Murat Altuglu, Gastautor / 12.05.2013 / 18:37 / 0 / Seite ausdrucken

Dem Filosof ist nix zu doof

Murat Altuglu

Durch einen Beitrag auf achgut habe ich erfahren, wer Herr Michael Schmidt-Salomon ist und was er macht: Ein Philosoph und Religionskritiker. Im gleichen Artikel von ist zu lesen, der Philosoph und Religionskritiker moniere, dass der Zentralrat der Juden die liberalen und säkularen Juden unzureichend vertritt. Für einen Religionskritiker ist dies eine sehr ignorante Haltung. Dazu gleich mehr. Das scheint aber genug zu sein, um in Deutschland einer Stiftung vorstehen zu können. Deswegen schaute ich mir das verlinkte Interview mit ihm an und war erstaunt, wer so alles als Philosoph und Religionskritiker in Deutschland durch geht..

„Philosoph“ heißt ja soviel wie „Liebhaber der Weisheit“. Daher sollten Behauptungen, die man macht, wahr und durchdacht sein. Als Religionskritiker sollte man zumindest die Religion, die man kritisiert, kennen. Man kann aber nicht behaupten, dass Herr Michael Schmidt-Salomon kenntnisreich ist. Er hat weder eine Ahnung von den Religionen, die er kritisiert, noch ist er besonders belesen. Dafür produziert er Unmengen von Neologismen, wie es Sophisten gerne tun, und verbindet sie mit wohlfeilen Postulaten. Klingt gemein, ist aber so.

Michael Schmidt-Salomon beginnt seine Behauptungen mit einem Satz, der nur von einem   Ignoranten der Historie kommen kann:

„In diesem Zusammenhang wäre jede westliche Überheblichkeit unangebracht, schließlich verdankt sich der zivilisatorische Aufstieg Europas in der Renaissance-Zeit nicht zuletzt den Impulsen des “muslimischen Kulturkreises”, der das reiche Erbe der Antike pflegte, während im “christlichen Westen” jahrhundertelang alles vernichtet wurde, was im Widerspruch zur Bibel stand.“

Nachdem er die Frage zum mordlüstenden und rassistischen Zentralrat der Juden mehr oder weniger elegant pariert hat,  präsentiert er seine Expertise zum Christentum. Auch damit ist Michael Schmidt-Salomon geistig überfordert.

Für einen Christen, der seinen Glauben ernst nimmt, ist Homosexualität abartig, Scheidung ein Sakrileg und Abtreibung Mord. Das sind die Normen eines Christen. Schmidt-Salomon hat seine eigenen Normen, die nicht mit den Normen der Christen konkurrieren, sondern über allen anderen stehen. Christen sollen sich diesen Normen gefälligst unterordnen. Sie haben an der „Unmoral“ teilzunehmen.

Wenn Christen aber für ihre Prinzipien einstehen und dies auch kundtun, was in Deutschland kaum noch möglich ist, so ist das für den Philosophen „sittenwidrig.“ Wenn er aber sagt, wo es lang geht, dann ist das aufgeklärt. Quod licet Iovi, non licet bovi, könnte ich sagen. Nur will ich den atheistischen Philosophen nicht mit religiösen Floskeln bedrängen.

Als Religionskritiker (denn zum Islam, Christentum, und zum Judentum äußerst er sich zuhauf) sollte Michael Schmidt-Salomon doch wissen, dass für die Juden die Thora gilt. In Newi’im und Ketuwim ist zu lesen, wie Gott die Juden bestraft, weil sie sich eben nicht an die Thora halten. Warum sollte dann der Zentralrat der Juden säkulare Juden vertreten? Als Jude hat man sich an die Gebote des Herrn zu halten. Wenn der Zentralrat der Juden den Anspruch hätte, eine religiöse Interessensvertretung zu sein, dann könnte er säkulare Juden überhaupt nicht vertreten. Wieso sollte er Leute vertreten, mit denen er nichts gemein hat und die die Gebote des Herrn missachten?

Ein anderes Beispiel dafür, wie undurchdacht die Forderungen des Philosophen sind: In Deutschland wird ja neuerdings sehr gerne nach der Ökumene verlangt. Natürlich ist diese Forderung für jeden einigermaßen belesenen Menschen Unsinn. Den Ökumenisten sei gesagt, dass man, laut Jesus, nur durch ihn zum Vater gelangen kann (Johannes 14:6). In Lukas 4:8 steht geschrieben, dass man nur den Herrn verehren soll.

Nun beten Katholiken zu Maria, haben ihre Heiligen und dann noch den Papst. Für Evangelische (zumindest außerhalb der EKD) sind all diese Katholizismen ein großes No-No. Es wäre daher absurd zu bemängeln, dass die Evangelisch-Lutherische Kirche die Katholiken nicht vertritt, obwohl es sich um zwei Gruppen mit unterschiedlichen Prinzipien und Lebenswirklichkeiten handelt.

Als Nächstes lässt sich Michael Schmidt-Salomon über die Bibel und den Koran aus und vergleicht sie. Deutlich wird dabei, dass der Religionskritiker weder die Bibel noch den Koran kennt. Zu den unterschiedlichen Funktionen der Bibel und des Koran haben sich viele kluge Köpfe (Philosophen, die man auch so nennen kann) geäußert.

Genese, Inhalt, Ritus und Lebenswirklichkeit der Bibel und des Koran sind grundverschieden. Die Nivellierung der Unterschiede durch Michael Schmidt-Salomon ist, anders kann ich es nicht sagen, kindlich naiv. Wenn der „führende atheistische Vordenker der Bundesrepublik“ (Broder) dermaßen ahnungslos ist, dann sind die deutschen Atheisten bildungsferne Tiefflieger.

Als letzter Punkt sei noch ein weiteres Axiom des Philosophen angesprochen. Wie ein roter Faden zieht sich durch den ganzen Artikel die Behauptung, dass es sich bei den Religiösen um Kollektivisten, bei ihm und Seinesgleichen um Individualisten handelt. Er und Seinesgleichen befreien Individuen. Diese „Gefangenen“ müssen befreit werden, und zwar von ihrer Familie. Und die Befreiung leistet der Staat durch seine Schulen.

Diese Art der Erlösung hatten wir schon. Denn die Individualität, von der der Philosoph spricht, ist der kollektive Narzissmus. 

Jemand, der in einem Buchtitel andere als doof bezeichnet, mit Religiotie religiöse Menschen als Idioten hinstellt, und im Interview Leute mal ganz einfach und unbegründet als borniert dahinstellt, ist arrogant. Arroganz kann ich aber nur nachvollziehen und respektieren, wenn sie intellektuell gerechtfertigt ist. 

Tucholsky warnte vor den diplomierten Journalisten. Ich warne vor den diplomierten Philosophen.

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