Dirk Maxeiner / 14.03.2021 / 06:00 / Foto: Ralf Roletschek / 49 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Es lebe die Friedenswahl!

Der Deutsche steht in Treue fest, was ja prinzipiell eine angenehme Charaktereigenschaft ist. Er steht allerdings auch noch, wenn alle anderen sich mit gutem Grunde bereits aus dem Staub gemacht haben, wie eine einsame Tanne auf weiter Flur, die darauf wartet, vom nächsten Sturm entwurzelt zu werden. Da diese Kolumne prinzipiell von automobilem Charakter ist, sei hier an den Volkswagen-Käfer erinnert, der dem Volke nach dem Krieg ans Herz gewachsen war. Er war genau das, was man zu dieser Stunde brauchte: nicht teuer, zuverlässig bis unkaputtbar, bescheiden und unprätentiös. Madame Merkel war da noch nicht geboren, statt ihrer führte der Westfale Heinrich Nordhoff seit 1948 die Geschäfte. 

Nordhoff war Volkswagen und Volkswagen war der Käfer. Und alle zusammen waren alternativlos, jedenfalls nach der Ansicht von Nordhoff. Das ging lange gut, zu lange. Der Käfer avancierte zum Welterfolg und Nordhoff zu Mr. Volkswagen. Es gab nach allgemeiner Ansicht überhaupt keinen Grund, etwas zu ändern. Die Deutschen waren glücklich, und der Käfer wurde mit großer Detailversessenheit jedes Jahr ein bisschen aufgehübscht. Hier eine elektrische Scheibenwaschanlage, da ein etwas größeres Heckfenster, sogar ein neues Fahrwerk wurde ihm spendiert. Wenn es nach Papi Nordhoff gegangen wäre, würde der Käfer heute noch aus den Werkshallen in Wolfsburg krabbeln (und Herbert Diess einen Elektromotor einbauen). 

Gleichsam pro forma lieferten die Ingenieure jedes Jahr eine Nachfolger-Konstruktion ab, die ebenfalls auf das mittlerweile überholte Heckmotor-Konzept vertrauten. Doch auch diese zaghaften Neuerungsversuche wurden allesamt weggebissen. Sie fanden Platz im sogenannten „Mausoleum“, einer Halle für gescheiterte Nachfolger, wo sie vor sich hin schmollten wie Friedrich Merz und Roland Koch in der CDU-Diaspora. Das Volkswagen-Hochhaus am Mittelland-Kanal entwickelte sich zu einem Bunker, sorgsam von despektierlichen Gedanken abgeschirmt und in dieser Hinsicht durchaus vergleichbar dem Bundeskanzleramt. Alternativ-Vorschläge wurden als Majestätsbeleidigung gewertet. Man konnte es sich leisten, obwohl es beispielsweise in Form des Opel Kadett schon recht ansehnliche Konkurrenten gab. Die hatten sogar einen richtigen Kofferraum.

Nordhoff dachte das nur, gesagt hat es Angela Merkel

In den 70er-Jahren ließ sich dann nicht mehr verheimlichen, dass am Käfer die Zeit vorübergegangen war. Laut, eng, durstig und sicherheitstechnisch nicht mehr auf dem Stand der Zeit und produktionstechnisch zu teuer. Die Deutschen standen aber weiter in Treue fest zu ihrem Käfer, das Vertrauen und die Verkaufszahlen bröckelten nur langsam. Nordhoff fühlte sich weiterhin bestätigt: „Ich kann nicht erkennen, dass wir jetzt etwas anders machen müssten“. Nordhoff dachte das nur, gesagt hat es Angela Merkel nach der letzten Wahl 2017, als ihre Kundschaft bröckelte.  

Die Deutschen murrten nur ein bisschen, die rauhe Wirklichkeit brach sich aber schließlich im Ausland Bahn. Aus den USA, dem wichtigsten Volkswagenmarkt außerhalb Deutschlands, kabelten die Händler, der legendäre Käfer sei leider immer schwerer vermittelbar. Der Kultstatus bröckelte. Nordhoff erlitt 1968 einen Herzinfarkt, es ist ungeklärt, ob an oder mit Käfer, und im Bunker am Mittellandkanal dämmerte die Erkenntnis, dass etwas geschehen müsse. Bedauerlicherweise waren sowohl hausinterne Nachfolger für Nordhoff als auch für den Käfer in die Wüste geschickt worden. Nordhoff wurde in der technischen Entwicklung des Wolfsburger Werkes aufgebahrt, was man durchaus als subtile Ironie verstehen kann. Für den Konzern wurde der branchenfremde Manager Kurt Lotz als Notarzt engagiert. Er leitete die Wende vom Heckmotor zum Frontantrieb ein. In seiner Radikalität war dies der friedlichen Revolution von 1989 vergleichbar, in der von Ost- auf Westbetrieb umgestellt wurde. 

Weil alternative Ideen in Wolfsburg so selten wie die letzten Exemplare des chinesischen Flussdelphins geworden waren, griff Kurt Lotz einfach ins Regal der frisch adoptierten Tochter Audi. 1974 kombinierte man in Wolfsburg die Technik des Audi 50 mit einem Karosserie-Entwurf des Italieners Giorgetto Giugiaro, und heraus kam der VW Golf. Der wurde aus dem Stand ein Millionen-Seller. Die Deutschen hatten zwar in Treue fest zum Käfer gestanden, aber es stellte sich plötzlich heraus: nicht aus Zuneigung sondern aus Mangel an Alternativen.

Man kann nur Käfer wählen, den allerdings in allen Farben

Das Phänomen kann man auch heute wieder bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beobachten. In beiden Bundesländern leben ja durchaus nette, fleißige und kluge Menschen. Leider haben sie nicht die Wahl zwischen VW-Käfer und VW-Golf. Eine echte Alternative ist weit und breit nicht in Sicht. Man kann nur Käfer wählen, den allerdings in allen Farben. Ich bin regelrecht erleichtert, nicht mitwählen zu müssen.

Das erinnert ein bisschen an die sogenannten Sozialwahlen, nach Europa- und Bundestagswahlen immerhin die drittgrößten Wahlen in Deutschland. Dabei nehmen die Versicherten alle sechs Jahre angeblich Einfluss auf ihre sozialen Geschicke. Die deutsche Rentenversicherung sieht das so:

„Mit ihrer Stimmabgabe stärken Versicherte und Rentner ihren ehrenamtlichen Vertretern in der Selbstverwaltung für ihre demokratische Arbeit den Rücken. Die Wahlberechtigten machen damit von ihrem Mitbestimmungsrecht Gebrauch."

Man beachte die untertänigste Formulierung Formulierung "Mitbestimmungsrecht" und "für demokratische Arbeit den Rücken stärken". 

Aus Sicht der Gewerkschaften heißt es sehr schön bei Verdi:

„Die Sozialwahlen sind die einzige Möglichkeit für die Beschäftigten, sich bei den Unfallkassen, Krankenkassen oder Renten- und Versicherungsträgern einzumischen. Über die Arbeitnehmer/-innenvertretungen in den Einrichtungen der Sozialversicherungen werden die Interessen der Beschäftigten gewahrt. Das heißt: Über die gewählten Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten in den Sozialversicherungen bringen sich die Beschäftigten ein und bestimmen mit“.

Das Ergebnis mag für die Beschäftigten erfreulich sein, für die Versicherten stellt es sich so dar: Deutschland betreibt eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, charakterisiert durch die größten Krankenkassen-Paläste und die kleinste Effizienz. Vielleicht sollte man das Ganze doch an Aldi oder Lidl auslagern, da finden jeden Tag Sozialwahlen statt.

Kanzleramt und Landesregierungen verwechseln sich inzwischen ja mit einer alleinherrschenden Unfall- und Krankenkasse und nähern sich dabei mehr und mehr dem Konzept der bei den Gewerkschaften durchaus üblichen „Friedenswahlen“. Verdi:

„Friedenswahlen haben zwei Facetten. Dadurch, dass sich die Gewerkschaften einigen, wird nicht gewählt und dadurch bleibt eine Möglichkeit ungenutzt, über die Sozialwahlen, die Gremien der Sozialversicherungen und die Aufgaben der Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten in diesen Gremien zu debattieren. Auf der anderen Seite spart eine Friedenswahl Kosten... – dieses Geld kommt bei einer Friedenswahl wiederum den Versicherten direkt zugute“. 

Kurz gesagt: Untereinander ausklüngeln, kommt den Bürgern unmittelbar zugute. Es lebe die morgige Friedenswahl. Jeder kriegt einen Käfer – egal welche Farbe er wählt. Und wer nicht wählt (bei den Sozialwahlen liegt die Wahlbeteiligung um die 30 Prozent), kriegt auch einen Käfer. Heinrich Nordhoff lebt!

 

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Ulrich Pletzer / 14.03.2021

Mangelnde Modellvielfalt in der Parteienlandschaft wird bereits seit einem halben Jahrhundert beklagt, nachdem in den 60erJahren eine große Koalition sozialdemokratische und bürgerliche Parteien als gegenläufige Zylinder in einem einheitlichen Boxermotor zusammengefasst und vereinheitlicht hatte. Obwohl seitdem die Modellpalette alle 10 bis 20 Jahre überarbeitet wurde und jedesmal eine neu gegründete Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen konnte, so hat sich am technischen Prinzip doch nie etwas Wesentliches geändert. Selbst beim Gottseibeiuns der Modelllandschaft ,der AFD, gibt es Strömungen die den Vorgängermodellen so ähnlich sind, dass der TÜV wohl beraten wäre, bei Ihnen nach durchrosten Heizbirnen zu fahnden. Es stellt sich daher die Frage, ob die Gründe für den Innovationsstau nicht vielleicht im übergeordneten Regelwerk der Zulassungsordnungen zu suchen ist. Die sind heute oft von, im Hintergrund agierenden internationalen Organisationen und NGO s vorgegeben und kein Hersteller vermag sich ihnen ohne medialen Shitstorm zu entziehen . Vergessen wir nicht, daß auch der Pandemie-simulierende Putsch gegen Freiheit und Demokratie, den wir derzeit erleben nicht in einer deutschen Partei, sondern in einer UN- Organisation ausgeheckt wurde und welcher Druck auf Länder ausgeübt wird, die es wagen, ihren Bürgern Reste von Grundrechten und Menschenwürde zuzugestehen.

K.Bucher / 14.03.2021

Claudius Pappe / 14.03.2021 Den Käfer mit Merkel zu vergleichen ist genial…Danke Herr Pappe für Ihren Perfekt analysierten Beitrag .Mein ganz Persönlicher Schenkelklopfer Prädikat : 1 . Klasse am Heutigem Sonntag .

Holger Jensen / 14.03.2021

Dirk Maxeiner, was soll ich sagen? Sie sind einfach eine Klasse für sich - Punkt.

Karola Sunck / 14.03.2021

Der Käfer hatte seine Hoch-Zeit in den 50-70. Jahren. Er war ein Volkswagen und daher ein Wagen fürs einfache Volk, welches noch nicht über so viel Geld verfügte, um sich ein Ford-Taunus 17m ( Badewanne ) oder einen Benz ( Panzer der Straße ) zu leisten. Mein erstes Fahrzeug war auch ein gebrauchter blauer Käfer, Bauj. 64 mit kleiner Heckscheibe und Faltschiebedach. Den hatte ich für 400,-DM bekommen. Das war viel Geld damals. Der Einfüllstutzen für Kraftstoff war noch vorn unter dem Kofferraumdeckel und er hatte schon ein eingebautes Radio und eine ausziehbare Antenne. Das Faltschiebedach war undicht und bei Regen musste man mit Regenmantel fahren. Auch die Zündung war seltsam. Man drehte den Zündschlüssel herum und danach musste man auf einen Knopf drücken um den Wagen zu starten. Und der sprang oft erst beim dritten Male an. Aber wenn er fuhr, dann fuhr er, ohne zu murren, sogar im strengen Winter. Mit Sommerreifen und Heckantrieb durch dicken Schnee. Aber irgendwann ist auch er den Weg alles Vergänglichen gegangen und in einer Schrottpresse gelandet. Danach hatte ich nie wieder ein VW. Dann fing die Zeit der preiswerten und gut ausgestatteten Japaner an. Aber der Käfer gehört zu der Nostalgie in Deutschland, als ein Teil des deutschen Wirtschaftswunders der sozialen Marktwirtschaft, in der Zeit nach dem II. Weltkriege. Alles lange vorbei. Gier, Korruptheit, Ideologie hervorgerufen durch verblendete Massen, haben heutzutage das Zepter an zerstörerische Elemente weitergereicht, die dieses einst so schöne gesunde Land für ihre Zwecke missbrauchen und damit großmöglichen Schaden im Hier und Jetzt und für die Zukunft anrichten.

Christa Born / 14.03.2021

Hatte nie einen Käfer, mein erstes Auto war der Kadett von meim Opa. Der nächste auch. Dann starben beide. Der Herrgott hab sie selig! Habe nie CDU oder SPD gewählt (nicht mal Willy)  immer die mit dem F. Jetzt wieder. Nur die andere. Bin seit 50 Jahren in der selben KK zufrieden. Mein Strom kommt seit jeher von den örtlichen Stadtwerken, die Bits und Beits von der Telekom. Bin seit 50 Jahren bei der selben Bank seit ich dort zu den Weltspartagen mein Schweinchen hingetragen habe. Ein Holzlineal von dort habe ich heute noch. Mein Mann stammt übrigens auch aus jener Zeit. Nur Netflix ist neu weil ARDZDF mag i nimmer die sind schlecht geworden und können weg.  Die ganze Hektik versteh ich nicht die die Leute immer machen.

Claudius Pappe / 14.03.2021

Merkel ist wie der Käfer : Blender,  Konstruktion aus dem letzten Jahrhundert , keine Innovationen, hoher Verbrauch ( Steuern), keine Leistung, Reparaturanfällig, bonbonfarbener Lack, nie auf der Überholspur , unerklärbarer weltweiter Verkaufserfolg

K.Bucher / 14.03.2021

Also ich fand den VW Käfer schon immer ganz großes Kino bis auf paar Kleinigkeiten zum Beispiel Relativ hohe Rost Anfälligkeit aber auch die etwas Fehl Konstruierte Vorderachse und der oft durch Überhitzung kränkelnde Dritte Zylinder .Aber all das konnte man mit einem Minimum an Regelmäßiger Pflege und durch einen Öl Kühler (dritter Zylinder) durchaus in den Griff bekommen .Letztendlich war der Käfer ein Wahrer König im Gegensatz zur Ausländischen Konkurrenz. Nur ein paar Beispiele : Frankreich die Ente , Italien die Fiat Modelle 500, 650 und 127.und selbst die Steinzeitlichen Kommunisten Schaukeln ,Wartburg , Trabbi ,Skoda ,aus der ehemaligen Tätarää konnten dem Käfer nicht wirklich das Wasser reichem was Er ohnedies gar nicht gebraucht hat .Höchsten die paar Russen Ladas und Wolgas der oberen SED Bonzen .Und selbst die Mehrheit von Denen hat dann Trotzdem Volvo den Vorzug gegeben . Tja so ist es dann bei einer gewissen Luxus Sehnsucht ist es dann schnell vorbei mit Kommunistischer Brüderlichkeit und Medien Wirksamen Männer abgeknutsche .Äh wie Ekelhaft dieses bild für mich auch Heute noch ist brauche ich gar nicht weiter zu beschreiben .

Claudius Pappe / 14.03.2021

Ist Diess nicht ein Zugewanderter aus Österreich….......................

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