten zu drücken. So fiel die Maschine minutenlang aus über zehn Kilometern Höhe in den Atlantik, und alle an Bord kamen ums Leben.” Das stimmt so nicht. Die Piloten wären in der Lage gewesen, die Nase nach unten zu drücken. Doch einer der Piloten tat das Gegenteil, er drückte die Nase nach oben, immer wieder. Erst als der erste Pilot aus seinem Ruheraum kam, die Situation erfasste und die Nase nach unten drückte, war die richtige Reaktion implementiert - allerdings zu spät. Es wurden elementare Grundlagen der Fliegerei nicht erkannt, d.h. bei einem Strömungsabriss (in dem Artikel schön “Stall” genannt, ein Begriff, den sicher jeder versteht, der sich nicht mit der Fliegerei beschäftigt) das Flugzeug nach unten zu drücken, was zum Absturz führte. Bitte den Abschlussbericht lesen und nicht irgendwelche Medienberichte zitieren, die von irgendwelchen sich sicher um echte Informationen bemühten Journalisten verfasst wurden.
Sehr interessant einmal etwas über die Hintergründe bei diesen Vorfällen zu erfahren und erfreulicherweise etwas anderes als die sonstigen Focusthemen. Diese Abstürze blieben in der sonstigen Berichterstattung sehr diffus und oberflächlich. So nach dem Motto: “Irgendetwas mit Software”. Vielleicht hielt man die Leser zu blöd, das nachzuvollziehen. Zum Glück hier nicht. Erfolgreicher Versuch ein offenbar technich komplexes Zusammenwirken für den Laien verständlich darzulegen.
Ist da nicht ein kleiner Widerspruch? => ” … dass die Piloten der Airlines nicht über die Existenz von MCAS informiert wurden” und ” „Trim Cutout Switches“ … die Schalter, mit denen man dem unheilvollen Mechanismus einfach den Strom gekappt hätte” - um Letzteres (zudem in einer Stresssituation!) mit dem Problem in Verbindung zu bringen, muss man doch als Pilot von Ersterem nicht nur wissen, sondern am besten sogar den Zusammenhang intensiv trainiert haben, oder nicht?
Habe vor kurzem mit einem American Airlines Piloten, der die 737 und 737 Max geflogen ist, gesprochen. Im Grunde kam folgendes heraus. Wenn das Problem als MCAS Fehler erkannt wird, was ja nicht unbedingt bei den vielen Alarmmeldungen der Fall sein muss, dann lässt sich das System per Knopfdruck ohne Probleme abschalten. Beim ersten Flug trat das Problem beim vorhergehenden Flug auf, und konnte von einem zufällig im Cockpit mitfliegenden 3 ten Piloten per Knopfdruck gelöst werden. Der Sensor wurde gewechselt, dann allerdings falsch Kalibriert. Die nächste Crew hatte keine Ahnung davon und auch kein Wissen wie das System abgeschaltet werden konnte. Beim Absturz Nummer 2 dasselbe, dazu noch vollen Schub von 92 Prozent, der während des ganzen Absturzes von mehreren Minuten nicht verändert wurde. Was sonst richtig ist soll bei niedriger Höhe und hoher Geschwindigkeit auf Grund der Luftdichte nicht mehr funktionieren und ein Hochziehen fast unmöglich machen. Da nun beide Sensoren abgeglichen werden und das MCAS sich bei einer Abweichung ausschaltet, sowie anderen Änderungen sollte die Luftfahrtbehörde sich endlich dazu entscheiden, das Flugzeug freizugeben. Jeden Tag verursacht sie Millionen von Kosten, obwohl das Flugzeug meiner Meinung nach sicher ist.
Der A330 der Air France stürzte nicht ab weil die Piloten den Stall nicht verhindern konnten, sie haben ihn ausgelöst, da sie schlecht ausgebildet waren und die Fehlermeldung falsch interpretierten. Ein vereistes Pitotrohr lieferte keine Geschwindigkeitsdaten mehr, der Autopilot erkannte das und schaltete sich deshalb ab. Der Co-Pilot zog daraufhin so lange die Nase nach oben bis die Maschine zu viel Speed verloren hatte und wie ein Stein vom Himmel fiel. Das ist also nicht vergleichbar, hier hat die Technik richtig gearbeitet und die Kontrolle an den Piloten abgegeben, der Mensch hat aber in diesem Fall versagt. Wenn man die MAX-Abstürze mit etwas vergleichen will, dann mit dem A320 der XL Airways, der 2008 vor Südfrankreich ins Mittelmeer fiel. Auch hier lieferte der Anstellwinkelsensor falsche Daten (eingefroren weil bei Wartungsarbeiten Wasser eingedrungen war), die Alpha Protection (das Airbus-Äquivalent zu MCAS) steuerte daraufhin das Flugzeug steil nach unten. Auch Turkish-Airlines-Flug 1951 taugt als Beispiel, ein defekter Radarhöhenmesser der 737 liefert falsche Werte, der Autopilot drosselt deshalb den Schub, da er glaubt, das Flugzeug sei kurz vorm Aufsetzen, die Piloten merken es nicht und die Maschine fällt mangels Auftrieb 2 km vor Schiphol auf den Acker. Die Abhängigkeit von Sensordaten ist nach m.E. der Grund, warum sich selbstfahrende Autos niemals durchsetzen werden. Flugzeuge sind top gewartet, im Gegensatz zu manchem Edelrost, der auf den Straßen herumfährt, da sind fehlerhafte und defekte Sensoren vorprogrammiert, zudem ist die Verkehrsdichte viel höher. Sicher könnte man Sensoren redundant auslegen, die Frage ist dann aber, wie entscheidet der Computer welcher Sensor die richtigen Daten liefert? Wie Jeremy Clarkson es schon richtig sagte: “Erst wenn ein Tesla mit Autopilot über den Camino de la Muerte in Bolivien fährt, während Elon Musk im Fond sitzt, Zeitung liest und sich dabei nicht in die Hose scheißt, kaufe ich mir auch einen.”
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