Rainer Bonhorst / 21.01.2021 / 08:22 / Foto: Kirk / 72 / Seite ausdrucken

Die größte Demokratie-Show der Welt 

Amtseinführung? Nein, in Amerika ist das eine Inauguration. Das Wort allein spricht Bände. Hier ein paar Eindrücke vom Inauguration Day in Washington. 

Auch ohne das ganz große live-Publikum gelang den Amerikanern wieder einmal die größte Demokratie-Show der Welt. Das totale Kontrastprogramm zum nüchternen Deutschland mit seiner entsprechend nüchternen Bundeskanzlerin. Joe Biden ist der 46. Präsident einer alten, stolzen, selbstsicheren Demokratie. Angela Merkel ist die Nummer acht an der Spitze einer jungen, verschämten und selbstzweiflerischen Demokratie.

Einer der Helden auch dieses Tages war wieder mal der scheidende Vize-Präsident Mike Pence. Er war als Vize-Präsident vier Jahre lang ein loyaler Vasall Donald Trumps und hat sich nun ein zweites Mal gegen seinen Chef und für die guten demokratischen Sitten des Landes entschieden. 

Er fand seine eigene Persönlichkeit, als er sich dem Ansinnen Trumps verweigerte, das Wahlergebnis im Kongress zu kippen. Etliche Republikaner machten mit, aber Pence lieh ihnen nicht seine gewichtige Stimme. Dafür wurde er beim Sturm aufgeheizter Extremisten auf das Capitol mit Rufen wie „Hängt Pence auf“ belohnt. Und diesmal blieb er demonstrativ der Abschieds-Show fern, die Donald Trump, der Medienprofi, für sich selber inszeniert hat. Stattdessen folgte er als nunmehr höchster Repräsentant der scheidenden Präsidentschaft der guten Tradition und zollte bei der Amtsübergabe den Neuen seinen Respekt. Als er dann – ebenfalls der Tradition folgend – von seiner Nachfolgerin Kamala Harris beim Abschied zur wartenden Limousine gebracht wurde, tauschten der alte Republikaner und die neue Demokratin noch lachend ein paar spontane Scherze aus. 

Hinreißend vorgetragene Verse 

Na also, es geht doch, mit etwas gutem Willen und etwas Humor. Ein Vorgänger namens John Nance Garner (1933 bis 1941) wurde berühmt dafür, dass er über das Amt des Vizepräsidenten gesagt hat: „Es ist keinen Eimer voll warmer Spucke wert.“ Mike Pence hat gezeigt, dass das Amt im richtigen Moment eine große symbolische Wirkung entfalten kann. (Abgesehen davon, dass ein Vize immer nur „nur einen Herzschlag“ vom Präsidentenamt entfernt ist.) 

Zur Feier einer großen, alten Demokratie gehörte auch das Absingen patriotischer Lieder, von denen Amerika jede Menge hat. Und dank Hollywood hat man auch die entsprechend eindrucksvollen Gesangs-Stars wie Lady Gaga, Jennifer Lopez und den Country-Sänger Garth Brooks, der seinen Cowboyhut so stolz trug (und beim Singen abnahm) wie die versammelten Politiker ihre Demokratie. Bei uns würde eine Sängerin genügen, weil die Fülle an patriotischem Liedgut fehlt und natürlich aus grundsätzlichen politischen Erwägungen. Ein Sänger in Lederhosen käme nicht infrage, nicht einmal, wenn Markus Söder in Berlin einzöge. 

Und dann ein besonderer Clou: Amanda Gorman, eine 22-jährige Dichterin, die jüngste, die je bei einer Inauguration ein Gedicht vortragen durfte. Sie riss die Anwesenden mit politisch relevanten und hinreißend vorgetragenen Versen mit. Ganz nebenbei war dieser Auftritt der jugendfrischen afroamerikanischen Poetin ein symbolstarker Beitrag des 78-jährigen Seniors Joe Biden zu seiner erklärten Politik der Diversifizierung. Ein Prinzip, das, wie immer wieder betont wurde, seine Vizepräsidentin gleich in dreifacher Hinsicht verkörpert – als erste Frau im Vize-Amt, und zugleich als eine mit afroamerikanischen und südasiatischen Wurzeln. Die Vorstellung, dass beim Antritt von Angela Merkel unsere Demokratie in Gedichtform gefeiert würde, hätte mehr als einen Hauch des Absurden. Auch Laschet, Merz und Söder sind nicht der Stoff, der zu poetischen Hervorbringungen reizen würde.

Und dann wollen wir das große Heldengedenken auf dem Soldatenfriedhof in Arlington nicht vergessen. Alle ehemaligen Präsidenten, die konnten (Jimmy Carter konnte nicht) und wollten (Donald Trump wollte nicht), gedachten gemeinsam mit dem Neuen aufs Feierlichste der gefallenen Soldaten aus all den mehr oder weniger gerechtfertigten Kriegen. Die Veteranen der Weltkriege gelten als unbefleckte Helden, die Vietnam-Veteranen sind bei ihrer Rückkehr bespuckt und als Kinder-Killer beschimpft worden. Aber auch sie haben ihren Platz in der amerikanischen Ehrenbezeugung. Das Vietnam Memorial in Washington zählt zum Bewegendsten, das es auf diesem Gebiet gibt. Auch hier ein augenscheinlicher Kontrast zum deutschen Umgang mit unseren Gefallenen. Aus gutem Grund? Gewiss, aber nicht nur.

Ja, es war die größte politische Show der Welt. Die Panzer- und Raketenaufmärsche anderer Großmächte wirken im Vergleich wie eine Horrorshow. Sollten wir es den Amerikanern nachmachen? Natürlich nicht. Wir würden uns vor uns selber und vor der Welt lächerlich machen. Die Stärke Amerikas ist, dass sich dieses Land mit seiner „greatest show on earth“ nicht lächerlich macht, sondern beeindruckt. 

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Leserpost

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M. Friedland / 21.01.2021

Richtig abstoßend fand ich an sich nur den Auftritt des “Predigers”, der wohl irgendeinen Segen sprach.  Schrecklich.

Elias Schwarz / 21.01.2021

Super. Eine Demokratie-Show mit einem nicht ohne Wahlmanipulationen zu Macht gekommenen korrupten Bürokraten begleitet von Vertreterinnen der Quotenminderheiten.

Dr. R. Moeller / 21.01.2021

Herr Bonhorst - lessen Sie eigentlich auch was schreiben. Ich konnte Ihren hoefischen Artikel nicht zu Ende lessen - zu schmerzhaft. Biden als Retter einer stabilen Demokratie. Zuerst dachte ich dies muss Satire sein. Diese leere Huelle Biden, dessen Strippen an denen gezogen wird kaum zu zaehlen sind, ist das Paradebeispiel eines korrupten Politikers. Wahlenbetrug, Unterdrueckung der Meinungsfreiheit, Kriminalisierung des politschen Gegners hat nichts mit Demokratie zu tun. Diese rachsuechtige Marionette wird den Untergang Amerikas und unserer westlichen Werte mit Hilfe von Facebook und Twitter voranbringen. Wir und insbesondere die Amerikaner werden Trump, der als einer der erfolgreichten amerikanischen Praesidenten in die Geschichte eingehen wird, noch vermissen. Die grosse Luege (Transformation) wird nicht 1000 Jahre halten - wenn ueberhaupt ein Dutzend.

Donatus Kamps / 21.01.2021

@Klaus Weidner: Erfreuen Sie sich der Meinungsfreiheit, die es bei Achgut noch gibt! :-) Würde ein Konservativer sich in den Linksgrünmedien über andersdenkende so lustig machen, wie Sie als Linksgrüner dies hier über Konservative tun, wäre er dort lange gesperrt. Unabhängig davon ist es guter Stil in Medien aller Couleur, die eigene Meinung und Einschätzung in der Ich-Form zu vertreten, statt in der “man”-Form oder in der “es ist Fakt”-Form. Und das Kennzeichen einer Blase ist es, daß sie keine Faktenerdung kennt und in ihr die argumenative Auseinandersetzung vermieden wird. Dieses Vermeiden der argumentativen Auseinandersetzung ist nachzuweisen, um das Vorliegen einer Blase zu belegen. Sonst fehlt einem derartigen Eindruck die Substanz und Tiefe.

Eugen Richter / 21.01.2021

Interessant auch das kursierende Video von Soldaten der Nationalgarde, die beim Vorbeifahren der Präsidentenkolonne ihren Rücken zeigen.

g.schilling / 21.01.2021

Show, Glamour, Fake alles geschenkt. An ihren Worten und Taten soll man sie messen, nicht am Brimborium. Mal sehen was Biden/Harris nach vier Jahren zu bieten haben. Der (vor allem in D) vergötterte Obama hatte nach acht Jahren außer “Yes wir can” nichts geliefert.

Fred Burig / 21.01.2021

Irgendwas regt sich in mir, auch diesen Beitrag von Herrn Bonhorst hier auf der Achse , erneut mit der bekannten Textpassage eines propagandistischen FDJ- Liedes der DDR zu kommentieren. ” Sag mir wo du stehst und welchen Weg du gehst…....” Da lasse ich mich auch nicht von K. Weidner eines anderen belehren. MfG

Michael Köppel / 21.01.2021

Ein wunderbarer Auftritt der jungen Dichterin Amanda Gorman. Quasi ein Gesamtkunstwerk der Ästhetik. Ein sehr schöner Text mit vielen Anspielungen, beinahe getanzt dank ihrer Bewegungen und abgerundet durch den goldgelben Mantel und dem roten Haarreif. Hoffentlich wird man von ihr noch viel mehr hören und lesen.

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