Maxeiner & Miersch / 11.08.2012 / 19:52 / 0 / Seite ausdrucken

Der Verdacht

Geben Sie mal die beiden Worte „Pestizid“ und „Parkinson“ bei Google ein. Sie erhalten über 64 000 Suchergebnisse, angeführt von Artikeln deutscher Leitmedien aus den Jahren 2006 und 2009. „Pestizide begünstigen Parkinson“ oder „Pestizide fördern Parkinson“ lauteten damals die Überschriften.

In den meisten Artikeln wird allerdings nicht richtig klar, dass sich diese Warnung ausschließlich auf Menschen bezieht, die mit großen Mengen von Pflanzenschutzmitteln in Kontakt kommen, also Bauern und Landarbeiter. Die minimalen Spuren, die Verbraucher durch Obst und Gemüse aufnehmen, standen nie im Verdacht. Dies wird jedoch selten explizit klargestellt.

Im Frühjahr 2011 zeigte arte einen Film der französischen Journalistin Marie-Monique Robin über das Thema. Titel: „Unser täglich Gift.“ Die Süddeutsche Zeitung lobte das Werk und schrieb, für die Autorin sei klar: „Industriell gefertigte Nahrungsmittel sind schuld an der seuchenartigen Ausbreitung chronischer Krankheiten in der westlichen Welt.“

Wer auf englischen Seiten googelt stößt irgendwann auch auf einen Artikel der Wissenschaftswebsite the-scienctist.com vom 29. Juni 2012. Darin wird berichtet, dass zwei amerikanische Studien zur möglichen Verbindung zwischen der Schüttellähmung und Pestiziden auf gefälschten Daten beruhen und zurückgezogen wurden. Die Neurowissenschaftlerin Mona Thiruchelvam von der University of Medicine and Dentistry in Newark, New Jersey, hatte bei Mäusen, denen Pestizide injiziert worden waren, angeblich für Parkinson typische Gehirnveränderungen beobachtet. Ihre Ergebnisse wurden 2005 in zwei wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht. Die Messungen waren jedoch gefälscht, wie eine Untersuchung des US-Gesundheitsministeriums jetzt ergab.

Wenn zwei Studien über ein so brisantes und häufig berichtetes Thema als Fälschungen entlarvt werden, wäre dies eigentlich auch einen Bericht wert. Wir haben jedoch in keinem deutschen Medium etwas darüber gefunden. Nicht bei der morgendlichen Zeitungslektüre und auch nicht via Google. Falls irgendwer darüber geschrieben hat, dann gut versteckt. Auf der Basis von falschen Annahmen finanzieren Fernsehsender ganze Dokumentarfilme. Die Entlarvung des Betrugs interessiert keinen. Denn es geht um die richtige Botschaft, und die lautet: Pflanzenschutzmittel sind Teufelszeug! Zumindest so lange das eigene Rosenbeet nicht vom Mehltau befallen ist.

Erschienen in DIE WELT am 10.08.2012

PS: Hinweis von Stephan Verbücheln:
Interessanterweise ist das Pestizid, was unter Verdacht steht, Parkinson auszulösen, Rotenon. Es ist ein Pflanzenextrakt und praktisch nur bei Biobauern verbreitet. In Deutschland zwar verboten, aber auf Bio-Gemüse aus dem Ausland (auch EU und Schweiz) in der Regel nachweisbar.

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