Weil die Ungarn mit ihrer Willkommenskultur deutlich maßvoller umgegangen sind, können sie jetzt die israelischen Fußballer für ihre Qualifikationsspiele zur Europameisterschaft willkommen heißen. Die findet nächstes Jahr in Deutschland statt. Was hindert uns die Israelis hier spielen zu lassen? Ach ja: Haben sie das Spiel Deutschland-Türkei gestern in Berlin gesehen?
Dieser Tage denke ich oft an Piroschka. Auch an die Julischka, die Julischka aus Budabudapest. Warum? Weil wir mal wieder erlebt haben, dass die Ungarn ein Herz aus Paprika haben. Sie trauen sich was. Sie ließen die israelische Fußballmannschaft in ihrem Land spielen. Zu Hause sind die israelischen Kicker so sehr umringt vom Hass der Nachbarn, dass sie in ihren eigenen Stadien um ihr Leben bangen mussten. Und bei uns?
Die Europameisterschaften finden nächstes Jahr in Deutschland statt. Es wäre vielleicht eine ganz nette Idee gewesen, wenn die beiden aktuallen Qualifikationsspiele der Israelis (gegen die Schweiz und Rumänien) im Gastgeberland, also bei uns hätten stattfinden können. Aber das ging natürlich nicht. Denn bei uns wären die israelischen Kicker von genauso vielen moslemischen Feinden bedroht wie daheim. Unsere Willkommenskultur gilt zwar besonders herzlich den Menschen aus Israel. Aber besonders zahlreich haben wir moslemische Einwanderer willkommen geheißen. Was zu einer inneren Umzingelung der Juden in Deutschland geführt hat.
Das deutsche Gastgeberland ist aber noch nicht aus dem Schneider. Unentschieden gegen die Schweiz und eine 1:2-Niederlage gegen Rumänien sind keine gute Bilanz der Israelis, aber noch nicht das Ende aller Fußballtage. Im Frühjahr gibt’s, damit alles möglichst kompliziert ist, noch ein paar sogenannte Playoffs. Erst wenn Israel die vergeigen würde, wäre es endgültig vorbei mit der Qualifikation für die Endrunde der EM.
Noch hat Israel nicht verloren. Und das ängstliche Deutschland muss weiter damit rechnen und weiter bangen, dass die israelische Mannschaft bei uns spielen muss. Es sei denn, wir bitten Ungarn nochmal einzuspringen.
Den Pfeif-Virtuosen war ihr Migrationshintergrund offenbar wichtiger
Fänden die Europameisterschaften in Ungarn statt, wäre die Sache sowieso viel einfacher. Denn die Ungarn mit ihrem Herz aus Paprika hätten keine Angst vor einer EM mit Israel. Erstens, weil sie sich was trauen. Und zweitens, weil sie mit ihrer Willkommenskultur deutlich maßvoller umgegangen sind. In Budapest, am Plattensee und in der Puszta sind moslemische Judenhasser nicht so zahlreich, dass man vor ihnen einknicken müsste.
Bei uns sind die Mehrheitsverhältnisse etwas anders. Als jetzt die deutsche Nationalmannschaft in Berlin gegen die Türkei spielte, lief sie gegen ein gellendes Pfeifkonzert an - im eigenen Stadion. Für die türkische Mannschaft war der Berliner Auftritt ein Heimspiel. Das biodeutsche Publikum war akustisch und wohl auch tatsächlich in der Minderheit. Der Spielführer der deutschen Mannschaft, Ilkay Gündogan, wurde von seinen Migrationsgenossen im Stadion wie ein Landesverräter niedergepfiffen.
Den Pfeif-Virtuosen war ihr Migrationshintergrund offenbar viel wichtiger als ihr deutscher Wohn- und womöglich auch Geburtsort. Könnte es sich überwiegend um Erdogan-Wähler gehandelt haben? Dass Deutschland verlor, sei rein sportlich erwähnt und nicht etwa in irgend einem übertragenen Sinn.
Aber das alles nur am Rande. Eigentlich geht es in diesem Text ja um die Israelis. Sollten die fußballerisch durchkommen und nächstes Jahr in Berlin spielen, muss man sich freuen, wenn es nur hässliche Pfeifkonzerte gibt.
Rainer Bonhorst arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen-Zeitung.