Die Opposotionellen der DDR, die nach dem Zusammenbruch zu “Bürgerrechtlern” befördert wurden, verloren für mich als ehemaligem - nicht im Sicherheitskorridor der Kirchen stehendem Regimegegner und ‘feindlich-negativem Element’ - an Glaubwürdigkeit, als der oberste aller “Bürgerrechtler” den Posten des Chefs des Stasi-Aufklärungsbüros erhielt. Da die Oppositio- nellen nicht fähig seien, die Berge von Akten zu sichten und zu deuten, umgab sich der große Held mit Westreisepaß zu DDR-Zeiten, mit dutzenden von Stasi-Gaunern. Einer davon, ein Oberstleutnant, spielte in meiner Zersetzungszeit als Antragsteller eine wesentliche Rolle. Und nicht wenige “ehemalige Bürgerrechtler” hat man mit guten Posten erstaunlich schnell ruhig gestellt. Namen kann ich in der heutigen Zeit aus allseits bekannten Gründen nicht nennen, über- all hat die DDR wieder ihre Pfoten drin. Wenn Sie, werter Herr Beleites, Ihren Mut und Ihre Hoff- nungen nicht verloren haben, ehrt Sie das. Warren Buffet:“Es ist ein Krieg arm gegen reich, und wir werden ihn gewinnen!” Das Schlachtfeld heißt heute Corona, Klima ist das von morgen. Ich bin Pessimist, und die sollen ja länger leben.
Zunächst einmal sei dazu angemerkt, dass für große Teile der BRD-Linken die “Bürgerrechtler” eben - neben Kohl, Gorbatschov u.s.f. - die Totengräber der von Ihnen geliebten DDR waren. Das offen zu kommunizieren, wagte allerdings kaum jemand - und die “Grünen” gingen den Weg, durch die Fusion mit “Bündnis 90” (dieser Name wurde sogar vorangestellt!) den Versuch zu unternehmen, ihr durch die offen feindselige Haltung zur Wiedervereinigung total ramponiertes Image beim Wähler wieder aufzubessern (3,8 % und raus aus dem BT nach der Dezemberwahl 1990). Den Grünen - damals wie heute ein Konglomerat von Natursentimentalisten und den kümmerlichen Resten der APO, insbesondere Trotzkisten und den Maoisten bzw. Hotschaisten (KBW - Sager, Kretschmann, Nachwei) - dienten die Bürgerrechtler offenkundig damals auch nur als “Schmuckfedern”, auch im Hinblick darauf, dass die eigene kommunistische Vergangenheit ihnen womöglich im Osten Deutschlands bei den Wählern eher Nachteile bescheren wird (was ja auch der Fall ist - bis heute). Dass die Mitglieder von Bündnis 90 den Judaskuss der Grünen herzlich erwiderten, erweist sich jetzt als Bumerang für die ganze Bürgerrechtsbewegung, die sich nicht an eine “ökologische” Partei anheften ließ, sondern an eine mindestens maoistische, jedenfalls auch kommunistische, was übrigens gerade für den Realoflügel gilt (die Diskussion zwischen Fundis und Realos entspricht übrigens genau der zwischen dem “revolutionären” Flügel der NSDAP und dem, der das System von innen vernichten wollte). In dem Moment war für mich die Bürgerrechtsbewegung komplett diskreditiert. Wer sich gegen ein menschenverachtendes System auflehnt und im nächstbesten Augenblick von Ideologen einfangen lässt, die genau dieses System (oder ein noch barbarischeres, siehe Albanien) einführen wollen, hat den Schuss nicht gehört. Das Geflenne jetzt sollte einer Selbstkritik weichen. Die gewaltfreie Wiedervereinigung wäre übrigens auch ohne Bürgerrechtler gekommen.
Wer einen neuen Sozialismus - auch nach grüner Fasson - errichten will, der muss die Gequälten des real existierenden alten Sozialismus irgendwie mundtot machen. Schließlich soll der Sozialismus neuer Prägung glorifiziert werden als demokratischer und sozialer Fortschritt mit Anbindung an die instrumentalisierten Menschenrechte. Und weil heute ja sozusagen jeder, der nicht auf dem links-grünen Trip läuft, in den rechten Verdachtsraum gestoßen wird, liegt es natürlich nahe, auch die ehemaligen Bürgerrechtler der DDR mit dem Etikett des Rechtsaußen zu stigmatisieren und vom öffentlichen Diskurs auszuschließen. Die Gesinnungsdemokratie greift schon längst um sich gegen Andersdenkende, tyrannisiert und cancelt alles und jeden mit kritisch erhobener Stimme. Und je weniger Gegenwehr es gibt, desto ungenierter und härter geht man vor. Da kommt noch was auf uns zu, dass zwar wieder unter dem Etikett Demokratie firmiert und auch proklamiert, aber in dem bestenfalls noch Halbdemokratie drinsteckt. Und je heterogener die Bevölkerung in Deutschland, desto einfacher ist es, der einheimischen Bevölkerung die Hebeln der Macht über das eigene Land zu entziehen. Dazu dann noch die ständige moralische Keule des Rassismus und der belasteten deutschen Geschichte, fertig ist Hassadressierung an die eigene Bevölkerung. Die ehemaligen Bürgerrechtler wissen, was auf uns zukommen wird. Diesmal aber wesentlich besser verpackt als Scheindemokratie, mit moralischen Pathos versehen, der alles “Gute” quasi automatisch demokratisch legitimieren soll. Und was das “Gute” für uns sein soll, definieren natürlich die links-grünen Herrschaften selbst, bringen uns die Gesinnungsjournalisten des ÖRR direkt in die Wohnzimmer. Alles andere wird als “böse” markiert, sozial geächtet und beruflich Sanktioniert. Die Bürgerrechtler müssen aufpassen, dass sie nicht dort landen, wo sie einst in der DDR schon mal entmenschlicht landeten…
Vieles von dem, was Sie schreiben Herr Beleitis, kann ich bestätigen. Meine Frau und ich gehörten zu denen, die im Spätsommer und Herbst 1989 im wahrsten Sinne des Wortes in Leipzig in und um die Nikolaikirche den Kopf für alle Anderen hinhielten, weil niemand wußte, ob die Staatsmacht auf uns schießen würde. Schmerzlich war die Erkenntnis, dass nach Zusammenbruch des Staates keiner mehr mit uns etwas zu tun haben wollte und uns die „überholten“, die zu Hause in aller Ruhe abgewartet hatten, ob man auf uns schießen würde. Im Nachhinein glaube ich begriffen zu haben, dass man uns und unseren Idealismus kalt lächelnd mißbraucht hat. Die Erfahrung hat mich geläutert und zu dem Schluss geführt, „kümmere dich um deinen eigenen Kram“.
Sie beweisen es: Es gibt eine Perspektive. Allerdings: Es war und ist nicht die Aufgabe der BRD, die Welt aus den Angeln zu heben. Ich hoffe, das war in Ihrem Sinne.
Es ist ein sehr wichtiger Beitrag zum demokratischen Diskurs. Ich bin dankbar es es ihn endlich gibt. Und ich hoffe, dass er nicht nur Federn lässt, sondern die Existenz der Verschiedenheit deutlich macht. Ja, dass das die eigentliche gesellschaftliche Ressource für die Zukunft ist. Wirksam kann diese Ressource nur in der Breite des Horizontes der Bürgerrechtler werden, um diesen Begriff aufzugreifen.
Ein sehr guter Text, den ich spontan unterschreiben würde. Denke ich einen Moment nach, kommen mir aber einige Zweifel. Die Stunde der “Bürgerrechtler” (Ich bleibe mal hier einfach bei dem Begriff) kam erst, als a) die Ausreise-und Fluchtwelle gigantische, sich auf den Alltag der verbleibenden DDR-Bewohner auswirkende Ausmaße angenommen hatte (Bäcker um die Ecke weg etc.) und b) die westlichen Medien sich zum Sprachrohr der “Bürgerrechtler” machten (c,d,e .. lasse ich mal weg jetzt). Was ich damit sagen will: die “soziale Basis” der Bürgerrechtler war faktisch eine, die sie nicht haben wollten, und ihr Medium eines, das sie eigentlich auch nur nutzten, weil sie kein eigenes hatten (Westen). Wirksam wurden sie unter Bedingungen, die sie gerade nicht geschaffen hatten, auch wenn sie das seit 30 Jahren behaupten. Wenn wir das nun schon auf die heutige Zeit übertragen wollen, dann hieße das, dass vor der Stunde neuer Bürgerrechtler mit ihren kommunikativen Talenten aus den Widersprüchen der Gesellschaft eine soziale Bewegung entstehen müsste, die die Machthaber zum “Dialog” zwingt. Aber davon abgesehen, sollten wir eben nicht vergessen, dass die Stunde der Bürgerrechtler genauso schnell wieder verging, wie sie gekommen war. Die SED war zudem dialogerprobt, nur nicht mit den eigenen Bürgern, aber seit dem Grundlagenvertrag mit Westdeutschland und v.a. SPD und Grünen. Es sind einfach zuviele Unterschiede, als das solche Analogien weiterhelfen könnten. Auch waren die Bürgerrechtler die Jungen und so wie damals wird gesellschaftliche Veränderung auch heute von jungen Menschen ausgehen müssen. Oft wird es nicht derart sein, dass ältere die Richtung begrüßen.
Ja, das muß ziemlich hart sein. “Gestern noch auf hohen Rossen, heute durch die Brust geschossen.” Ich stand ja auf der “anderen Seite der Barrikade” und war ziemlich fassungslos, wie schnell die Führung der DDR kapituliert hat. Ich hatte da eine Münze, zu irgend einem Jahrestag, mit der Inschrift: “Seid Euch bewußt der Macht. Die Macht ist Euch gegeben, daß Ihr sie niemals aus Euren Händen gebt.” Da ging es um die Gründung der Volksarmee. Und dann wurde Alles, Knall auf Fall, aufgegeben. Und die Bürgerrechtler waren ein Stein des Anstoßes. Aber nicht DER Stein. Den Stein brachte Gorbatschow ins Rollen. Seine Reden waren auch in der DDR auf Deutsch verfügbar. Am Zeitungskiosk. Und das war lange vor den Friedensgebeten und Montagsdemonstrationen. Und die Reden wurden gelesen und wir haben in den Schulungen darüber diskutiert. “Ist es denn bei uns nicht genau so? Wieso gibt es bei uns keine kritische Auseinandersetzung mit dem Phänomen, daß das eine verkündet wird, die Realität aber völlig anders aussieht.” Denn was im Argen war, konnte jedermann sehen, es hat sich nur niemand erklären können, warum das so war. Das triste Grau der Städte, zerfallende Villenviertel um Borna. Da saßen wir in so einer alten Villa, die irgendeinem Grubenbesitzer gehört hatte, Gemälde an den Wänden, offenbar leerstehend, und durch die Decke tropfte das Wasser! Jeder kannte Beispiele von Arbeitsbummelei, Schlendrian und Pfusch aber das hatte es offiziell nicht zu geben und nun sprach es jemand aus: “Aber er hat ja gar nichts an!” Und das war als hätte jemand ein Fenster geöffnet und frische Luft hereingelassen. Das hat auch dazu beigetragen, als vom Neuen Forum, als einem Instrument des Klassenfeindes gesprochen wurde, es im Grunde niemand mehr ernst nehmen konnte. Dem persönlichen Mut, den die Bürgerrechtler aufgebracht haben, zolle ich im nachhinein Respekt, wenn ich sie damals auch nicht verstanden habe.
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