Rainer Bonhorst / 18.12.2018 / 14:00 / 20 / Seite ausdrucken

Die SPD entfreundet sich 

Der Trauerfall SPD sollte kein Anlass für Häme sein. Die Partei hat zu viel für die Bundesrepublik getan, also für die besten Jahre, die Deutschland je hatte. Andererseits macht Häme einfach Spaß. Ich versuche seit einiger Zeit, die in mir aufsteigende Häme über die absteigende SPD zu unterdrücken. Aber ehe ich platze, lasse ich sie jetzt einfach mal raus. 

Also hämen wir los: In ihrem Kampf gegen den Abstieg in die Einstelligkeit, was im Fußball etwa den Abstieg in die dritte Liga, wenn nicht gar in die Regionalliga, also in den Amateurbereich bedeuten würde, also in diesem Kampf gegen die Einstelligkeit hat die SPD endlich eine brillante Strategie gefunden: ein neues Partei-Ausschluss-Verfahren gegen Thilo Sarrazin. 

Bravo! Was soll das ganze Gerede über politische Inhalte und was bringen schon diese verzweifelten Versuche, zu erforschen, was die Wähler bewegt! Sarrazin raus – und die sozialdemokratische Welt ist wieder in Ordnung. 

Denn wie gewinnt man neue Freunde oder alte, die verärgert oder gelangweilt weggelaufen sind? Natürlich, indem man einen alten Parteifreund, der die Stromlinie verlassen hat, entfreundet, wie es in digitalen Freundeskreisen heißt. Dass das Entfreunden in der Parteipolitik nicht ganz so einfach ist wie bei Facebook, sei nur der Ordnung halber erwähnt. Die sozialdemokratischen Parteifreunde haben es ja schon mal vergebens versucht. Aber diesmal klappt es vielleicht, weil sie sich inzwischen so verschlankt haben, dass es leichter sein könnte, im kleineren Kreis disziplinarisch für korrektes Denken zu sorgen.

Thilo und Graucho handeln kongenial

Thilo Sarrazin ist sozusagen das Gegenstück zu Groucho Marx. Der hat bekanntlich gesagt: Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der bereit wäre, mich aufzunehmen. Sarrazin sagt: Es würde mir nicht im Traum einfallen, einen Klub zu verlassen, der mich rausschmeißen will. Thilo und Groucho handeln kongenial von entgegengesetzten Ausgangspunkten aus.

Groucho Marx war ein Super-Star der frühen Filmjahre. Thilo Sarrazin erreicht mit seinen Büchern inzwischen fast mehr Leser als die SPD Wähler findet. Ein klarer Fall von Unvereinbarkeit: Wer bei den Leuten so gut ankommt wie Sarrazin, der ist für eine aufs Schrumpfen spezialisierte SPD nicht akzeptabel . 

Aber die Frage ist: Reicht es wirklich aus, einen Einzelnen mangels Stromlinienförmigkeit rauszuschmeißen? Braucht es nicht eine gründlichere und umfassendere Säuberung, um eines Tages wie ein Phönix aus der Asche wieder aufzusteigen? Anders gefragt: Reicht es bei der schwindenden Zahl der SPD-Anhänger überhaupt, sich beim Großreinemachen auf Parteimitglieder zu beschränken? Ich meine, man muss kühner und unorthodoxer handeln. Oder, um es klassisch auszudrücken: Man muss weniger Demokratie wagen.

Ich schlage darum vor, dass die SPD sich dazu durchringt, Partei-Ausschluss-Verfahren auch gegen Nichtmitglieder anzustrengen. In dieser Gruppe sind schließlich die größten Bataillone zu finden. Warum also nicht proaktiv gegen eventuell drohende Neumitglieder vorgehen? Also den Ausschluss vor dem Beitritt wagen. Mir scheint dies der beste Weg zu sein, um dem neuen sozialdemokratischen Reinheitsgebot gerecht zu werden.

Ein Sarrazin ist wie die Schwalbe, die noch keinen Sommer macht. Am einfachsten wäre es für die SPD, wenn sie viele Sarrazine zum Rausschmeißen hätte. Dann könnte sie sich monatelang mit der Rausschmeißeritis beschäftigen und müsste sich keine lästigen Gedanken darüber machen, warum sie wirklich so tief in der Tinte sitzt. 

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Leserpost

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Wolfgang Kaufmann / 18.12.2018

Die beiden ehemaligen Erfolgsparteien leiden an Orientierungslosigkeit. Ihren eigenen Kompass haben sie verloren und statt dessen biedern sie sich dem Zeitgeist an: Frauen und Kinder an die Macht. Das kann nicht gutgehen; in moralischer Gleichschaltung sind die Grünen besser.

Thomas Kneiss / 18.12.2018

Vielleicht wäre zum Beispiel Frau Özeguz eine Kandidatin für ein Ausschlußverfahren?

Sonja Bauch / 18.12.2018

Mit unrealistischen Vorgaben zu den Abgasnormen, will die EU die deutsche Autoindustrie zerstören. Wirtschaftsminister Altmeier bezeichnete das Ganze als sehr “ambitioniert” und “voller Sorge”, während die neuen Grenzwerte für seine SPD-Kollegin Svenja Schulze noch schärfer hätten ausfallen sollen. Es gibt keine Land -außer unserem-auf dieser Erde das seine Schlüsselindustrie mutwillig zerstört. Die SPD hat daran einen großen Anteil.

Jens Frisch / 18.12.2018

“Am einfachsten wäre es für die SPD, wenn sie viele Sarrazine zum Rausschmeißen hätte. “ Heinz Buschkowski steht bei dem ein oder anderen bestimmt schon auf der Abschussliste!

Martin Stumpp / 18.12.2018

Widerspruch: Nicht Herr Sarrazin hat die Parteiline verlassen sondern die SPD, konkret der Führungskader zusammen mit der großen Mehrheit der Parteimitglieder. Deshalb kann man auch nicht davon sprechen, dass die SPD viel geleistet hat, sondern nur die ehemaligen Mitglieder der Partei und deren damalige Führung. Denn wenn jemand einen Porsche mit der Karosserie und Technik eines Käfers versieht und nur das Emblem weiter nutzt, ist es trotz Emblem kein Porsche mehr, sondern ein Käfer, selbst wenn noch einige wenige andere Teile vom Porsche übrig geblieben sind. Aber die möchte die SPD jetzt auch endgültig entsorgen.

Peter Zentner / 18.12.2018

Lieber Herr Bonhorst, voll auf’n Punkt! Kleine Beckmesserei am Rande: Einen “Graucho” Marx gab es nie. Die fünf Brüder hießen (besser: nannten sich) Chico, Harpo, Groucho, Gummo und Zeppo. Herzliche Grüße!

P.Steigert / 18.12.2018

Am besten wären ja Standgerichte in jedem Bezirk. Geleitet von den lokalen, runden Integrationstischen.

Thomas Weidner / 18.12.2018

Die SPD hat ihren Bonus, Positives für Deutschland geleistet zu haben, mittlerweile VOLLSTÄNDIG aufgebraucht. (Ditto die CDU).

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