Die Krinnerschen Christbaumständer-Gesetze

Es ruhen auf dem Friedhof der gescheiterten Ideen: das Überschallflugzeug Concorde, der Magnetschwebezug Transrapid, der Hochleistungsrechner Suprenum, das Wüstenstromprojekt Desertec und der Großraumflieger A 380. Ganz anders: der Krinnersche Seilzug-Christbaumständer. Was Revolutionäre daraus lernen können.  

Manche Revolutionen verstecken sich hinter verschwurbeltem Patentdeutsch: „Christbaumständer mit einem Fußteil […] dadurch gekennzeichnet, daß der Christbaumständer (2) eine einzige Spanneinrichtung (46) aufweist, die über ein Kraftübertragungselement (48) gleichzeitig an sämtlichen Halteelementen (14, 16, 18, 20) mit an jedem Halteelement im wesentlichen gleicher Krafteinwirkung angreift und die Halteelemente mit zunehmender, in ihrem Endwert einstellbarer Haltekraft in ihre Haltestellung bewegt.“ So heißt es in der Patentschrift DE3932473A1 des bayerischen Erfinders Klaus Krinner vom 28. September 1989.

Klaus Krinner ist Erfinder des Seilzug-Christbaumständers. Vor der Christbaumständerwende verfluchte ich jedes Jahr aufs Neue den Morgen des Heiligabends, wenn der Baum aufgestellt werden musste. Damit der Stamm in das enge Eisenloch des vorrevolutionären Ständers passte, musste der Fuß des Baums zurechtgesägt werden. Dabei haben sich vermutlich Millionen Familienväter der Nation blutige Finger geholt. Beim Justieren des Gehölzes waren in gebückter Haltung drei unhandliche Schrauben zu betätigen. Da der Kopf bei diesem Arbeitsschritt im Nadelwald steckte, bestand kein Sichtkontakt zum Wipfel. Die Justage erforderte mithin fremde Hilfe – in der Regel herumtobende Kinder, die die Hilfsarbeit mit Unlust ausführten. War der Baum dann endlich fixiert, stand er schief und wurde vom Qualitätsmanagement der Ehefrau beanstandet. Nach mehreren Verbesserungsschritten stand der Christbaum endlich senkrecht. Die Festtagsstimmung hatte eine kleine Delle. 

Mit der Krinnerschen Ständerrevolution kam die Erlösung. Man steht aufrecht neben dem Baum, führt seine Spitze mit zwei Fingern an die richtige Position, drückt dreimal auf das Pedal und beobachtet, wie die Zähne des Mechanismus den Baumstamm mit der Unerbittlichkeit eines Krokodils packen. Seit dem Erwerb des Wunderwerks für 26,96 Euro genieße ich den Aufstellprozess und widme dem Erfinder jedes Jahr aufs Neue ein Dankesgebet. Ich wäre sogar bereit, dafür jedes Jahr 26,95 Euro zu zahlen. Krinner hat inzwischen über 20 Millionen seiner Weihnachtsbaumständer verkauft, jede einzelne Million gönne ich Klaus Krinner von ganzem Herzen. 

Gesetz 1: Angekündigte Revolutionen scheitern 

Die Krinnersche Erfindung bietet Anlass zu einem technikphilosophischen Exkurs auf den Friedhof gescheiterter Revolutionen. Dort ruhen in Frieden: das Überschallflugzeug Concorde, der Magnetschwebezug Transrapid, der Hochleistungsrechner Suprenum, das Wüstenstromprojekt Desertec und der Großraumflieger A 380. Vor dem Hintergrund der deutschen Energiewende scheint es sich dabei noch um die harmloseren Beispiele zu handeln.

Aus der Gegenüberstellung lassen sich zwei allgemeingültige Gesetze formulieren, an denen sich Visionäre künftig orientieren können. Zu Ehren des Christbaum-Revolutionärs bezeichne ich sie als Krinnersche Gesetze. Allem Anschein nach wirken sie so unerbittlich wie die Hauptsätze der Thermodynamik. 

Das erste Krinnersche Gesetz lautet: Angekündigte Revolutionen scheitern. Seine Universalität lässt sich an den genannten Vorhaben belegen. So sollte etwa beim Wüstenstromprojekt Desertec CO2-freie elektrische Energie in Nordafrika mittels solarthermischer Kraftwerke und Wärmespeichern erzeugt und über Hochspannungs-Gleichstromtrassen nach Europa übertragen werden. An der technischen Machbarkeit gab es unter Fachleuten nie Zweifel. In China lassen sich solche Anlagen heute in kleinerem Maßstab besichtigen. Doch es war neben der Ökonomie vor allem die Propaganda, die Desertec zum Scheitern brachte.

In den Medien wurde Desertec zur Erlösungstechnologie europäischer Energie- und Klimaprobleme hochstilisiert. Ex-Siemens-Chef Peter Löscher verglich es gar mit der Mondlandung. Krinners Revolution stand dazu in wohltuendem Gegensatz. Unbemerkt von der Öffentlichkeit meldete er seine Erfindung zum Patent an. In aller Stille tüftelte er am Prototyp. Für den Vertrieb fand er in der Düsseldorfer Metro-Zentrale einen ersten Partner. Dann nahm die Revolution ihren Weg. Oder um es mit Karl Marx zu sagen: „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift.“

Gesetz 2: Rette die Welt mit eigenem Geld!

Das zweite Krinnersche Gesetz lautet: Rette die Welt mit eigenem Geld! Revolutionstheoretiker machen in der Regel keinen Hehl daraus, dass die Gelder für die Umsetzung ihrer Weltrettungsphantasien aus den Taschen anderer Leute kommen sollen, in der Regel aus denen der Steuerzahler. So forderte etwa eine Gruppe von Wissenschaftlern, Politikern und Industrievertretern in dem Weißbuch „Clean Power from the Deserts“ ein Startkapital von 10 Milliarden Euro für Desertec. Glücklicherweise ist das Geld nie geflossen. Doch andere Projekte endeten für den Steuerzahler weniger glimpflich. So betrugen laut Aussage des Megaprojekt-Forschers Bent Flyvbjerg die tatsächlichen Kosten des Concorde-Projekts 1.100 Prozent der geplanten. Die Differenz wurde größtenteils aus Steuergeldern finanziert. Die Entwicklungskosten des Airbus A380 beliefen sich auf etwa 12 Milliarden Euro. Ein Teil davon wurde mit Steuergeldern gefördert, die noch nicht vollständig an den Staat zurückgezahlt wurden. Seit Produktionsstopp steht in den Sternen, ob der Steuerzahler seine Milliarden je wiedersehen wird. Krinner hat im Gegensatz dazu seine Erfindung selbst finanziert. Er hat die Welt mit eigenem Geld gerettet und ist zum Millionär geworden. 

Lässt sich das Fazit aus dem Lebenswerk des Christbaummillionärs auf eine einfache Formel bringen? Der berühmte Romanauftakt zu Anna Karenina lautet: „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise.“ In etwas abgewandelter Form könnte man sagen: „Alle gescheiterten Revolutionen sind einander ähnlich, denn sie scheitern an den Krinnerschen Gesetzen. Jede echte Revolution ist erfolgreich auf ihre Weise.“

 

André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“

Foto: https://krinner.com/

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Yehudit de Toledo Gruber / 23.12.2023

Obwohl ich keine Weihnachtsbäume kaufe oder gar aufstelle, hat mich dieser interessante Artikel gefreut und mir gezeigt, wie hilfreich oft auch scheinbar unspektakuläre Erfindungen das Leben erleichtern können. Mein Haushalts-Hit Nummer Eins ist die Waschmaschine ! Leider werden diese Dinger immer komplizierter in der Handhabung, und ich sehe die Zeit herannahen, wo man als “ziemlich ältere Oma” eine Vorlesung benötigt.

Klara Altmann / 23.12.2023

Am meisten von allem reut mich hingegen das Geld für Annalena. Auch wenn es nur ein winziger Bruchteil meines Steuergeldes sein mag, der zu ihrem dieser Leistung völlig unangemessenen, um ein Vielfaches zu hohem Gehalt beiträgt. Jedes Mal, wenn unsere Außenministerin öffentlich den Mund auftut und mich wieder das blanke Grauen ergreift - was sagt sie denn jetzt wohl wieder fürchterlich Peinliches - erzählt sie erneut versehentlich von Orten auf dem Mond, erfindet sie den Kreiswinkel neu, ein neues englisches Speckrezept, Fabelwesen in Batterien oder verändert sie wieder den Kalender, jedes Mal ergreift mich das blanke Entsetzen und das Bewusstsein, dass ich tatsächlich gezwungen bin, diese Frau zu bezahlen. Das ist wirklich das Schlimmste, was man meinem Geld und mir jemals angetan hat. Und wieder beschleicht mich der Verdacht, in einem Paralleluniversum aufgewacht zu sein - eines Morgens versehentlich - in dem einfach alles irre ist. Das kann sich niemand ausdenken, das ist real.

Sam Lowry / 23.12.2023

Meine Patente (Tastatur mit integriertem Telefon… pp. alias “Phoneboard”) wurden damals von Siemens-Nixdorf kopiert und über die Schweiz vertrieben.  Nix dran verdient, aber teuer bezahlt… 5.700 Euro für nix. “Pech für die Kuh Elsa”...

gerhard giesemann / 23.12.2023

Das ist mir zu billig. Außer desertec sind alle genannten Beispiele realisiert worden, ganz großartige technische Leistungen. Die business class im A 380 ist traumhaft, bin so mal nach Perth/AUS geflogen. Ganze Arabersippen nebenan gelegen. Der Transrapide ist doch auch hier überall zu sehen, oder? Bloß in China? Was mir noch fehlt, ist ein optischer Computer, der mit Sonnen-Kerzenlicht und Taschenlampe geht - bei Glasfaser geht es ja auch. Spart angeblich viele KKWerke. Es gibt viel zu tun, packen wir’s an. Fröhliche Ostern.

Tomas Wolter / 23.12.2023

@Andy Malinski. ,, ... hochkomplexe Technik”. Wow, es gibt sie noch, die Deutsch-Könner: ,,Technik” statt ,,Technologie” (US-Nachgebabbel).

S. Malm / 23.12.2023

“Ex-Siemens-Chef Peter Löscher verglich es gar mit der Mondlandung” - es ist direkt auffällig, daß Siemens-Chefs der letzten Zeit bei jedem Blödsinn deutscher Regierungen immer an vorderster Front zu finden sind und zwischen ihre und der Bundesregierung Meinung kein Blatt Reispapier mehr paßt: Mit durchschlagendem wirtschaftlichen Erfolg…

Roland Müller / 23.12.2023

Der Transrapid ist nur in Deutschland auf dem Friedhof gelandet.  In Shanghai tut er jeden Tag ohne zu mucken seinen Dienst.

sybille eden / 23.12.2023

Solange es keinen einzigen Kinderwagen mit Frontgriff zum hochheben gibt, leben wir immernoch in der Steinzeit.

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