Darf an diesem Tag geschlachtet werden?
Lieber Herr Grimm, was die Genossin unbegreiflicherweise völlig ignoriert, ist, dass Herr Honecker sich womöglich im Grabe umdrehen wird. Das alles antikapitalistische gleich antifaschistisch sei und damit anti - reichsprogromnächtig (wie es in des Genossin Oberstübchen dumpf scheppert), hätte Honecker, auf die Jagd bezogen, vehement von sich gewiesen. Für ihn war die Jagd per se eine antifaschistische und antikapitalistische Obsession, vorausgesetzt nicht der Feudalherr, sondern die Parteimitglieder huldigten ihr. Die Sauhatz war sozusagen das kristallklar scheinende, Wildererhafte Symbol des Sieges des Proletariers über den Lehnsherrn. (Auch wenn nur die höchstrangigen Funktionäre diesem Hobby nachgehen durften). Die Kommunisten, inzwischen grün gewendet und geistig vegan durch den Fleischwolf gedreht, sind auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Die kaufen heute ihren Antikapitalismus im Bio - Supermarktregal.
Vermutlich liegt es an mir, aber ich habe die Umbennung der “Reichskristallnacht” in “Reichsprogromnacht” nie verstanden, gerade weil mir letzteres immer als verharmlosend erschien. Progrome, besonders welche gegen Juden, gab es leider viele, die “Reichskristallnacht” war und ist einmalig. Als Kind konnte man Aufgrund der Beschreibung (die Straßen voller Glasscherben) auch gut den Schrecken dieser Nacht erkennen, dem “Progrom” fehlt es auch an dieser bildlichen Verständlichkeit.
Abtreibungen an dem Tag zu verbieten, würde ihr wahrscheinlich nicht einfallen.
Vielleicht liegt diese “besondere Pietät” ja am “Reichsjägermeister” Hermann Göring und seinem Reichsjagdgesetz vom 4.7.1934 mit dem Zusatz vom 29.3.1939, unterzeichnet von Roland Freisler, nach dem Juden ab sofort nicht mehr jagen (aber alsbald gejagd werden) durften? Demnach wären also alle Jäger irgendwie “rechts”...
Diese Analogie von „unschuldigen Menschen“ und „unschuldigen Tieren“ ist so lächerlich wie abgeschmackt. Die Hasen werden es der Genossin Jagdminister Keller gewiß danken, daß sie erst ab morgen wieder rechtmäßig abgeknallt werden dürfen. Auch die Juden wird’s beruhigen: An Gedenktagen erschießen die Deutschen keine Hasen und dann auch keine Juden. An Gedenktagen wird überhaupt nicht mehr erschossen. Geschlachtet und geschächtet schon. - In unserer Republik ist der seine ergreifenden Zeichen setzende Geist aber auch wirklich bis in den letzten Winkel, wie der Österreicher sagen würde, ‘am Oarsch’.
Ob Frau Keller es nun will oder nicht: sie bringt das Töten von Tieren in Verbindung mit der Verfolgung und dem Töten von Menschen und hält dies womöglich noch für den Ausdruck einer antifaschistischen Haltung.
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