Julian Marius Plutz, Gastautor / 30.10.2021 / 12:00 / Foto: Pixabay / 23 / Seite ausdrucken

Der Arbeitsmarkt im Oktober – Weniger Kurzarbeit und fehlende Fachkräfte

Nachdem ich mich in den vergangenen Kolumnen, in aller Regel verzweifelt, den blutleeren Forderungen unserer Parteien gewidmet habe, was den Arbeitsmarkt angeht, soll es heute um ein Thema gehen, was in aller Munde ist: Der Fachkräftemangel, für den die Politik sogleich ein Rezept zu haben scheint. Ob das sinnvoll ist und was die Gründe für die offenen Stellen sind, versuche ich zu beantworten. Zunächst aber die Zahlen für den Oktober 2021.

Zur Erinnerung: Ende jedes Monats veröffentlicht die Agentur für Arbeit die Arbeitslosenzahlen für Deutschland. Hierbei wendet die Behörde recht banale Tricks an.

Laut der Presseerklärung waren 2.377.000 Menschen arbeitslos. Diese Aussage ist jedoch völlig falsch, in den rund 2,4 Millionen Menschen sind lediglich die Arbeitslosen abgebildet, die im Sinne SGB II („Hartz IV Empfänger“) und SGB III (Personen in Fördermaßnahmen, Behinderte etc.) nicht erwerbstätig sind. Arbeitslose, die über 58 Jahre alt sind, werden in der Arbeitslosenzahl gar nicht berücksichtigt. Diese liegen bei rund 122.000 Personen. Diese sowie Teilnehmer an Programmen zur Integration in den Arbeitsmarkt und Arbeitsunfähige sind laut den Statistikern der Agentur für Arbeit unterbeschäftigt

Vermutlich mehr als 10 Prozent Arbeitslose im Oktober

Sie sind arbeitlos, werden aber anders genannt. Im engeren Sinne unterbeschäftigt sind rund 3,1 Millionen Menschen, also rund 700.000 Arbeitslose mehr, als in der Zahl, die Tagesschau und Co. präsentieren. Das sind mehr als 20 Prozent und durchaus üblich. Nach meiner Erfahrung bewegt sich die Differenz der sogenannten Arbeitslosen und der Unterbeschäftigten zwischen 20 und 30 Prozent. Doch auch diese Zahl ist von der Realität weit entfernt. Weitere Details meiner Schätzung finden Sie hier. Wenn man jedoch alle Parameter mit einbezieht, zum Beispiel die Beschäftigten, die Kurzarbeitergeld (KUG) erhalten, dann sieht die Arbeitslosenzahl ganz anders aus.

Rund 760.000 Menschen erhielten im September KUG, was eine grobe Schätzung seitens der Agentur für Arbeit ist. Die Zahl dürfte jedoch aufgrund verspäteter Meldungen oder Berechnungen, nicht zuletzt seitens der Krankenkassen, höher ausfallen. Rechnet man diese mit 2/3 mit und addiert ALG I und andere Zahlen mit ein, haben wir in Deutschland, konservativ geschätzt, rund 5 Millionen Arbeitslose. Das sind von den 2,4 Millionen, die die Pressemitteilung hergibt, mehr als das Doppelte. Sprich: Die Arbeitslosenquote dürfte im Oktober bei 10 Prozent liegen. Vermutlich mehr. 

Es ist wichtig zu wissen, dass meine Zahlen keine exakte Berechnung darstellen, sondern eine Schätzung sind. Ich bemühe mich daher, eher zurückhaltend zu schätzen. Ob es dann 9,9 Prozent echte Arbeitslose sind oder 11 Prozent, ist dann nicht so wichtig. Mir ist wichtig, zu zeigen, wie propagandistisch Politik und vor allem Mainstream-Medien Monat für Monat getürkte Zahlen in den Umlauf bringen.

Politik setzt blind auf Einwanderung

Und während sich Politiker für falsche Zahlen feiern – Arbeitsminister Hubertus Heils Gemütszustand wird als „erfreut“ zitiert –, beklagen Unternehmen den Mangel an Fachkräften. Schaut man sich die offenen Stellen im Monatsbericht an, so sind 808.000 Arbeitsplätze unbesetzt. Im Oktober 2020 waren es noch 602.000, im September 2021 799.000.

Leider gibt der Monatsbericht nicht her, wie viele Fachkräfte aktuell fehlen. Aus den Berichten der Vergangenheit aber lässt sich sagen: einige. So gehen Experten sogar von mehr als einer Million fehlender Stellen aus. Der Grund, warum diese nicht als freie Stellen deklariert werden, liegt daran, dass diese erst gar nicht mehr ausgeschrieben werden, was sich mit meiner Erfahrung im Personalvertrieb durchaus deckt. Viele Projekte verwaisen, werden verschoben oder ganz storniert, schlicht weil die Mitarbeiter fehlen. 

Die Politik scheint auf dieses handfeste Problem ein Allheilmittel gefunden zu haben: Migration. Hierbei ergeben sich jedoch einige Herausforderungen.

Mindestens vier Punkte müssen beachtet werden 

1. Studenten könnten auch Fachkräfte sein 

2005 absolvierten rund 1,7 Millionen Menschen eine duale Ausbildung. 2021 waren es noch 1,3 Millionen. Zum Vergleich: 2005 gab es rund 2 Millionen Studenten. Zum Wintersemester 2020/21 waren es knapp 3 Millionen. Während die Ausbildungen im oben genannten Zeitraum um mehr als 20 Prozent zurückgingen, studierten von 2005 zu 2020 50 Prozent mehr Jugendliche. Hürden für das bloße Studieren, um zu studieren, müssen erhöht werden, gegebenenfalls mit Auswahltests. Denn man darf nicht vergessen: Auch ein Hochschulstudium ist eine Ausbildung und kein Hort zur Selbstverwirklichung. 

2. Massenmigration als Schlüssel?

Deutschland liebt seine Gutartigkeit. Das sah man bei der Flüchtlingskrise und entdeckt man seit Jahrzehnten beim Thema Integration. Viele Deutsche glauben tatsächlich, dass mit Flüchtlingen der Fachkräftemangel zu beseitigen ist. Im Jahr 2020 hatten 50 Prozent aller Flüchtlinge einen Job. Davon ergatterten 17 Prozent bei hohem Abbruchrisiko einen dualen Ausbildungsplatz. Was Tagesschau.de als Erfolg bezeichnet, ist in Wahrheit ein Trauerspiel. Wenn von 100 Flüchtlingen 17 eine Ausbildung beginnen, dann ist das eine sehr schlechte Quote. Jenseits humanitärer Erwägungen, die hier keine Rolle spielen sollen, kann ungezügelte Einwanderung nicht der Schlüssel gegen Fachkräftemangel sein. 

3. Gezielte Einwanderung kann partiell helfen 

Gerade in technischen Berufen, aber auch in der Pflege oder bei den Ärzten können Fachkräfte aus dem Ausland eine Bereicherung sein. Problem, gerade in sozialen Berufen, ist das Sprachdefizit. Während der Programmierer problemlos mit Englisch zurechtkommt, sieht das im Spital oder im Seniorenheim schon anders aus. Auch die Ausbildungen sind in anderen Ländern häufig unterschiedlich.

4. Gezielte Einwanderung schadet den Herkunftsländern

Fachkräftemangel ist kein rein deutsches Problem. Auch in Bulgarien, Portugal oder Rumänien klagen Arbeitgeber über fehlendes Personal. Problem hierbei ist: Deutschland ist zum Beispiel für rumänische Ärzte äußerst attraktiv. Wir ziehen aus ohnehin schon ökonomisch schwächeren Ländern ihr höchstes Gut. Den sogenannten Brain Drain gibt es nicht nur von Wissenschaftlern von Deutschland weg, sondern auch von Fachkräften nach Deutschland hinein. Vielleicht könnte auf die eine oder andere Staatshilfe für schwächere Länder verzichtet werden, wenn man nicht die schlauesten Köpfe von dort abziehen würde.

Wir haben gesehen, dass die Arbeitslosigkeit wohl bei 10 Prozent liegt. 150.000 Jugendliche sind im Oktober arbeitslos, die vielen, die in mehr oder weniger sinnhaften Maßnahmen stecken, nicht einberechnet (gab die Oktober-Statistik nicht her). Daneben studieren in Deutschland immer mehr Jugendliche, während die Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Massenmigration kann nicht der Schlüssel zur Lösung sein. Gezielte Einwanderung kann partiell helfen. Doch am wichtigsten ist zunächst, die deutschen Jugendlichen zur Ausbildung zu bewegen, bevor man teure und aufwendige Integrationsarbeit leisten muss – mit Sprachbarrieren und kulturellen Herausforderungen. Dann erst kann man auf gezielte Einwanderung setzen, die – das sollte bedacht werden – in den Heimatländern fehlen werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Neomarius.

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Leserpost

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Rudolf Dietze / 30.10.2021

Sowie es bei den Arbeitslosenzahlen ist, zeigt unsere Lückenpresse, auch bei den Abschiedsreisen von AM, wo war sie im letzten Vierteljahr nicht. Was macht der Bundesrechnungshof? So eine Orgie hat sich bisher noch kein Bk geleistet. Der Staat als Beute.

Thomas Kache / 30.10.2021

Primär kommt es meiner Ansicht nach mal darauf an, wie von den Personalern „Fachkraft“ definiert wird. Ist damit derjenige gemeint, der unfallfrei beim Golf das linke Rücklicht festschrauben kann, oder werden hochqualifizierte IT- ler gesucht? Auch ist es doch vielfach so, das beispielsweise Personalvermittlungsbüreaus immer Leute suchen. Die kommen dann in einen Pool und werden hundsmiserabel schlecht bezahlt, und das auch nur, wenn sie eine Anstellung haben. Meines Erachtens nach ist dieser „Fachkräftemangel“ ein aufgeblasener Popanz. VW entlässt gerade 30 k Angestellte. Während der „Corona-Pandemie“ sind ganz viele Verkäufer, Fitnesstrainer und was weiß ich noch wer alles, in die Beschäftigungslosigkeit gestürzt worden. Aber, o.k., um die 736 Nichtsnutze und deren schmarotzenden Anhang alleine im Bundestag zu legitimieren braucht s halt einen herbeigequasselten „Fachkräftemangel“. Glücklicherweise gehe ich zeitnah in Mindestrente. Leid tun mir eigentlich nur die paar Hanseln, welche in Zukunft die Rot-Grünen Wolkenkuckucksheime finanziell stemmen müssen. Aber ja, selbst dran doof.

lutzgerke / 30.10.2021

“Vielleicht könnte auf die eine oder andere Staatshilfe für schwächere Länder verzichtet werden, wenn man nicht die schlauesten Köpfe von dort abziehen würde.” Genau so ist das.

lutzgerke / 30.10.2021

Wir ziehen die wenigen Fachkräfte aus Ländern, die sie brauchen, einfach ab. Das ist sozial ausgewogen und füllt das Auge mit Tränen. / Seit Lehrlinge keine Lehrlinge mehr sind, sondern Azubis, verdienen die im ersten Jahr laut politischem Beschluß schon Facharbeitergeld. Die Unternehmer machen das nicht mit. / Was haben wir denn in 3,5 Ausbildungsjahren verdient? 300 Mark. Waren aber im ersten Jahr schon so gut trainiert, daß wir als Facharbeiter eingesetzt worden sind. Der Umbau der Gesellschaft, die Massenproduktion, die Verkettung aller selbständigen Geschäfte zu Bäckereiketten, Smartphoneketten, Modeketten, Security-Ketten, das Auslagern von Ansprechpartnern in Telefonzentralen fernab des Geschehens, wo man als genervter Kunde in Warteschleifen Schimmel ansetzt, für solche “Jobs” ist keine Ausbildung mehr nötig. Es gibt keine KFZ-Mechaniker mehr, keine Bäcker, Konditor, Tischler, Maurer, Verkäufer, das sind alles nur noch Lagerarbeiter, die bestenfalls auf den Monitor gucken und dann einen Baustein auswechseln. Geh doch zu Obi und lass’ dir ein Brett durchsägen. Dafür braucht es keine Ausbildung, keine Werkstoffkenntnisse, keine technische Zeichung, dafür braucht es nur einen Gehörschutz. / Und die Digitalisierung ist einem so schnellen Wandel unterzogen, daß der Arbeitsplatz beim Bewerbungsgespräch schon wieder wegrationalisiert worden ist. / Trotzdem sollte jeder zugreifen, der noch eine handwerkliche Ausbildung in einem echten Kleinbetrieb machen kann. Da lernt er in 3 Wochen mehr als der Angelernte ins 10 Jahren. Und findet immer einen Brötchengeber. Ich kenne einige, die das Studium abgebrochen haben, weil das ins Leere lief und umgesattelt haben. Die verdienen als Handwerker richtig viel Geld.

Heiko Stadler / 30.10.2021

Jeder “Flüchtling” fordert Wohnung, gesundheitliche Versorgung und benötigt Verwaltungsaufwand. Außerdem dient er skrupellosen Asylanwälten als Einkommensquelle auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung. Dafür werden Arbeitskräfte (und keine Sozialleistungs-Forderer) benötigt. Die Lösung für den Fachkräftemangel ist die Abschiebung der vielen hunderttausend Abschiebungspflichtigen. Übrigens: Warum gibt es eigentlich in Polen, Tschechien und Ungarn keinen Arbeitskräftemangel?

Frank Stricker / 30.10.2021

Da wäre ja noch die Gruppe “subsidiärer Schutz”, die in keiner Statistik erwähnt werden. Speziell in der Kriminalstatistik wird diese Gruppe verschwiegen , warum wohl ?!  Diese ca. 300.000 Person werden wohl vorsorglich in “Sprachkursen” geparkt, das peppt die Statistik auf und der “Fallmitarbeiter von der Agentur für Arbeit”  kann seine Leistungsprämie beziehen….....

Rasio Brelugi / 30.10.2021

Da gegen Stromknappheit bei Windstille von den Rot-Grünen noch mehr Windkraftwerke gefordert werden, passt es doch gut, wenn gegen Fachkräftemangel noch mehr Einwanderung gefordert wird, die ja de facto eine Masseneinwanderung von unausgebildeten Muslimen ist. So können Irrationalität und kulturelle Dekadenz Hand in Hand gehen. Die o.g. ethischen Bedenken gegen Fachkräfteabwerbung aus ärmeren oder gar aus Entwicklungsländern können nicht genug unterstrichen werden. Aber auch die politischen Akteure merken, dass das dem politischen Ziel “Migrationsgründe beseitigen in den Herkunftsländern der Migration”, um das es sehr leise geworden ist, entgegensteht. - - - Aber kein Argumente wird noch etwas nützen in Deutschland. Die politische Debatte ist auf unabsehbare Zeit zerstört durch Propaganda und Demokratie-Abbau. Warum ich mich noch äußere? Das ist nur mein Bemühen um intellektuelle Redlichkeit. Nichts wird den ideologischen Mainstream mit seinen Massen aufhalten können. Wenn die Bevölkerung erstmal durch Demagogie und Propaganda zur Masse umgeformt ist, gibt es kein Halten mehr - bis zum Untergang, der, wenn er auch schon begonnen hat, sich auf ein bis zwei Generationen hinstrecken wird.

K.H. Münter / 30.10.2021

Da wäre noch zu fragen was diese vielen Jugendlichen so studieren? Besteht bei einer Vielzahl der Studiengänge Aussicht auf auskömmliche Beschäftigung? Wären nicht seit Jahren viele dieser Jugendlichen die ein im Vergleich zu früher nur “bescheidenes Abitur” vorweisen besser dran einen Handwerksberuf zu erlernen. Die Verdienstmöglichkeiten sind gut und Handwerker sind zudem schwer gesucht.

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