Dirk Maxeiner / 11.04.2021 / 06:00 / Foto: Imago / 65 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Brücken-Demokratie

In Deutschland sind gut tausend Brücken nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren und müssen ersetzt werden. Früher oder später. Also später. Aber halt: Das sind nur die Bahnbrücken. Weitere 40.000 Fernstraßenbrücken verleihen uns Flügel über Täler und Flüsse. Davon sind allerdings weitere 5.000 in einem desolaten Zustand, der dem Dahinschwebenden das Anlegen eines Fallschirms nahelegt. 

Ganz besonders, wenn er einen schweren Dienstwagen fährt wie der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet. So eine gepanzerte S-Klasse kann schon mal 4,6 Tonnen wiegen. Darin ist man ziemlich sicher vor Querdenkern, aber nicht vor der Rheinbrücke bei Leverkusen. Denn mit mehr als 3,5 Tonnen Gewicht darf die nicht mehr benutzt werden. Jetzt weiß ich endlich, wie Lasche, ein Premiumdenker der Gegenwart, auf die euphemistische Wortschöpfung „Brücken-Lockdown“ gekommen ist.

Brücke klingt prinzipiell so schön und verbindend. Vorausgesetzt, der Stahlbeton rostet nicht, dann muss man vorsichtig sein. So wie bei unserer Kanzlerin. Angela Merkel findet gerade ihren Platz in der Geschichte als Brücken-Kanzlerin. Mühelos schlägt sie den Bogen von der DDR über die alte Bundesrepublik ins neue Reich der Mitte. Nächste Woche soll der letzte Pfeiler fertiggestellt werden. Mit einer Neufassung des Infektionsschutzgesetzes sollen die Bundesländer und damit die Verfassung erfolgreich überbrückt werden. So ähnlich, wie ein Wackelkontakt im Blinkerrelais meines alten Volvo. Bedauerlicherweise befinden wir uns aber nicht beim Sonntagsausflug, sondern im Fahrstuhl zur Hölle.

Nicht das erste Mal, dass jemand Gas und Bremse verwechselt

Und in den einzelnen Etagen warten der Bundestag und die Ministerpräsidenten mit hübschen Merkel-Fähnchen, um sie bei der Ermächtigungstour durchzuwinken. Es gilt, die Gunst der Stunde zu nutzen, solange sich die Inzidenzwerte noch hochjazzen lassen, damit das vor Angst gelähmte Volk samt unseren medialen Nachtwächtern kein Misstrauen schöpft. Und ungefähr so ist der Plan: 

Am Dienstag Kabinettssitzung. Fähnchen schwenken! Kamelle werfen! Mittwoch Debatte im Bundestag. Noch mehr Kamelle! Konfetti! Donnerstag: Beschlussfassung im Bundestag und Bundesrat. Selbstentmachtung Teil 2. Grußadressen aus den Gauen! Freitag: Der Bundespräsident unterzeichnet das Gesetz. Von den Balkonen der Schrifttumskammern regnet es Blumensträußchen. Vier Impfungen in einer Woche, das macht uns keiner nach. Und für die Höllenfahrt gibt’s auch eine wunderbare Wortschöpfung: Corona-Bremse. Es ist ja nicht das erste Mal, dass jemand Gas und Bremse verwechselt.

Ab sofort dürfen dann die Grundrechte überbrückt werden. So ähnlich, wie in anderen schönen Weltgegenden auch, sagen wir mal, im romantischen Chinesisch-Turkestan bei den Uiguren. Da kann man nämlich noch was lernen. Die Menschen "genießen dort beispiellose wirtschaftliche und soziale Verbesserungen" und führen ein „glückliches Leben“, sagt der Chinesische Ministerpräsident Xi Jinping. Das ermöglichen „Bildungszentren“, die bei der Wegweisung für die örtlichen Querdenker vorbildliche Resultate erzielen. Die Gegend ist also ein prima Produktionsstandort. Kein Wunder, dass Volkswagen Fabriken in dem Musterländle unterhält. Viele Gemeinsamkeiten mit Wolfsburg, Ausgangssperre hier wie dort, einstweilen hier noch aus anderen Gründen als dort. Und hierzulande kann ein bisschen mehr Bildung auch nicht schaden. Und seid ihr nicht willig, so erhöhe ich den Inzidenzwert, spricht dann die große Vorsitzende, und verfügt, Land und Leute stillzulegen, wann und wo sie will. Es ist doch nur zu ihrem Wohl. 

Das wäre dann endlich der Dritte Weg. Oder auch auf Neudeutsch: "The Great Reset". Mancher würde sagen: Ein die Systeme verbindender Brücken-Faschismus. Das, was kommende Woche im Bundestag abläuft, erinnert derweil an das Gleichnis vom Frosch und dem Skorpion, die sich am Ufer eines Flusses treffen. „Lieber Frosch, nimmst du mich mit auf deinem Rücken ans andere Ufer?“, fragt der Skorpion. „Ich bin doch nicht lebensmüde. Wenn wir auf dem Wasser sind, dann stichst du mich und dann sterbe ich“, antwortet der Frosch. „Nein, wenn ich dich steche, dann gehe ich doch mit unter und sterbe“, sagt der Skorpion. „Das leuchtet mir ein. Steig auf meinen Rücken“, sagt der Frosch. Kaum sind sie ein paar Meter geschwommen, verspürt der Frosch einen stechenden Schmerz. „Verdammt, jetzt hast du mich doch gestochen. Jetzt sterben wir beide“, sagt der Frosch. „Ich weiß. Tut mir leid, aber ich bin ein Skorpion und Skorpione stechen nun mal“, antwortet der Skorpion.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Jürgen Fischer / 11.04.2021

Wir können nichts unternehmen: mit Harbarth hat Merkel den letzten notwendigen Sargnagel an strategisch wichtiger Stelle plaziert.

Heinrich Moser / 11.04.2021

Wer Merkel meuchelt, wird Kanzler. Das sollte doch ein Ansporn sein, dieses Gesetz nicht durchzulassen. Man stelle sich Merz vor, wie er sich an die Spitze der Bewegung gegen dieses Gesetz stellt. Aber den hat sie, wie es aussieht, auch schon kastriert.

Lilith Diess / 11.04.2021

Demnächst kommt eine neue Strophe für unsere Nationalhymne, bei der sie dann hoffentlich nicht mehr zittert: Merkel, Merkel über alles…..

Rolf Mainz / 11.04.2021

“Ermächtigungstour”. Vor wenigen Jahren wurde mein User im Kommentarbereich einer der angesehensten deutschen Zeitungen gesperrt, weil ich mir im Zusammenhang mit Merkels Führungsstil die - zweifellos ketzerische - Bemerkung erlaubt hatte, “jetzt fehle nur noch ein neues Ermächtigungsgesetz”. Der Kommentar wurde selbstverständlich ebenfalls gelöscht. Eine spezifische Begründung erhielt ich nicht, auch erfolgte die Massnahme anonym. Womöglich war meine Anmerkung offenbar lediglich ihrer Zeit voraus und/oder über den geistigen Horizont des Zensierenden (pardon: “Moderierenden”) hinaus.

Sebastian Gumbach / 11.04.2021

Und das Allerschlimmste: Es wird im gleißenden Licht genussvoll von den Paladinen der Ultrareichen zelebriert, und die Mehrheit versteht das gar nicht. Sie denkt noch immer, es ginge um ihre Gesundheit.

Bernd Meyer / 11.04.2021

Das einzig Gute an dieser Fabel ist, daß man sie heute noch lesen/hören kann. Schönen Sonntag!

R. Matzen / 11.04.2021

In einem Asterix-Band klagt ein römischer Centurio: „Sie sind alle so dumm! Und ich bin ihr Chef!“ Soll man mit unseren Schlafschafen noch Mitleid haben? Adenauer war schon etwas weiter, als er zu Globke sagte, es sei sinnlos, sich über die Menschen zu beklagen. Wir haben keine andern. Na ja, vielleicht ist es mit dem Infektionsschutzgesetz zukünftig wie mit dem Grundgesetz jetzt. Nur bedrucktes Papier…

G. Böhm / 11.04.2021

Ein schöner sonniger Sonntagmorgen, man will wirklich mal auf andere Gedanken kommen, kurz noch schauen, wohin die Sonntagsfahrt geht, und dann DAS. Herr Maxeiner, warum nur, tun Sie einem DAS an? - Da hilft nicht einmal der Blick nach links, in die Augen zweier hübscher Frauen. Mir wurde übel, deshalb nur ganz kurz zum X-ten Male: Die Einflüsterer verbergen sich nicht hinter dem Stern auf der roten Fahne und der Brücken-Lockdown hat seine sprachliche Berechtigung, er verbindet die Vor- mit der Nachwelle. Offen scheint mir nur noch die Klärung des Begriffes Inverser Kommunismus und der Ausplünderung des Mittelstandes in Gestalt des Great Reset. In Bezug darauf ist auch klar, daß die ramponierten Brücken nicht ertüchtigt, sondern rückgebaut werden. Früher hieß Great Reset simpel EXIT.

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