Wer den Inhalt dessen, was er schreibt, reflektiert, bevor er ihn in die Welt hinausposaunt, der achtet auf die Form. Der beachtet die Regeln der Sprache und bemüht sich, Rechtschreibfehler zu vermeiden, Kommata richtig zu setzen, die korrekten Präpositionen zu wählen, usw. usf. Weil die Form den Inhalt bedingt, wird durch diese Achtsamkeit nicht nur zwangsläufig der eigene Gedanke präziser, der damit aufhört, seinem unsublimiertem Affekt nachzuhängen; es ist damit darüber hinaus auch ein gewisser Respekt gegenüber jenen verbunden, von denen man gehört und verstanden werden will, ein Respekt, den beispielsweise auch Karl Lauterbach vermissen lässt. Man geht schließlich auch nicht mit vollgeschwitzter Sportkleidung zu einem Geburtstag.
Auch wenn die digitalen Formate dazu einladen, unmittelbar kundzutun, was einem noch ungeordnet im Kopf herumschwirrt, lässt sich die Verantwortung für die eigene mangelhafte Selbstkontrolle nicht an das Medium delegieren. Insbesondere von in der Öffentlichkeit stehenden Personen, ob Journalisten, Politikern oder Funktionären, ließe sich erwarten, dass sie ihre Mitteilungen in einem Word-Dokument verfassen und nicht direkt in der Facebook-App – es bliebe dem Bürger einiges erspart.
Aiman Mazyek ist, was seine Kommunikation betrifft, gewissermaßen ein Unikat. Ein Punker, der so individuell falsch schreibt, dass man nicht mehr von Fehlern oder Schludrigkeit sprechen kann, sondern ein unbewusstes Drängen, wenn nicht Absicht unterstellen muss (wobei hier davon ausgegangen wird, dass er seine Beiträge in den sozialen Medien selbst verfasst). Der Funktionär aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft, dessen Aufgabe darin besteht, den legalistischen Islamismus in die (nach-)bürgerliche Gesellschaft zu integrieren, hat das Abitur in Aachen erworben und spricht, hört man sich seine Videos an, eigentlich ein sehr gutes, muttersprachliches Deutsch. Wie kommt er also auf die Idee, zusammengesetzte Substantive ohne Bindestrich, aber mit einem Großbuchstaben innerhalb des Wortes zu schreiben? Niemand schreibt so – kein Migrant, auch kein Deutscher mit Lese-Rechtschreib-Schwäche. Ein paar Beispiele von seiner Facebook-Seite:
„Zwei Besuche mir Vortag in unserer Gemeinde, Eintrag in das GästeBuch der Stadt.“ (29.04.19)
„Lasst uns allesamt zusammenstehen als MenschenGeschwister gleich welcher Religion oder keiner.“ (28.04.19)
„Der Titel -wohlwollend interpretiert -könnte bedeuten, Extremisten aller Couleur auf die Schliche zu kommen +vor allem eines nicht machen: Ihnen auch noch Deutungsmacht liefern für ihr krankes MörderZeugs“ (24.04.19)
„Und von Moralapostel zu Moralaposten sozusagen. Kürzlich den selten ... Satz von ihm gelesen: "Demokratie braucht Religionskritik". Kann man nur widersprechen. Demokratie braucht weder Religionskritik, noch Religion. ServicePost für Ahmad Mansour.“ (15.04.19)
Mich überkommen beim Anblick solcher Sätze körperliche Schmerzen. Doch ist es nicht nur das Schriftbild, das mich abstößt, sondern das, was es transportiert: die Arroganz und Respektlosigkeit, mit der jemand, der im Studium und Abitur so mit Sicherheit nicht geschrieben hat, glaubt, die Regeln der Sprache, die für alle gelten, seiner Willkür unterwerfen zu dürfen – als wäre selbst diese triviale Anpassungsleistung an allgemeine Gepflogenheiten noch zu viel verlangt, als müsste auch hier Anspruch auf eine Extrawurst erhoben werden: Sprachliche „Vielfalt“ als Subversion allgemeiner Grammatik, wie man dies von „kultureller Vielfalt“, die ihrerseits die allgemeinen Verfassungsrechte unterläuft, bereits kennt. Insofern wäre sein kommunikativer Auftritt das Analogon zu seiner politischen Agenda.
Dass man sich mit jemandem überhaupt auseinandersetzen muss, dessen Social-Media-Präsenz schon indiziert, nicht der Vertreter zu sein, als der er sich geriert – er bekommt kaum Zuspruch von Muslimen, dafür ein wenig von verwirrten Deutschen –, ist schon Grund genug, jene Vertreter der herrschenden Politik zu verachten, die ihn immer und immer wieder als Ansprechpartner einbinden.
Längst überfällig war es daher, dass jemand deutlich interveniert. Zu hoffen bleibt, dass einem bald nicht nur sein nötigendes Toleranz- und Versöhnungsgeschwafel, sein notorisches Fordern, seine Hetze gegen Kritiker und seine Israelfeindlichkeit erspart bleiben, sondern auch die sprachlichen Zumutungen seiner Internetmitteilungen.