Dirk Maxeiner / 15.09.2019 / 06:29 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Ausflug in die Unterwelt

Wie viele Zeitgenossen, die sich noch nicht einmal trauen, zwei Stationen mit der Straßenbahn schwarz zu fahren, hege ich seit langem eine stille Faszination für die Unterwelt. Wobei ich jene Kriminellen bevorzuge, die sich schlicht bereichern wollen und mithin aus nachvollziehbaren Motiven handeln. Sie klauen etwa Autos, feiern prima Parties, bevorzugen Wein, Weib, Gesang und ein bisschen Koks und lassen dich ansonsten in Ruhe.

Unheimlicher sind mir jene, die ihre Mitmenschen oder das ganze Land schädigen, um die Welt zu retten. Die nehmen allmählich überhand. Wobei der Übergang zwischen den beiden Gruppen fließend ist, es gibt auch welche, die sich schlicht bereichern wollen und dabei so tun, als ob sie die Welt retten wollen. Also zum Beispiel Windrädchen installieren anstatt umweltfreundlich eine Bank zu überfallen. Vor dieser Spezies muss man sich in Acht nehmen. Als gerichtlich approbierter Klimaleugner kann man sich beispielsweise nie früh genug mit dem Fegefeuer vertraut machen.

Weshalb ich sogar nach Island reiste, um einen Zugang nach unten zu finden und schon mal nachzuschauen, wie es da so ist. Jules Verne ließ seine „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ am Snaefellsjökull anfangen, ein mittelgroßer Vulkan 1.446 Meter hoch und mit einer Schneekappe obendrauf, die auch im Sommer nicht wegschmilzt. Ich stieß leider nur auf Schnee und Geröll und Esoteriker aus aller Welt, nach deren Meinung sich dort irgendwelche Energielinien kreuzen.

Die Snaefellsness-Halbinsel mit dem Vulkan sei „eine Kornkammer der internationalen Esoterik- und UFO-Industrie“, heißt es in einem Reiseführer. Ufologen vermuten einen bevorzugten Landeplatz für Außerirdische. Manche wähnen hier sogar eine „der bedeutendsten Energiequellen in unserem Sonnensystem“. Ich machte mich schnell aus dem Staub, stets in der Furcht, auf Annalena Baerbock, das bundesdeutsche Klimakabinett oder gar den Wissenschaftlichen Beirat für globale Umweltveränderungen zu treffen.

Die Unterwelt ist, etwa laut Wikipedia, die bildhafte Vorstellung einer jenseitigen Welt, die in den Mythen vieler Kulturen vorkommt und ein Reich der Toten bezeichnet. Die Unterwelt der griechischen Mythologie kennt drei Namen, die zugleich auch die sie beherrschenden Götter benennen: Erebos, Orkus und Hades. Das war vor Mario Draghi, Christine Lagarde und Olaf Scholz, die haben eine Rolle in Dantes Inferno

Nun gibt es, wie gesagt, auch eine überirdische Unterwelt, auch Halbwelt genannt, mit rechtschaffenen Vertretern wie den britischen Posträubern. So ähnlich wie bei der Börse, waren London und Frankfurt beliebte Standorte für die Spezies der seriösen Halbweltler. Sie bevorzugten damals standesgemäße große amerikanische Schlitten, weshalb ich mit meinem alten Cadillac beinahe zwangsläufig in Kontakt zum Milieu geriet. In meiner Hinterhofwerkstatt, respektive Tiefgaragen-Werkstatt in Frankfurt-Praunheim wurde ich stets ausgesucht höflich behandelt. 

Gutes Personal muss man auch in schwierigen Zeiten pflegen

Es gab in den Katakomben keinen Generalverdacht gegen Personen ohne Vorstrafe, vorausgesetzt sie konnten die Motorleistung einer 68er Corvette aus dem Stand abrufen. Meinen Mechaniker besuchte ich sogar während seines vorübergehenden Aufenthaltes in einer örtlichen Strafvollzugsanstalt. Gutes Personal muss man auch in schwierigen Zeiten pflegen. Der Aufenthalt im „Schirm“, wie mein Schrauber zu sagen pflegte, resultierte auch nicht aus Unregelmäßigkeiten beim Umgang mit seiner Autokundschaft, sondern aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit für ein Inkasso-Unternehmen, bei der er die Forderungen etwas überambitioniert durchgesetzt hatte. Es war also alles in bester Ordnung. 

Seit meiner Frankfurter Zeit üben Tiefgaragen eine verschwörerische Faszination auf mich aus. Tief beeindruckt hat mich beispielsweise eine geheimnisvolle Tiefgarage in einem Hamburger Industrieviertel. Nur Eingeweihte wissen, was dort unten vor sich geht. Und es gibt viele Menschen, die würden zu Fuß nach Santiago de Compostela pilgern, um einmal einen Blick in diese Räumlichkeiten werfen zu dürfen. Schließlich lagert unter der Erde so eine Art Weltkulturerbe: die größte Sammlung von ferngesteuerten Modellautos diesseits der Milchstrasse. Eine sorgfältig geführte Inventarliste zählt über 1.000 Fahrzeuge und weit über 15.000 Bausätze sowie Millionen von Ersatz- und Tuningteilen. Das ist so eine Grabkammer des Pharao, in der die Beigaben dafür gedacht sind, dass dem Meister niemals die Spielzeugautos ausgehen.

Dunkelheit, kühle Temperaturen und Trockenheit haben für den Erhalt der Sammlung eine wichtige Funktion: Im Tageslicht gasen die empfindlichen Kunststoff-Karosserien der kleinen Flitzer schneller aus, werden spröde und verlieren ihre Farben. Die dauerhafte Konservierung von wertvollen Stücken ist nicht einfach, warum ich sogleich überlegte, meinen Teint ebenfalls in einem solchen Etablissement zu schonen und nur noch zeitweise aufzutauchen.

Ich habe ihn gefunden, meinen Eingang zum Mittelpunkt der Erde

Seit letzter Woche kann ich mir endgültig vorstellen, meinen ersten Wohnsitz in einem unterirdischen Parkgeschoss anzumelden. Ich war mit einem Bekannten verabredet, den ich nur sehr selten sehe. Er scheut ein wenig die Öffentlichkeit, nicht weil er der Halbwelt angehört, sondern weil er ziemlich bekannt ist. Wir reden eigentlich nie über das, warum er berühmt ist, sondern lieber über Autos – vorzugsweise solche der 70er Jahre, also die letzten ihrer Art. Deshalb müssen wir auch nicht über Politik reden, da genügt ein kurzes Rollen der Augen.

Die Koordinaten für unser Treffen erhielt ich per SMS garniert mit dem Foto einer versteckten Tiefgaragen-Zufahrt. Als ich sie schließlich fand, war das Rolltor nur halb hochgezogen und darunter blinzelten mich zwei Augen an. So guckt nur ein Ferrari. Einer aus den 70er Jahren. Ich schlüpfte unter dem Tor durch und wusste, ich habe ihn gefunden, meinen Eingang zum Mittelpunkt der Erde: Im Schummerlicht tat sich ein Wohnzimmer mit den Ausmaßen einer Turnhalle auf, mit französischen Tapeten und englischer Leder-Couch. An den Wänden gerahmte Bilder von Auto-Heroen. Die übrige Möblierung bestand aus perfekt erhaltenen Mercedes, Porsche, BMW und dergleichen. Mithin aus wertvollen Kulturgütern einer Autonation, die von den teutonischen Klima-Revolutionsgarden gerade in die Luft gejagt wird wie die Buddha-Statuen von Bamiyan von den Taliban. Der Besitzer des sicheren Hafens hielt gerade mit seinem klassischen W 126 S-Klasse Coupé Zwiesprache. Zart und versonnen streichelte er das Gaspedal, ich musste an die Seitenscheibe klopfen um ihn aus seiner Kontemplation zu wecken. Was mir an der Wohnstatt im Untergrund besonders gut gefiel: Die edel gekachelten sanitären Räume erlauben es, mit dem Lieblingsauto gemeinsam zu duschen.

Es gibt ein sehr schönes Buch über zwei Deutsche, die in den Wirren des Zweiten Weltkrieges in Südwest-Afrika lebten. Sein Titel verrät zugleich die Handlung: „Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste“. Das Buch erzählt davon, wie die Protagonisten versuchen, den Irrsinn ihrer Zeit einfach auszusitzen. Da wohl auch das neue deutsche Klima-Delirium nicht verhindert werden kann, sollte man sich schon mal nach einem Platz zum Überwintern umsehen. Wenn es dann vorbei ist, streckt man den Kopf heraus und schaut, was noch übrig ist. Zum Abschied haben wir beiden uns jedenfalls versprochen: Wenn es Schwarz-Grün gibt, gehen wir in die Tiefgarage.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

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Archi W Bechlenberg / 15.09.2019

In Ray Bradburys “Fahrenheit 451” sind Bücher verboten und werden von Dissidenten am Leben erhalten, indem diese die Inhalte auswendig lernen, ehe die Bände physisch vernichtet werden. Das geht mit Autos leider nicht, daher sind Tiefgaragen eine denkbare Lösung. Allerdings nur, wenn sie durch einen Ring von gepanzerten, schwer bewaffneten Kettenfahrzeugen vor Angriffen durch Fahrräder und E-scooter geschützt werden.

Chris Groll / 15.09.2019

@Gottfried Meier, die ganzen jungen Männer, die heute von großen tollen Autos faziniert sind, kommen bzw. sind als alimentierte “Dauergäste” im Land. Bei den” jungen starken” deutschen Männern weiss ich nicht so recht, wo die stehen.

Peter Klein / 15.09.2019

Lieber Herr Maxeiner, Wahnsinn .... ich ertappte mich auch gerade bei dem Gedanken zu fliehen, vor der drohenden CO2 Steuer, vor Grönemeyer und der Gewissheit mein liebevoll restauriertes Fachwerkhaus mit Styroporplatten verschandeln zu müssen. Gut man könnte auch noch das rote Ziegeldach, das mit den ausgesuchten, hundert Jahre alten Doppelfalzziegel, mit Solarzellen verunstalten, so wie es jetzt die Gräflichen hier um Schloss Eisenbach mit ihren Feldern und Wiesen planen. Dann könnte man zumindest kundtun, ” das sei jetzt zeitgemäss, hätte aber immerhin noch innere Werte ” während das alte Gebälk unter der Styroporverkleidung zu faulen beginnt. Sicher verbürgt ist, ” das motorisierte Zweiräder keine Umweltplakette benötigen, da diese keine Windschutzscheibe haben, auf die man sie kleben kann ” . So sprach ein Mensch vom TÜH im HR damals wörtlich zur Einführung der Umweltplakette. Zweirad zu fahren ist noch nicht im Fokus und wird offensichtlich noch toleriert. Also wo kann man hinfliehen um dem Wahnsinn zu entgehen. Ihrem Faible zu Tiefgaragen bitte ich zu bedenken, dass diese bei Unwettern und Sturmfluten dazu neigen abzusaufen. Da kann der heimelige, kühle Platz zur Falle werden. Ausserdem drohen unseren geliebten Blechkisten Standschäden, wenn sie nicht bewegt werden. In der Oldtimerszene gilt; ein regelmässig gefahrenes Vehikel bleibt funktionstüchtig .... was übrigends auch für die körperliche Konstitution gilt. Rückzug oder Kapitulation wäre also der Anfang vom Ende ........ für Mensch und Maschine.

Achim Kaussen / 15.09.2019

Hallo Herr Maxeiner, “amtlich anerkannter Klimaleugner”, so eine Auszeichnung muss man sich erst mal verdienen ... Herzlichen Glueckwunsch! Sehen Sie es positiv, als “amtlich anerkannter Hexenleugner” im Mittelalter waere es nicht bei der Erwaehnug in einer Broschuere geblieben, von daher hat schon ein gewissser Fortschritt stattgefunden. Wie heist es so schoen, viel Feind, viel Ehr ... und auch diese verrueckten Zeiten gehen irgendwann vorbei. Das eigentlich frustrierende momentan ist, das mit diesem ganzen CO2 Bullshit alle gesellschaftlichen Kraefte auf etwas voellig irrelevantes gelenkt werden. Tatsaechliche Umweltprobleme, die wir verursachen, und fuer die es technische Loesungen gibt, werden nicht mal diskutiert, dank CO2. Muellvermeidung ist so ein Thema. Technisch waere ein nahezu geschlossener Rohstoffkreis moeglich und koennte sich, sofern er bei uns erfolgreich realisiert wuerde, als Exportschlager entwickeln, im Gegensatz zu der vergeigten Energiewende. Gruss

Marc Thorstein / 15.09.2019

Mir macht das auch Angst, diesem Fanatismus zuzusehen, der von „bürgerlichen Idioten“ mitgetragen wird. Als ich in der WELT las, dass „Schwule gegen SUV‘s“ demonstrieren, musste ich mich als Homosexueller sofort schämen. Natürlich nicht für meine Sexualität, für deren Akzeptanz wir in der bürgerlichen Gesellschaft kämpften und viel einstecken mussten. Nun laufen da lesbische Muttis in Partnerlook und halten da solche Schilder hoch, wobei das Eine mit dem Anderen kaum etwas zu tun haben dürfte. Ich und mein Freund entschuldigen uns hiermit aufrichtig bei allen vernünftigen und aufrechten Bürgern und BürgerInnen, die uns in ihrer Mitte seit vielen Jahren freundlich begegnen für soviel blinder pseudoideologischer Dummheit, es ist uns zutiefst peinlich! Dabei wird in der ganzen Diskussion ausgelassen, dass die Leute, die gegen die bösen SUV‘s ( die in Innenstädten einfach unpraktisch sind, was man ja diskutieren kann) häufig direkt neben der U-Bahn ein Eigenheim mit mit Kleinwagen vollgeparkten Parkplätzen haben, weil jedes Kind einzeln zum Flöten gefahren werden muss, weil es in das kleingeistige Bildungskonzept passt. Das wird nicht diskutiert, dass jeder Penner immer und überall fahren muss, auch wenn es nicht um das Arbeiten und notwendige Pendeln aus ländlicher Region zum Arbeitsplatz geht. Diese Sündenbock-Diskussion ist so geschichtsvergessen und hohl, dass es knirscht, zum Kotzen einfach!

Anders Dairie / 15.09.2019

Ich habe von einem Herrn VON WEIMAR gelesen,  damals über 95 Jahre alt,  der als eingesessener Südwester seine Heimat 1940 extra verlassen hatte, um in der Wehrmacht zu dienen.  Er wurde Kraftfahrer bei ROMMEL höchstselbst.  Wegen der wahrscheinlich angeborenen Fähigkeit, einen Pkw auch noch aus tiefem Treibsand herauszubugsieren.  Das ist nun wieder—des Menschen Wille ist sein Himmelreich— das Gegenteil vom Aussitzen.  Der Südwester war hoch dekoriert und keineswegs traurig über seine Taten, trotz aller Folgen.  Sogar die Gefangenschaft bei den Amis soll relativ angenehm gewesen sein.

michael o. neland / 15.09.2019

Also Wohnen in der Garage gibt es tatsächlich , kein Scherz. Hab ich schon häufiger gesehen, zwar nicht in Deutschland, aber in Südeuropa. Sofasitzecke, Tisch und Kommoden, Gemälde an den Wänden, große Fernsehflachbildschirme und daneben die PKW geparkt. Echt speziell, ganz hübsch. Geht also.

Gottfried Meier / 15.09.2019

Wo sind die ganzen jungen Männer, die von tollen Autos fasziniert sind? Es kann doch nicht sein, dass alle jungen, starken Männer so verweiblicht sind, dass sie für keine Autos schwärmen???

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