Dirk Maxeiner / 03.04.2022 / 06:25 / Foto: Pierre Bachelot / 62 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Mit Tretminen um die Welt

Meinungsfreiheit ist eine ziemlich exklusive und luxuriöse Angelegenheit geworden, vergleichbar einem Atlantik-Trip mit der Queen Mary 2 oder einem Weltraumausflug mit Jeff Bezos.

Ein kleiner Videoclip auf Bild.de hat mich schwer beeindruckt. Ukrainische Soldaten räumen eine Straße von Dutzenden Minen und schieben die tödlichen Dinger lässig mit den Füßen beiseite. Ich habe keine Ahnung, ob es sich dabei um ein Beispiel für Nerven aus Stahl, Mut, Wahnsinn oder einen Fake handelt. Hierzulande gibt es keine solchen Minenfelder, höchstens für jene Zeitgenossen, die unbedingt von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen wollen. Auch dafür bedarf es Nerven aus Stahl, Mut, oder Wahnsinn, zumindest wenn man in einem abhängigen Arbeitsverhältnis steht oder sonstwie durch Mittel- oder Liebesentzug bestraft werden kann.

Wer so reden will, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, sollte über 65 sein, eine ordentliche Rente beziehen und in der eigenen Immobilie wohnen. Früher hieß es: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt man gänzlich ungeniert. Heute könnte es heißen: Bist du raus aus dem Laden, können sie dir nicht mehr schaden. Außerdem sollte der Freund des offenen Wortes einen stabilen seelischen Haushalt besitzen und nicht unbedingt auf den Zuspruch eines großen Freundeskreises angewiesen sein. Meinungsfreiheit ist somit eine ziemlich exklusive und luxuriöse Angelegenheit geworden, vergleichbar einem Atlantik-Trip mit der Queen Mary 2 oder einem Weltraumausflug mit Jeff Bezos.

Fast zwei Drittel der Deutschen trauen sich laut Umfragen nicht mehr in jedem Fal, ihre Meinung zu sagen. Ich tippe mal darauf, dass sie sich schwerpunktmäßig aus im Berufsleben stehenden Ratenzahlern und Gebrauchtwagenfahrern rekrutieren, die ohnehin schon den Überziehungskredit ausgereizt haben. Die sind gleich doppelt gekniffen, dürfen sie doch die höchsten Strompreise der Welt bezahlen und gleichzeitig die Energiewende nicht als den asozialen und kontraproduktiven Schwachsinn bezeichnen, der er ist.

Für diejenigen, die es dennoch wagen, ihre Meinung kundzutun, möchte ich hier eine kleine psychologische Hilfestellung geben. Meiden Sie Larmoyanz über die repressiven Zustände und betrachten Sie ihren Entschluss als ausgeprochen luxuriösen Gewinn an Lebensqualität.

Die Aussage „Ein Land, das seine Grenzen nicht bewacht, ist kein Land" entspricht beispielsweise der Teilnahme an einem Polo-Turnier in Uruguay.

Die Aussage „Junge männliche Migranten aus bestimmten Regionen sind in der Kriminalitätsstatistik überrepräsentiert" entspricht einer Golfpartie mit Donald Trump in Florida. 

Die Aussage „Friday for Future-Kids sind gleichermaßen beschränkte wie verwöhnte Gören reicher Eltern" kommt der Teilnahme an einer Großwildjagd (mit Abschussgarantie) in Namibia gleich.

Die Aussage „Impfungen sind zur Verhinderung von Corona unwirksam und überdies mit einem kriminell hohen Risiko von Nebenwirkungen behaftet" entspricht einer Mitfahrt auf Roman Abramowitschs Jacht „Solaris" auf einem Trip ins Eismeer.

Sie sehen: Die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit verströmt sofort den Geruch von Freiheit und Abenteuer. Wer auf herkömmliche Art und Weise nicht reich geworden ist oder nicht reich werden will, der sollte dieses Instrument der Wohlstandsmehrung unbedingt nutzen. Ich persönlich erhielt gestern übrigens ein Schreiben des Rechtsanwalts von Anetta Kahane, befinde mich also auf einer Reise in ein Spielcasino in der Atacama.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Helmut Driesel / 03.04.2022

  Kein Mensch wird genötigt, dauernd seine Meinung kund zu tun, so ein Blödsinn. Genau so, wie man auch nicht immer tut, was man möchte, sondern man schaut sich erst mal um und vergewissert sich der Umgebung und der Situation, versucht die Folgen des Tuns einzuschätzen. Warum soll das für die Meinungsäußerung nicht gelten? Ich fasse die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes eher als Haltungs- und Überzeugungsfreiheit auf. Die Verfassung der DDR ließ diese Interpretation gar nicht zu, dort war die Meinungsfreiheit tatsächlich die des richtigen oder staatsbürgerlich falschen Öffentlichmachens von Meinung. Es war ja nicht verboten, sich als Staatsfeind zu bekennen. Das war nur nicht klug, aber das wäre es heute und hier auch nicht. Schreiben Sie ein staatsfeindliches Buch, bekennen Sie Sich dazu und ziehen sie die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutz es auf sich, und Sie werden sehen, es ist ihrem Befinden nicht zuträglich, die garantierte Meinungsfreiheit auf diese Weise zu strapazieren. Das sind elementare christdemokratische Überzeugungen, das hat sich seit Adenauer nicht geändert. Deswegen hilft auch der Ruf nach Konservativismus nicht aus der Misere heraus. Alles Liberale dagegen muss man sich zuerst leisten können. Es ist also Privileg!

Rolf Lindner / 03.04.2022

Wenn in einem Land Gestalten und sich Verhältnisse entfalten, die Junge von den Alten spalten, so dass nur die autarken Alten sich wagen, nicht den Mund zu halten, kann nicht Demokratie obwalten.

M.Mueller / 03.04.2022

Am 25.08.2021 riefen Sie hier, dazu auf, vor den Testzentren eine Art Speakers Corner zu initiieren. Ihre Follower sollten also den dort wartenden Menschen, von einem mitgebrachten Stuhl herab, ihre freie Meinung äußern. Haben Sie bei diesem Aufruf all die heute behaupteten Folgen für Ihre Follower in Kauf genommen? Den autobiografischen Teil heute finde ich besonders toll, denn schließlich ist dieser Blog hier nur aufgrund der hier in D herrschenden Meinungsfreiheit möglich :“Sie sehen: Die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit verströmt sofort den Geruch von Freiheit und Abenteuer. Wer auf herkömmliche Art und Weise nicht reich geworden ist oder nicht reich werden will, der sollte dieses Instrument der Wohlstandsmehrung unbedingt nutzen” Achgut als Instrument der Wohlstandsmehrung (einiger) - endlich ist es raus.

Hans-Peter Dollhopf / 03.04.2022

Herr Maxeiner, “Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.” Kam dieses Mal davon, dass die neu hinzugekommene Bevölkerung sofort ab 1989 nicht gründlich entsozifiziert wurde. So weit war er da bereits heruntergekommen, der freie Westen, einer Kahane eine weitere Chance zu bieten. Vor 89 predigten die Marxisten noch, der Faschismus sei die Spielform der Demokratie in der Krise. Dabei ist der Faschismus die Zuflucht erster Wahl jeder x-beliebigen Ideologie in der Krise, auch des Sozialismus! Und es gibt wenige Ideologien, die so penetrant in Krisen stecken wie der Sozialismus. Die komplette Kahane ist eine Personifizierung von Sozialismus in der Krise, ihre Jagd auf “Faschisten” als Lebensinhalt aber Ausdruck ihrer Projektion des eigenen Zustandes auf Gesündere. Hätte man ab 1989 gründlich entstasifiziert, würde die heute nicht mit dem Strick herumfuchteln.

Klaus Biskaborn / 03.04.2022

Wunderbarer Artikel. Ich stimme der Meinung eines Mitforisten zu, die meisten Deutschen haben längst keine eigene Meinung mehr, bzw. machen sich gar nicht erst die Mühe eine solche zu bilden. Daran, das ist meine feste Überzeugung, krankt dieses mittlerweile desolate Land am meisten!

Kurt Schrader / 03.04.2022

Lieber Herr Maxeiner, Sie haben ja völlig Recht, Meinungsfreiheit ist wirklich unverzichtbar! Alle, die die Achse unterstützen, sind dafür….. Gut, dass wir s(S)ie haben…..

N.Lehmann / 03.04.2022

Das ist eher eine Frage von Bildung,  Rückgrat, Selbstbewustsein, Menchenkenntnis, erfolgreich im Job und jederzeit darüber zu entscheiden, wann man den Stecker zieht, bzw. alles fallen lässt, was nix taugt! Konsequent leben, einstecken, aber auch austeilen! Dafür muss man nicht reich sein. Wer es in seinem Lebensabschnitt einmal war, der weiß, da gibt es auch Probleme! Wer nicht kämpft, die Auseinandersetzung sucht, der ist schon tot!

Wilfried Cremer / 03.04.2022

Sehr geehrter Herr Maxeiner, erlaubt Ihr Rechtsanwalt, das Schreiben zu veröffentlichen?

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